Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

Verschiedene deutsche Großstädte stellen sich in ihrer Öffentlichkeitsarbeit als - Grüne Stadt - vor. Dabei sind die zentralen Elemente urbanen Grüns vor allem Bäume, deren positive Wirkung für die Gesundheit, das Wohlbefinden, das Naturerleben, das Stadtklima und vieles mehr unbestritten ist.

In Bürgerbefragungen - wie der jüngst durch die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) veröffentlichten - wird deutlich, welch hohen Stellenwert das öffentliche Grün für die Lebensqualität der Stadtbewohner hat.

Dass die Pflanzen in der Stadt ohnehin schon erschwerte Lebensbedingungen haben und unter höherem Stress leiden als ihre Artgenossen im Wald oder in der freien Landschaft, weiß allerdings kaum ein Bürger. Fachleute dagegen beschäftigen sich seit einigen Jahren verstärkt mit diesen Themen.

Bäume der Zukunft

Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Pflanzenbestände in Städten und Gemeinden haben längst erhebliche Konsequenzen für die Baumschulbranche. Schließlich dauert es mehrere Jahre, bis ein Alleebaum die notwendige Größe und Stabilität hat, die er für ein Leben am Rand der Straße oder im innerstädtischen Bereich braucht. Was also in acht oder zehn Jahren gepflanzt werden soll, muss jetzt vermehrt werden. In Baumschulen wird deshalb schon seit Jahren weitsichtig an neuen Gehölzsortimenten gearbeitet. Bundesweit wurden mit Unterstützung des Bund deutscher Baumschulen e.V. (BdB) Vergleichspflanzungen angelegt, in denen gleiche Baumarten nach abgestimmten Kriterien regelmäßig bewertet werden.

Dr. Mirko Hobert, Leiter des Kompetenzzentrums Garten- und Landschaftsbau in Quedlinburg, über die Zusammenarbeit in dem langfristigen Gemeinschaftsprojekt ´Klima und Baumsortimente der Zukunft`: "Die Gartenamtsleiterkonferenz (GALK) beobachtet schon seit einigen Jahren das vorhandene Stadtgrün und gibt regelmäßig Empfehlungslisten heraus. In unseren Baumsichtungen werden auch neue Arten und Sorten geprüft, inwieweit sie sich unter den veränderten Klimabedingungen besser eignen. Dies erfolgt in enger Abstimmung zwischen den acht beteiligten Kompetenzzentren und auch in Zusammenarbeit mit den Experten aus der Baumschulwirtschaft."

Veränderungen deutlich

Schon jetzt gibt es Anzeichen für eine Klimaveränderung, auf die die Pflanzenwelt reagiert: Jüngere Untersuchungen aus Dresden belegen, dass der Laubaustrieb in den vergangenen 50 Jahren sechs Tage früher und der Laubfall fünf Tage später auftreten. Der frühere Austrieb wird vor allem dann zum Problem, wenn Spätfröste die jungen Austriebe schädigen - und die Häufigkeit von Spätfrösten hat in den vergangenen Jahren zugenommen.

Markus Guhl, Hauptgeschäftsführer des BdB und Mitglied des Vorstands der Stiftung DIE GRÜNE STADT, warnt: "Insgesamt steigende Durchschnittstemperaturen, aber auch die veränderte Niederschlagsmenge und -verteilung und nicht zuletzt das verstärkte Auftreten neuer Krankheiten und Schädlinge sind Entwicklungen, die Politik und Verwaltung, aber auch Unternehmen und Bürger ernst nehmen müssen."

Klimatologen stellen fest, dass es nicht einfach eine Verschiebung der Durchschnittstemperaturen von Süden nach Norden gibt, sondern dass lokal und regional unterschiedliche Klimaereignisse auftreten. Zum Beispiel führen die immer öfter auftretenden Starkregen in Verbindung mit der hohen Versiegelung von Flächen für Straßen- und Wegebau häufiger als früher zu Überschwemmungen und entsprechenden Schäden in Städten und Gemeinden. Gravierende Probleme verbunden mit Pflanzenausfällen entstehen aber auch durch die in den vergangenen Jahren erlebten mehrwöchigen Trockenperioden im Sommer.

Helmut Selders, Präsident des BdB, betont: "Das Wassermanagement wird in den Kommunen ein zentrales Thema. Als Gegenpol zu der dichten Bebauung sind mehr grüne Ausgleichsflächen in Städten notwendig, die als temporäre Speicher für Überschusswasser und als Versickerungsflächen zur Verfügung stehen. Außerdem sind solche Grünflächen auch als Lebensraum für Tiere und Pflanzen und als Erholungsräume für Städtebewohner wichtig."

Konsequenzen für Städteplanung

Professor Dr. Hartmut Balder von der Beuth-Hochschule für Technik in Berlin befürchtet einen Qualitätsverlust im öffentlichen Grün: "Trotz der hohen Erwartungen an die Wirkung von Pflanzen in Städten bleibt in Zeiten knapper Haushaltsmittel das Stadtgrün oftmals sich selbst überlassen. Dabei stellen sich viele Fragen neu, die nach wissenschaftlich fundierten Antworten rufen. Zum Beispiel verändern neue Krankheiten und Schädlinge das Arten- und Sortenspektrum im öffentlichen Grün massiv."

Karl-Friedrich Ley, Vorsitzender des Fachgremiums Produktion und Umwelt im BdB, sieht die Städte gemeinsam mit den Baumschulen vor einer großen Aufgabe: "Das bisherige Sortiment wird nicht völlig verschwinden, so sind beispielsweise Platanen und Linden auch in Zukunft wichtige Baumarten in den Städten, aber mehr und mehr bewähren sich auch Gehölze aus anderen Regionen. Gesucht sind vor allem Gehölzarten, die eine hohe Trockenheitsresistenz und große Temperaturtoleranz besitzen. Auch neue Baumformen stehen in Prüfung, für schwierige Standorte eignen sich oft schmalkronige Bäume, zumal sie wenig Pflegeaufwand benötigen."

Der Dresdner Forstbotanik-Professor Dr. Andreas Roloff untersucht seit Jahren in Zusammenarbeit mit dem BdB die Eignung von Stadtbäumen. Roloff: "Die Auswahlfaktoren für die Baumartenwahl sind je nach Standort und Zielstellung unterschiedlich. Selbstverständlich sind ästhetische und gestalterische Aspekte nach wie vor wichtig, aber mehr und mehr werden auch gezielt Baumarten wegen ihrer positiven Wirkung als Luftreiniger oder Schallschlucker eingesetzt und erfreulicherweise fragt man heute verstärkt nach den Ansprüchen bzw. Toleranzen der Baumart an den Standort."

Grüne Aussichten

Heute gilt es, die Städte zu planen, in denen wir zukünftig leben wollen. Nicht nur, weil die Entscheidungszyklen oftmals länger sind als Legislaturperioden, sondern auch, weil sich Grünflächen entwickeln müssen, bis sie ihre positive Wirkung voll entfalten können.

BdB-Präsident Helmut Selders: "Der Klimawandel und die von der Politik forcierte innerstädtische bauliche Verdichtung zwingen die Städte dazu, eine planvolle grüne Stadtentwicklung voranzutreiben. Damit die Kommunen diese gewaltige Herausforderung stemmen können, brauchen wir eine gemeinsame Anstrengung des Bundes, der Länder und der Gemeinden in einer ´Nationalen Strategie zur grünen Stadtentwicklung`".

 

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