Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

Waldeigentümer und Förster schlagen Alarm: Durch die Massenvermehrung wärmeliebender Schadinsekten bei gleichzeitigem Auslaufen der Zulassungen wichtiger Pflanzenschutzmittel und immer stärkeren Restriktionen bei der Anwendung entsteht eine wachsende Bedrohungslage im Wald. Fachleute diskutierten auf der DLG-Wintertagung in München.

Unter der Leitung von Maximilian Freiherr von Rotenhan (l.) diskutierten (v.l.n.r.): Dr. Axel Heider, Dr. Ralf Petercord, Fried Graf von Bernstorff, Dr. Regina Fischer, Peter Hefner und Dr. Karin Reiss. (Foto: DLG)

(DLG). Im Rahmen der DLG-Wintertagung in München diskutierten in einer öffentlichen Veranstaltung des DLG-Ausschusses für Forstwirtschaft Experten aus Wissenschaft, Industrie und Waldbesitz über die für eine nutzungsorientierte Forstwirtschaft sich immer weiter zuspitzende Ausgangslage, die wachsenden Risiken für jeden Waldbesitzer und gemeinsame Strategien für die Zukunft. Die aktuelle Bedrohungslage fasste Dr. Ralf Petercord von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft zusammen: Die Auswirkungen des Klimawandels zeichnen sich bereits heute deutlich ab. Das mitteleuropäische Klima verändert sich und verliert durch Witterungsanomalien seinen bekannten gemäßigten Charakter. In der Folge sind ökosystemare Anpassungsprozesse zu erwarten, die die einzelnen Arten, aber auch ihre komplexen Beziehungen zueinander, in vielfältiger Weise betreffen. Das Waldschutzrisiko wird durch diese Veränderungen deutlich ansteigen. Gleichzeitig gelangen über den Welthandel zunehmend invasive Arten nach Mitteleuropa, die zudem in ihrer Etablierungs- und Invasionsphase von den veränderten Witterungsbedingungen in Folge des Klimawandels profitieren können. Auch durch diese Entwicklung verschärft sich das Waldschutzrisiko.

Die Anpassung dieser Wälder an die neuen Klimabedingungen ist bereits im Gange. Ziel sind klimastabilere Mischbestände mit einer stärkeren Beteiligung der Laubbaumarten. Allerdings sind dem Waldumbau Grenzen gesetzt, die sich beispielsweise aus dem Wachstum der Bäume, den Standortbedingungen, dem Alter der Bestände und der Anfälligkeit der Baumarten gegenüber biotischen Schadorganismen ergeben. Aktuell fällt z.B. mit der Baumart Esche eine sehr klimastabile Baumart durch das Eschentriebsterben weitestgehend aus.

Der aktive Waldschutz hat die Aufgabe, die aktuell vorhandenen Bestände vor abiotischen und biotischen Schäden zu schützen. Er ist den Grundsätzen des integrativen Pflanzenschutzes verpflichtet und erfüllt diese bereits vorbildlich. Pflanzenschutzmittel kommen in der Regel nur in worst-case-Situationen zum Einsatz, wenn Bestands bedrohende Schäden prognostiziert werden oder Kulturhemmnisse bestehen. Ihr Einsatz ist daher auf bestimmte Phasen der Bestandsentwicklung begrenzt und betrifft vergleichsweise wenige Flächen. Dennoch sind Pflanzenschutzmittel als wichtige Handlungsoption dringend erforderlich, auch um den Anpassungsprozess der Forstwirtschaft an den Klimawandel unterstützen zu können. Wald wächst am besten unter Wald. Pflanzenschutzmaßnahmen und –mittel sind für die Forstwirtschaft daher notwendiger denn je!

Ein ähnliches Fazit zog der niedersächsische Waldbesitzer Fried Graf von Bernstorff, dessen großflächig vom Kiefernspinner befallenen Waldflächen 2014 nach Rücknahme der Befliegungsgenehmigung durch die Naturschutzbehörde zu 100 Prozent abstarben. Sein Ziel für die Neuaufforstung ist ein stabiler, mehrschichtiger Wald aus standortgerechten Nadelholzbaumarten mit ausreichend Laubholzanteilen – ein stabiles Waldökosystem, das langfristig den Hubschrauber nicht mehr benötigt. Da sich dieses Ziel aber nicht in Legislaturperioden sondern frühestens in einer Baumgeneration verwirklichen lässt, muss, solange die ökologische Stabilität nicht erreicht ist, ein angemessener Einsatz von Pflanzenschutzmitteln möglich bleiben.

Trotz des faktisch bestehenden Bedarfs stellt sich jedoch die Frage, wie lange die Industrie in dieser ideologisiert geführten Diskussion und bei dem absehbar geringen Bedarf in der Lage und gewillt ist, weiterhin kostspielige Entwicklungsarbeit zu leisten und aufwändige Zulassungsverfahren durchzuführen. Dr. Regina Fischer vom Industrieverband Agrar erläuterte, dass ständig steigende regulatorische Anforderungen dazu führen, dass die Kosten für Forschung und Entwicklung drastisch steigen und immer weniger neue Pflanzenschutzwirkstoffe zur Marktreife gelangen, während der Verlust bewährter Wirkstoffe fortschreitet. Im Forstbereich erscheint die Zulassungssituation nur auf den ersten Blick komfortabel: Zwar gibt es über 130 zugelassene Produkte, aber die Wirkstoffpalette ist in den meisten Wirkbereichen bereits jetzt nicht mehr ausreichend. Es drohen Resistenzen und Bekämpfungslücken. Der IVA setzt sich deshalb für ein effizientes Zulassungsverfahren, eine breite Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln und für den integrierten Pflanzenschutz ein, in der Hoffnung, von der Politik ein klares politisches Bekenntnis zum integrierten Pflanzenschutz zu erhalten, mit einer klaren Trennung von Zulassungsverfahren und Umweltpolitik.

Dr. Karin Reiss und Peter Hefner von der Syngenta Agro GmbH machten sich Gedanken über mögliche Wege aus der bestehenden Sackgasse. Angesichts ständig sinkender Anreize für die forschenden Pflanzenschutzunternehmen sind diese Wege allerdings spärlich. Die Pflanzenschutzunternehmen beschäftigen sich in verstärktem Maße mit der Entwicklung biologischer Pflanzenschutzmittel. Die Branche steht hier aber noch am Anfang. Ob biologische Mittel einen Ausweg aus der Sackgasse bringen können, muss sich deshalb erst noch erweisen. Insgesamt folgt der Pflanzenschutz im Forst dem gleichen negativen Trend wie in der Landwirtschaft. Ein schlechtes Image und ein fehlendes öffentliches Bewusstsein für die Probleme in der Produktion sind die Grundübel. Landwirte haben dies erkannt und versuchen mittels Solidarisierung und Nutzung moderner Kommunikationswege wie Internet, Twitter und Facebook für ihre Sache zu werben. Die gesamte Branche versammelt sich im „Forum Moderne Landwirtschaft“, um die Erfolgsgeschichte der modernen Produktion zeitgemäß zu vermitteln. Auch für die Forstwirtschaft ist dieser Schritt alternativlos. Dabei geht es darum, die Wahrnehmung des Waldes an die Realität anzunähern.

In der anschließend vom Vorsitzenden des DLG-Ausschusses für Forstwirtschaft Maximilian Freiherr von Rotenhan moderierten Diskussion bestand breites Einvernehmen, dass Pflanzenschutzmittel auch künftig, insbesondere in der noch lange andauernden Umbauphase, als unverzichtbare Handlungsoption dringend erforderlich sind. Es bedarf der Entwicklung und Zulassung neuer, möglichst selektiver Pflanzenschutzmittel und Anwendungsbestimmungen, die deren Einsatz sachgerecht ermöglichen.

Dass diese Einsichten und Forderungen trotz der schwierigen aktuellen Situation durchaus noch eine Chance haben, bestätigte die von Dr. Axel Heider erläuterte Position des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL): Der Wald in Deutschland steht etwa zur Hälfte im privaten Eigentum. Dieses Eigentum steht unter dem Schutz unseres Grundgesetzes (Art. 14). Waldbesitzer, Länder und die Pflanzenschutzmittel herstellende Industrie können bei der Suche geeigneter Wege für einen sachgerechten Pflanzenschutz nicht alleine gelassen werden. Es ist auch Aufgabe der Bundesregierung, sei es der Verwaltung oder – wo notwendig – der Gesetzgebung, an Lösungen mitzuwirken, die aus der von manchen befürchteten Sackgasse herausführen. So begrüßt das BMEL außerordentlich, dass den Länderbehörden vor dem Hintergrund ihrer gesetzlichen Verantwortlichkeiten eine größere Flexibilität bei der Regelung der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln mit Luftfahrzeugen eingeräumt worden ist. Und auch die mit Projektmitteln des BMEL unterstützte Einrichtung einer Koordinierungsstelle für spezielle Fragen zum Thema Pflanzenschutz im Wald ist ein wichtiger Schritt.

Einvernehmen aller Beteiligten bestand in der Auffassung, dass zur Versachlichung der gesellschaftspolitischen Diskussion es dringend erforderlich ist, den fachlich zuständigen, forstlichen Interessenvertretungen und Behörden offensiv den Rücken zu stärken. Und hier ist jeder Einzelne gefordert, Flagge zu zeigen. Dabei erscheint es auch sinnvoll, den Schulterschluss mit der Landwirtschaft zu suchen. Die DLG nahm diesen Appell zum Anlass, auf ihrer Messe Land & Genuss 2016 in Frankfurt am Main das Thema Forstschutz gemeinsam mit dem hessischen Waldbesitzerverband auf einer Sonderfläche öffentlichkeitswirksam in Szene zu setzen.

Interessenten erhalten weitere Informationen bei der DLG. Ansprechpartner ist Dr. Reiner Hofmann, Tel.: 069/24788-323 oder E-Mail: r.hofmann@dlg.org.

 

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