Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

So wie die industrielle Produktion mittels moderner Informations- und Kommunikationstechnik digital verzahnt werden soll - die Bundesregierung hat hierfür den Begriff „Industrie 4.0“ geprägt - geht auch die Entwicklung in der Landwirtschaft immer mehr in Richtung elektronischer, d. h. digitaler Lösungen.

Hubertus Paetow (Foto: DLG)

Ob die Neuheiten der vergangenen Agritechnica oder die marktverfügbaren Lösungen, die die DLG dort im Special „Digital Cropping“ für den Ackerbau präsentiert hat, oder die bisher bekannten Neuheiten zur EuroTier: Stets sind Software- und Steuerungsanwendungen vorne mit dabei. Der Stand der Technik ist vielfach elektronisch und digital bzw. wird es in allen verbliebenen Feldern noch werden.

Doch wo stehen wir in der Praxis?

Zunächst sind aufgrund der teilweise recht langen Investitionszyklen viele Maschinen und Arbeitsgänge heute noch gar nicht digitalisiert. Hier spielt natürlich die Betriebsstruktur eine große Rolle, d. h. im Norden und Osten Deutschlands, wo die Betriebe traditionell größer sind, ist die Digitalisierung im Schnitt weiter fortgeschritten. Dies bedeutet aber nicht, dass nicht auch im Süden oder Westen einzelne sehr fortschrittliche Betriebe auf Digitaltechnik setzen. Gerade der Bereich der Sonderkulturen ist hier sehr weit, wie man auch auf der vom 27. bis 30. November auf dem Messegelände in Stuttgart stattfindenden Hortitechnica sehen wird. Allerdings sind es heute noch häufig einzelne Traktor-Anbaugeräte-Kombinationen, die je nach Betrieb mit der betriebseigenen Ackerschlagkartei Daten austauschen, und der große Wurf lässt irgendwie auf sich warten.

Auf unserem 1.300 ha großen Betrieb sind wir beispielsweise beim Precision Farming mit Section Control, Lenksystemen und teilspezifischem Ausbringen von Saatgut und Dünger vorne mit dabei. Wir nutzen ein herstellerspezifisches Flottenmanagementsystem für zwei unserer Traktoren, aber wir haben das ideale Informationsmanagementsystem für den Pflanzenbau noch nicht gefunden. Das heißt konkret, ich kann keinen Auftrag zum Düngen oder Spritzen vom Büro auf den Traktor schicken, und ich muss meinen Betriebsmittelbestand auch noch in einem separaten System vorhalten.

Zentrale Infrastruktur fehlt (noch)

Wir haben bei der digitalen Vernetzung mehrere offene Baustellen: Einerseits kämpfen wir gerade im ländlichen Raum mit begrenzten Datenübertragungsraten, und zwar nicht nur kabelgebunden, sondern erst recht in Sachen mobiler Daten. Hier fehlt zurzeit eine sinnvolle Ergänzung, die den Datentransfer in dem Fall übernimmt, wenn über das Funk- oder Handynetz keine oder keine ausreichend gute Datenverbindung mehr aufgebaut werden kann. Wir testen zurzeit im DLG-Testzentrum die Möglichkeit, auf satellitenbasierte Datennetzwerksysteme zurückzugreifen. Die Versuche sehen vielversprechend aus, so dass hier relativ zeitnah marktreife Lösungen zu erwarten sind. Zum anderen benötigen wir eine oder mehrere digitale Plattformen, auf denen eine große Nutzerzahl bereitwillig ihre Daten speichert. Von diesen, natürlich anonymisierten Daten könnte dann jeder einzelne wieder profitieren. Hier sind wahrscheinlich die großen Player gefragt, denn die nötigen Investitionen sind beträchtlich.

Es wird noch etwas dauern

Je nach Anwendungsbereich können wir – trotz immer schnellerer Innovationszyklen – sicherlich noch mit einem Zeitrahmen von fünf bis zehn Jahren rechnen, bis die digitale Vernetzung bzw. Landwirtschaft 4.0 auf breiter Front in den Betrieben Einzug hält. In der Arbeitsorganisation und -planung ist eher von einem kürzeren, beim Erreichen der für einen echten Mehrwert nötigen, kritischen Nutzermasse auf einer digitalen Plattform eher von einem längeren Zeitraum auszugehen.

Aber um den genannten Zeitrahmen von zehn Jahren und die Vorbehalte in Richtung Datenübertragungsraten, Datenschutz und Datenhoheit zu relativieren: Mit dem Markteintritt des Unternehmens Facebook wurde im Verhalten vieler Menschen vieles anders. Die Social-Media-Plattform hat heute weltweit rund 1,7 Milliarden monatlich aktive Nutzer und viele können sich ein Leben „ohne“ gar nicht mehr vorstellen. Das Unternehmen selbst ist aber gerade mal 12,5 Jahre alt. Zum Zeitpunkt des Markteintritts kamen in Deutschland überhaupt erst die ersten kabelgebundenen DSL-Anschlüsse mit Übertragungsraten von zwei Mbit/s auf den Markt und mobiles Internet dümpelte auf dem bekannten GSM-Standard, d. h. mit maximal 14 kbit/s herum.

Wir dürfen also auf die weitere Entwicklung gespannt sein, denn möglicherweise wird diese sich erheblich beschleunigen, weil irgendjemand in seiner Garage oder Werkstatt bereits an der perfekten Lösung arbeitet.

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