Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

Im niedersächsischen Elbeabschnitt veranlasst ausgerechnet Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) die Rodung und Abholzung von Auwäldern in der Kernzone des dortigen UNESCO-Biosphärenreservats und nennt es Hochwasserschutz - Deutsche Umwelthilfe und BUND Lüchow-Dannenberg protestieren: Sander bekämpft künftige Hochwasserfluten mit der Axt

Die vom niedersächsischen Umweltminister betriebene systematische Abholzung ufernaher Weiden und Pappeln in der Kernzone des UNESCO-Biosphärenreservats Flusslandschaft Elbe erreichte am heutigen Mittwoch ihren bisherigen Höhepunkt. Um sein außergewöhnliches Amtsverständnis öffentlich zu dokumentieren, wollte Hans-Heinrich Sander, der einzige FDP-Umweltminister in Deutschland, unweit Bleckede "selbst mit anpacken." Die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) und der BUND Lüchow-Dannenberg protestierten vor Ort gegen die "rechtlich unzulässige und erwiesenermaßen sinnlose Kahlschlagaktion". Die Umweltschützer verlangten "einen nachhaltigen Hochwasserschutz, der sich vorrangig auf die Schaffung neuer Überflutungsflächen stützt".

Sander ging eigenhändig gegen das Ökotop vor, nachdem eine entsprechende Aufforderung der ihm unterstellten unteren Wasserbehörde im Landkreis Lüchow-Dannenberg an rund 300 Eigentümer, elbnahe Grundstücke von so genanntem Auengehölz zu befreien, praktisch ohne Resonanz geblieben war. Betroffen von dem als Hochwasserschutzmaßnahme titulierten Brachial-Eingriff des FDP-Ministers sind insgesamt etwa 25 Kilometer Elbufer, entlang der die Weichholzaue weitgehend verschwinden soll. Die Verwaltung im Biosphärenreservat will nach Informationen der Umweltschützer anschließend Ziegen und Schafe zur "Bekämpfung" nachwachsender Weichhölzer einsetzen.

Der Umweltminister setzt sich mit seinem Kahlschlag-Aktionismus über den dem Biosphärenreservat von EU und UNESCO verliehenen Schutzstatus hinweg und verzichtet auf vorgeschriebene Verträglichkeitsprüfungen gemäß der Fauna-Flora-Habitat (FHH)- und der Vogelschutzrichtlinie. Deswegen und weil Sander es versäumt habe, naturschutzrechtliche Befreiungen oder Ausnahmegenehmigungen zu beantragen, prüft die DUH nun eine Anzeige zur Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens oder strafrechtliche Schritte gegen den Minister. Sanders Vorgehen stehe in eklatantem Widerspruch zum geltenden Naturschutzrecht für die Kernzone C des Biosphärenreservats, erklärte die Leiterin Verbraucherschutz und Recht der DUH, Cornelia Ziehm: "Die Vorschriften des Umwelt- und Naturschutzrechts sind auch dazu da, dass ein Umweltminister Sander sie beachtet. Die heutige Aktion zeugt von einem bedenklichen Rechts- und Amtsverständnis dieses Mannes".

Für den BUND vor Ort erweise sich die so genannte Hochwasserpolitik in Niedersachsen mehr und mehr als "Stück aus dem Tollhaus", so Eckart Krüger von der BUND Kreisgruppe Lüchow-Dannenberg: "Hans-Heinrich Sander dokumentiert fast täglich, welchen Irrungen und Wirrungen ein Land anheim fällt, wenn es einer marktliberalen FDP die Natur überlässt. Das sollte sich in Deutschland nie wiederholen", erklärte er.

DUH und BUND werfen Sander vor, aus den dramatischen Hochwasserereignissen der vergangenen Jahre an der Elbe und ihren Nebenflüssen vollkommen falsche Schlüsse zu ziehen. "Statt die überfällige Wende hin zu einem nachhaltigen Hochwasserschutz einzuleiten, ergeht sich Sander in ahnungslosem Populismus und bekämpft künftige Fluten mit der Axt", sagte Frank Neuschulz, Leiter Naturschutz bei der DUH. Nicht die fehlenden Überflutungsflächen, flaschenhalsähnliche Engstellen zwischen den Deichen oder die unterentwickelte Abstimmung zwischen den Anrainerländern, gerieten ins Visier des Ministers, sondern Büsche und Bäume am Elbufer.

Zudem erweise sich der Minister als weitgehend resistent gegenüber Fakten. Denn nach wie vor stützten Behörden und Umweltministerium ihr Vorgehen auf ein eigens zu diesem Zweck erstelltes Gutachten des Ingenieurbüro Schwerin (ibs) aus dem Jahr 2004, dem seinerzeit umgehend ein Ministererlass gefolgt war. Das zentrale Ergebnis der ibs-Untersuchung, wonach Weichholzbestände im Hochwasserfall einen Wasseranstieg von bis zu 50 Zentimeter hervorrufen, hatten jedoch Wissenschaftler des Instituts für Wasser- und Gewässerentwicklung der Universität Karlsruhe auf Veranlassung der DUH überprüft und bereits im vergangenen Frühjahr für "nicht haltbar" erklärt. Sie warfen ibs "massive Ungenauigkeiten" vor, weil das den Ergebnissen zugrunde liegende "eindimensionale Strömungsmodell" eine solide Beurteilungsgrundlage gar nicht zulasse. Dazu hätte ein zweidimensionales Modell geschaffen werden müssen, das dann gezielte Eingriffe an wenigen, möglicherweise vorhandenen so genannten "hydraulischen Flaschenhälsen" entlang der Elbe ermöglicht hätte. Neuschulz: "Sander wollte keine Fachdiskussion, er wollte holzen." Niedersachsen exponiere sich so einmal mehr als Bremser im Naturschutz und der bundesweit einzige Umweltminister der FDP beweise eindrucksvoll, welcher Stellenwert der Ökologie in seiner Partei zukomme. Derzeit praktiziere kein anderes Bundesland an der Elbe eine vergleichbare Vorgehensweise.

Als seien Rodungen und Abholzungen an der Elbe nicht schlimm genug, plane nun ausgerechnet die Verwaltung des Biosphärenreservates Niedersächsische Elbtalaue ausweislich einer aktuellen Projektskizze in einem langjährig angelegten Versuch, Ziegen und Schafe als mobile und nachhaltig wirkende Einsatztruppe einzusetzen, die den Weichholzauen durch "gezielten Viehverbiss" endgültig den Garaus machen sollen. Dadurch werde ein europaweit geschützter Lebensraum ausgerechnet durch eine Behörde in Frage gestellt, deren vornehmste Aufgabe der Schutz und die künftige Entwicklung eben dieses Lebensraums sein sollte. Auwälder finden sich heute an der unteren Mittelelbe zumeist nur noch als schmale Streifen parallel zum Flussverlauf, sie gehören jedoch zu den "hot spots" des Artenreichtums und sind Heimat für viele bestandsgefährdete Arten, darunter Elbe-Biber, Flussuferläufer, Beutelmeise und Pirol.

 

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