Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

Katri Wessel, Halb-Finnin und Lektorin an der Universität München, kennt sowohl die finnische als auch die deutsche Weihnacht. Beide haben der Literaturwissenschaftlerin zufolge ihre besonderen Reize und viele Gemeinsamkeiten. In einer Hinsicht ist der Unterschied zwischen den Traditionen hier und dort für sie aber besonders auffällig. Der Gang zum Friedhof im Kreise der Familie ist bei den Skandinaviern ein festerer Bestandteil der Festtags-Traditionen als bei uns. Ein Brauch, der bis heute quer durch alle Altersschichten und sozialen Milieus gepflegt wird. Das Bild auf den Friedhöfen ist einfach faszinierend. Ein Meer von Kerzen verwandelt die Friedhöfe in eine geradezu märchenhafte Landschaft erzählt Wessel.

Ein Meer von Kerzen verwandelt die Friedhöfe in eine geradezu märchenhafte Landschaft.

In Skandinavien gehören Kerzen noch mehr zum festen Bestandteil von Weihnachten als in den südlicher gelegenen Regionen Europas. Allein schon angesichts der dunklen, langen Stunden während der Winterzeit. "Die ganze Familie geht mit, meistens am Nachmittag oder im Anschluss an die abendlichen Kirchengottesdienste." Besonders beeindruckt hat sie, dass diese Tradition auch von den jungen Menschen noch heute gelebt wird. "In Finnland gab es letztes Jahr eine Studie, die Menschen zwischen 15 und 30 befragte. Über 60 Prozent gehen mit ihren Familien zu Weihnachten auf den Friedhof und wollen diese Tradition auch fortführen", meint die Dozentin am Institut für Finnougristik.

Die Tradition des weihnachtlichen Friedhofbesuchs ist aber längst nicht so alt wie man meinen könnte. Auch wenn einige Volkskundler heidnische Ursprünge für diesen Brauch vermuten und er im Spätmittelalter angeblich zum ersten Mal dokumentiert wurde: Ganz sicher weiß man nur, dass die Totenverehrung auf den Friedhöfen ganz allgemein erst sehr spät zur Kulturaufgabe für die Finnen wurde. Nicht vor dem Anfang des 20. Jahrhunderts begannen sie die Gräber im Sommer zu pflegen, und nicht vor den 1930er Jahren erscheinen erste Ratgeber für die richtige Winter- und Sommerbepflanzung. Die ersten Grabkerzen gab es in den 1920er Jahren, aber der Brauch setzte sich erst in den 1930er Jahren durch. In dieser Periode wurden weihnachtliche Gräberbesuche mit Niederlegung von Kränzen aus Nadelbaumzweigen zur festen Weihnachtstradition.

Allerdings beschränkte sich dieses Ritual zunächst nur auf die städtischen Oberschichten. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich der Brauch dann auch landesweit durch. Friedhöfe (nicht nur) für die weihnachtliche Besinnung Wie sieht es bei uns in Deutschland aus? Der Schmerz der Lücke und des menschlichen Verlusts meldet sich nie so deutlich wie zum Fest der Liebe und der Familie.

Auch bei uns gehen die Menschen deshalb auf den Friedhof, wenn auch nicht so zahlreich wie sie die Weihnachtsgottesdienste besuchen. Als Fest der Liebe ist Weihnachten vor allem das Fest der Familien. Wenn ein noch so geringer Familienzusammenhalt besteht, so zeigt dieser sich zumindest zu Weihnachten. Friedhöfe als öffentliche Orte der Trauer um die verstorbenen Familienmitglieder fungieren als Orte der familiären Zusammenführung und der Festigung der verwandtschaftlichen Bande. Für die Stärkung des sozialen Gemeinsinns in unserer Gesellschaft sind Friedhöfe und die damit zusammenhängende Trauerkultur deshalb unersetzlich - und dies nicht nur zur Weihnachtszeit.

Der Verein zur Förderung der deutschen Friedhofskultur (VFFK) will diese gesellschaftliche Funktion des Friedhofs für die Zukunft wahren und ausbauen. Wichtig ist ihm in seiner Arbeit, dass der Friedhof, analog seiner historischen Traditionen, nicht nur "alle Jahre wieder" zum Ort wird, der dem Zusammengehörigkeitsgefühl der Familien neue Kraft gibt.

 

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