Die Bewahrung der Weiden-Alleen schafft Lebensraum für Specht, Steinkauz, Fledermäuse und andere Tiere - Deutsche Umwelthilfe lobt Artenschutz durch kulturhistorisch bedeutsame Naturmonumente.
Nachdem die Weiden nicht mehr wirtschaftlich genutzt werden, hat die Stadtgärtnerei den notwendigen Schnitt der Bäume übernommen und ersetzt auch abgestorbene Weiden. Über drei Kilometer lang ziehen sich die Weidenalleen durch die Stadt und bieten Vögeln, Insekten, Reptilien und zahlreichen Pflanzen und Pilzen einen artgerechten Lebensraum.
"Der Erhalt der Artenvielfalt ist eng mit der Pflege unserer Kulturlandschaft und alter Nutzungsformen verbunden", sagte Uwe Friedel, Projektmanager "Kommunaler Umweltschutz" bei der Deutschen Umwelthilfe, bei der Preisübergabe.
"Kulturhistorische und ökologische Werte haben oft das Nachsehen gegenüber wirtschaftlichen Interessen, da sie scheinbar keinen unmittelbaren Ertrag liefern. Oftmals verstehen wir die Bedeutung von traditionellen Kulturformen erst, wenn es zu spät ist und sie verschwunden sind. Die Stadt Weiden hat glücklicherweise rechtzeitig erkannt, welcher Schatz sich mit den Kopfweidenalleen durch die Stadt zieht", hob Friedel hervor.
Die Weide gehört zu den insektenreichsten Baumarten Mitteleuropas: Etwa 200 Arten können an den verschiedenen Teilen, wie Stamm, Ästen, Blüten und Blättern eines alten Exemplars gefunden werden. Ameisen, Spinnen, Blatt- und Schlupfwespen, Käfer und Schmetterlinge finden an der Rinde und im Totholz Schutz und Nahrung. Bienen und Hummeln besuchen die früh im Jahr blühenden Kätzchen, die Blüten der Weiden. Auch Vögel wie Spechte, Steinkauz, Gartenrotschwanz, Kleiber und andere Höhlenbrüter nutzen die vielen Spalten und Winkel zum Nisten. Fledermäusen, Baummardern, Eichhörnchen und Mäusen bieten sie Versteck und ein reiches Nahrungsangebot. Spezialisten unter den Pilzen siedeln sich im weichen Holz an und zersetzen es langsam, so dass andere Pflanzen auf den Bäumen Substrat zum Wurzeln finden. Zur kleinen Auswahl der auf Weiden gefundenen Pflanzen gehören Bittersüßer Nachtschatten, Schwarzer Hollunder und das Große Schöllkraut.
Oberbürgermeister Kurt Seggewiß freute sich über die Auszeichnung der "grünen Lebensadern der Stadt". Er hob die Besonderheit der Weidenalleen für das Stadtbild hervor und erinnerte an die wirtschaftliche Bedeutung der Weiden in der Vergangenheit.
"Wir wollten deshalb unbedingt verhindern, dass irgendwann nur noch die Abbildung im Stadtwappen an die Weiden erinnert. Die Kopfweide ist die ideale Botschafterin einer nachhaltigen Stadtentwicklung, da sie kulturhistorisch für eine Verbindung von ökonomischem, sozialem und ökologischem Nutzen steht. Gleichzeitig sind die Alleen eine hervorragende Gelegenheit für uns, die Natur erlebbar mitten in die Stadt zu holen", sagte Seggewiß.
Die Weidenalleen entstanden in früheren Jahrhunderten an den oft begangenen Pfaden der Bewohner, wie etwa dem Kirchsteig, der auch heute noch die östlichen Ortsteile mit der historischen Weidener Altstadt verbindet. Die Bäume spendeten einst den Menschen und dem Weidevieh Schatten und lieferten mit ihren schnellwachsenden, biegsamen Zweigen einen begehrten Rohstoff. Durch das regelmäßige Köpfen - das Abschneiden der Kronenäste - entstand die typische Form der Kopfweiden. Genutzt wurden die Weidenruten vor allem für die Korbmacherei, aber auch für den Hausbau, zur Herstellung von Arbeitsgeräten, zur Uferbefestigung oder für Flechtzäune.
Die wirtschaftliche Nutzung gehört schon lange der Vergangenheit an und so bestand die Gefahr, dass die ungeschnittenen Bäume kopflastig werden und auseinanderbrechen. Die Kopfweiden sind jedoch aus Weidens Stadtbild nicht wegzudenken. Trotz Zeit- und Kostenaufwand werden die Bruch- und Silberweiden deswegen von der Stadtgärtnerei kontrolliert, gepflegt und regelmäßig geschnitten. Lücken in den Alleen werden durch Neupflanzungen aus eigener Anzucht geschlossen. Mittlerweile spenden über drei Kilometer lange Alleen an historischen Wegen den Spaziergängern Schatten und hüllen sie in erholsames Grün. Dabei werden Unterhalt und Neuanlage ausschließlich von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Stadtgärtnerei durchgeführt, unter denen es inzwischen regelrechte Kopfweidenspezialisten gibt.
Wenn die Weidenruten auch keinen wirtschaftlichen Ertrag mehr bringen, so finden sie doch reißenden Absatz: In Schulen und Kindertagesstätten werden sie für Weidenhütten und zum Flechten lebender Zäune naturpädagogisch genutzt. Aus der Sicht des Naturschutzes ist besonders der ökologische Wert der alten Bäume hervorzuheben. "In den Alleen können die Weiden in allen verschieden Stadien von Aufwuchs und Zerfall unmittelbar erlebt, angefasst und sogar erklettert werden", betonte Martin Scheidler, Naturschutzreferent der Stadt. "Die Kopfweiden zeigen beispielhaft, wie auch das langsame Vergehen zum natürlichen Lebenszyklus von Bäumen gehört, und dass ein alter Baum gerade durch seine Knorrigkeit und seinen Strukturreichtum im letzten Lebensabschnitt einen besonders reichhaltigen Lebensraum bildet."
Im Fall langsam zusammenbrechender, alter und oftmals schon hohler Bäume wurde deren Erhalt von den Bürgerinnen und Bürgern durchaus kontrovers diskutiert. Doch eine gute Aufklärungsarbeit wie die Einbindung des Themas Kopfweiden in einen Stadtökologischen Lehrpfad der Stadt machte sich bezahlt. Mittlerweile hat der Erhalt der alten Kopfweiden Schule gemacht und auch andere alte Bäume werden in den zahlreichen Parks und Grünanlagen fachgerecht saniert und erhalten. Seit 1993 besitzt die Stadt Weiden i. d. OPf. eine Baumschutzsatzung, um Laub- und heimische Nadelbäume mit einem bestimmten Stammumfang zu erhalten.
"Grün in der Stadt" ist ein Projekt der Deutschen Umwelthilfe e.V., das vom Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gefördert wird. Kooperationspartner sind der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), das COmpetence NeTwork URban ECology (CONTUREC), der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) und der Deutsche Städtetag (DST).
Die DUH wird 2008 jeden Monat ein Projekt auszeichnen, das ökologisches Grünflächenmanagement auf beispielhafte Weise verwirklicht. Bewerbungen sollten spätestens bis Mitte des Jahres 2008 bei der DUH eingereicht werden.