Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

Auf 3,4 Hektar eines ehemaligen Wohngebiets hat Apolda die Grundlage für wertvolle Magerrasen geschaffen - Bevölkerungsrückgang und Strukturwandel hatten Wohnanlagen überflüssig gemacht - aus dem Schutt der alten Plattenbauten wurden Scherbelhaufen für Lebensraum von Neuntöter und Dorngrasmücke.

Der Strukturwandel und der Rückgang der Bevölkerung in Apolda hatten eine Wohnanlage mit Plattenbauten, Straßen, Gehwegen und Parkplätzen überflüssig gemacht. Sie wurde abgerissen und aus dem geschredderten Schutt der Häuser hat die Stadt kleine Hügel aufgeschüttet und dort Gräser und Wildblumen ausgesät. Schon nach zwei Sommern haben zahlreiche Pflanzen, Insekten und Vögel den Lebensraum auf den "Scherbelhaufen" erobert.

Die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) zeichnet die Stadt Apolda daher im Rahmen ihrer Initiative "Grün in der Stadt" als Projekt des Monats August aus. "Die Verwendung des Abrissmaterials der Wohnblöcke als Grundlage für die Ansiedlung von trockenheitsliebenden Tier- und Pflanzengemeinschaften ist eine Lösung, die sicher auch in anderen Städten Ostdeutschlands aus dem Grau leerstehender Wohnblöcke ein lebendiges Grün machen könnte, das den Bürgerinnen und Bürgern der Städte zu Gute kommt", sagte Dr. Frank Neuschulz, Leiter der Abteilung Naturschutz bei der DUH,bei der Vergabe der Urkunde in Apolda.

Große Flächen mit leerstehenden Wohngebäuden sind für Stadtplaner eine besondere Herausforderung. Leider entscheiden sich die meisten Kommunen für einfache und daher oft auch langweilige Grünflächen auf den Brachen, die durch den Abriss der alten Wohngebiete entstehen. In Apolda hingegen sollte die durch den Rückbau entstandene Fläche für den Naturschutz genutzt werden.

Der Bürgermeister hofft auf zahlreiche Nachahmer: "Die zahlreichen leerstehenden Bauten scheinen die Attraktivität von Städten ausschließlich zu senken. Doch sie bieten auch die Chance, qualitativ hochwertigen Stadtlebensraum zu schaffen, da sie ein nutzbares Flächenpotential darstellen. Heutzutage weiß man, wie wichtig die Nähe von Natur für die Lebensqualität der Stadtbevölkerung ist. Diesen Qualitätsfaktor konnten wir mit unserem Projekt wesentlich steigern und gleichzeitig seltenen Pflanzen und Tieren Lebensraum bieten."

Nach Abriss der Plattenbauten wurde der Beton in einer nahe gelegenen Brecheranlage geschreddert. Der Betonbruch wurde daraufhin mit Ziegelbruch auf dem Gelände der ehemaligen Wohnanlage aufgeschüttet. An den Stellen, an denen vorher fünfgeschossige Wohnblöcke standen, wurden so fünf sanft geformte Hügel aufgetragen. Sie sind am höchsten Punkt zwischen ein und sechs Meter hoch, so dass sich das 3,4 Hektar große Gelände gut in die umgebende Landschaft einpasst. Bei der Anlage der Biotope wurde der Standort an einem sonnenexponierten Hang ausgenutzt. Auf den nach Süden geneigten Hügeloberflächen wurde eine 50 Zentimeter starke Betonrecyclingschüttung aus grobem Material ohne Feinanteile aufgebracht.

Die restlichen Flächen wurden mit mineralischem Material aus alten Ziegeln abgedeckt und modelliert. Vorhandener Baumbestand, hauptsächlich auf der Nordseite, wurde weitgehend erhalten, auf das Abdecken mit Mutterboden aber ganz verzichtet, um die Entwicklung artenreicher Magerrasen zu ermöglichen. Auf einer Teilfläche haben die Landschaftsgärtner schließlich als Initialvegetation Wildblumen zertifiziert gebietseigener Herkunft angesät. Die hochwertige Mischung enthielt die Samen von Arten trockenwarmer Magerrasenstandorte, wie sie in der südlich von Apolda liegenden Muschelkalklandschaft der Ilm-Saale-Platte vorzufinden sind. Der Blühaspekt reicht vom zeitigen Frühjahr bis in den späten Herbst hinein. Einmal im Jahr, im Spätsommer, nachdem die Blütenpflanzen Samen angesetzt haben, erfolgt eine Mahd mit Mähgutberäumung. Dünger und Pflanzenschutzmittel kommen nicht zum Einsatz. Durch die extensive Pflege der Fläche entstehen nur geringe Kosten. Im Rahmen der Bauleitplanung wurde das gesamte Areal als Kompensationsfläche im Rahmen von Ausgleichsmaßnahmen anerkannt.

Eine aktuelle Bestandsaufnahme zeigt, dass sich schon im zweiten Sommer viele der erwarteten Kräuter und Gräser eingestellt haben - und in ihrem Schlepptau die Vögel und Insekten, die diesen Lebensraum bevorzugen. Zu den fast 100 nachgewiesenen Pflanzenarten zählen Reseda, Kleiner Klappertopf, Wilde Möhre und Wundklee. Es konnten bereits Schmetterlingsarten, wie der Schwalbenschwanz, und eine Vielzahl an Wildbienen und Vogelarten, wie Dorngrasmücke, Goldammer, Heckenbraunelle und Neuntöter nachgewiesen werden.

Die DUH zeichnet 2008 im Projekt "Grün in der Stadt" jeden Monat ein Projekt aus, das ökologisches Grünflächenmanagement auf beispielhafte Weise verwirklicht. Bewerbungen können bis Ende September 2008 bei der DUH eingereicht werden. Weitere Informationen gibt es im Internet. Gefördert wird das Projekt vom Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Kooperationspartner sind der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), das COmpetence NeTwork URban ECology (CONTUREC), der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) und der Deutsche Städtetag (DST).

 

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