Für die Funktionsfähigkeit von wasserdurchlässigen Befestigungen von Verkehrsflächen nennen Fachgremien einige wichtige Voraussetzungen: Verkehrsbelastung nicht höher als Bauklasse V und VI, Versickerung von nicht oder nur gering verschmutztem Wasser, Flurabstand zwischen der Versickerungsanlage und dem Grundwasserspiegel von min. 2 Metern sowie einem hohen Durchlässigkeitsbeiwert des Untergrundes.*
Besonders der letztgenannte Punkt stellt in vielen Gegenden Deutschlands eine erhebliche Einschränkung für den Einsatz wasserdurchlässiger Befestigungen dar. Insbesondere in Mittel- und Süddeutschland bieten die geologischen Verhältnisse oft keine guten Voraussetzungen für eine ortsnahe Versickerung von Niederschlägen. Auch im Großraum Stuttgart gelten die meisten Böden als nur sehr gering durchlässig. Dennoch fand man nun eine Lösung, wie auch unter diesen Bedingungen eine funktionsfähige ökologische Befestigung realisiert werden kann.
Im Stuttgarter ortsteil Zazenhausen entsteht zur Zeit auf einer Fläche von 16,7 Hektar ein neues Wohngebiet, das überwiegend aus Einzel-Doppel- und Reihenhäusern besteht. Im Endausbau wird die Siedlung "Hohlgrabenäcker" 265 Eigenheime und 9 Wohnblöcke in relativ dichter Bebauung umfassen. Sowohl von Seiten des Landes als auch von Seiten der Stadt, bestehen sehr konkrete Vorgaben hinsichtlich der Versickerung von Regenwasser in Neubausiedlungen. So soll nach dem Wassergesetz von Baden-Württemberg Niederschlagswasser von Neubaugebieten versickert oder getrennt abgeleitet werden, sofern dies schadlos und technisch möglich ist. Parallel dazu schreibt die Stadt Stuttgart vor, dass im geplanten Neubaugebiet aufgrund von Kapazitätsengpässen in den bestehenden Anschlusskanälen ein maximaler Abflussbeiwert von 0,3 einzuhalten ist. Dies entspricht einem Versiegelungsgrad von 30%.
Eine Bodenanalyse ergab im gesamten Gebiet in den oberen, für die Niederschlagsbeseitigung relevanten Schichten, ein überwiegend homogenes Bild aus bindigen Böden. Diese Bodenarten eignen sich nur sehr bedingt für die Regenwasserversickerung.
Die Vorgabe: Versiegelung von maximal 30%
Trotz dieser widrigen hydro-geologischen Umstände, fand man für das Neubaugebiet ein funktionsfähiges Entwässerungskonzept, das aus einer Kombination von verschiedenen Grundelementen der Regenwasserbewirtschaftung besteht. Für private Bauflächen mit Einzel- und Doppelhausbebauung sind Zisternenanlagen vorgesehen, die einen Großteil des Regenwassers speichern. Dieses steht für eine Nutzung in Haus und Garten zur Verfügung. Im Bereich der dichteren Bauflächen werden zur Abflussminderung Dachbegrünungen vorgeschrieben. Terrassen, Wege und Einfahrten sind mit durchlässigen Belägen auszustatten. Die öffentlichen Straßen- und Erschließungsflächen wurden auf das verkehrstechnische Minimum begrenzt, um den Versiegelungsgrad so weit wie möglich zu reduzieren. Sämtliche Anwohnerstraßen und Gehsteige sollen mit einem Sickerpflasterbelag ausgeführt werden.
Das Konzept: spezieller Schichtenaufbau für den Stuttgarter Raum
"Genau diese Bedingung stellte uns vor besonders große Herausforderungen", formuliert Dipl. Ing. Alfed Diem, Inhaber des Ingenieurbüros Diem-Baker aus Ditzingen das mit der Planung und Bauüberwachung am Hohlgrabenäcker befasst war. "Im gesamten Gebiet haben wir es mit undurchlässigen Böden aus Auelehm zu tun. Unter normalen Umständen wäre hier eine flächige Versickerung über ein wasserdurchlässiges Pflaster unmöglich gewesen. Die einzige Lösung bestand darin, den anfallenden Niederschlag zunächst zu puffern und dann später zeitversetzt in den Kanal abzuleiten. Hierfür haben wir extra für den Stuttgarter Raum einen speziellen Schichtenaufbau für eine wasserdurchlässige Pflasterbauweise entwickelt. Dabei handelt es sich um eine ca. 21cm dicke Schicht aus Magerbeton, die auf einer Frostschutzschicht auf Kies aufgebracht wird. Diese Einkornbetontragschicht ist dank ihrer gleichförmigen Korngröße in der Lage, um die einzelnen Steine herum Wasser zu speichern. Voraussetzung hierfür ist jedoch auch ein geeignetes Splittbett, das langfristig filterstabil und wasserdurchlässig bleibt. Hierfür kommt eine 4cm dicke Schicht aus Hartgesteinsplitt in einer Körnung von 2 bis 4mm zum Einsatz, also ein Splitt ohne Kalkanteile, damit sich dieser über einen längeren Zeitraum nicht verreibt. Flächen, die derartig ausgeführt werden, sind auch bei einem sehr starken Regenereigneis in der Lage so viel Wasser aufzunehmen, dass ein Drainageabfluß kaum ausgelöst wird. Im ungünstigsten Fall, wenn ein Niederschlag in den bereits gesättigten Oberbau eintritt, kann es zu einem vollständigen Abfluss über die Drainagen kommen. Dieser Abfluss wird jedoch gegenüber dem eines Abflusses auf versiegelter Oberfläche erheblich gestreckt."
Die Lösung: Tragschicht dient als Regenrückhaltebecken
Aber welche Bedingungen werden an einen Pflasterbelag gestellt, damit eine solche Bauweise dauerhaft funktioniert? "Für die Befestigung aller Straßen und Gehwege benötigten wir rund 16.000m² Sickerpflaster", führt Alfed Diem aus. Gesucht war ein Pflasterbelag, der die Durchlässigkeitsbeiwerte erfüllt und der gleichzeitig den Verkehrsbelastungen gewachsen war, eine Anforderung, die nicht leicht zu erfüllen ist, denn je durchlässiger ein Stein ist, umso größer ist die Gefahr, dass er aufgrund seiner porösen Struktur unter Belastung zerbricht."
Das Pflaster: Wasserdurchlässig und stabil
Die Wahl fiel auf den Stuttgarter Sickerstein der Adolf Blatt Betonwerke aus Kirchheim am Neckar. "Mit diesem Steinsystem haben wir für die hiesigen Verhältnisse eine ideale Lösung gefunden. Der Stein wird aus haufwerksporigem Beton gefertigt und erfüllt damit spielend die geforderten Werte für die Wasserdurchlässigkeit", so Alfed Diem. Der Nachweis hierfür konnte sogar vor Ort mit einem Infiltrometer erbracht werden. Eine Messung über 5 Stunden ergab einen Wasserdurchlässigkeitswert von 5,4 x 10 -5 m/s, was bedeutet, dass es auch bei einem stärkeren Regenereignis zu keinem Oberflächenabfluss kommen wird.
Alfed Diem: "Im Gegenteil, das Wasser versickert in die darunter liegende Tragschicht, die wie ein Regenrückhaltebecken wirkt und dafür sorgt, dass das Wasser erst zeitverzögert und mit erheblich reduzierter Intensität in den Kanal gelangt. So brauchten wir den Feuerbach, der uns in diesem Gebiet als Vorfluter dient, nicht zu erweitern."
Der Vorteil: keine größere Dimensionierung des Kanalnetzes erforderlich
Mit einer Druckfestigkeit von 40 Newton pro Millimeter ist sowohl die 10cm starke Version für die Gehwege als auch die 14cm starke Variante für die Fahrbahnen dauerhaft der Belastung durch den Verkehr gewachsen. Dies gilt allerdings nur bei fachgerechter Verlegung. Hierzu Björn Schaal, Bauleiter der Bauunternehmung Schwenk aus Unterensingen, die das Sickerpflaster verlegte: "Damit die Fugen Ihre Funktion als Puffer korrekt wahrnehmen können, haben wir die vorgeschriebene Fugenbreite von mindestens 5 mm sehr streng eingehalten."
Durch das Zusammenspiel aller Faktoren konnte im Neubaugebiet Hohlgrabenäcker ein Versiegelungsgrad von nur 20% erreicht werden - und das, obwohl die lehmigen Böden eigentlich keine Versickerung zulassen. Zur Zeit werden die ersten Hochbauten erstellt. Trotz der Belastung durch die Baufahrzeuge und auch nach dem strengen Winter, liegt das Pflaster unverrückbar an seinem Platz.
Alfed Diem: " Die Verschmutzung des Belages ist natürlich während der Bauphase besonders hoch und darunter kann dann auch schon einmal die Durchlässigkeit leiden. Aber auch hierzu haben wir eine Lösung: für derartige Pflasterflächen wurden Saugmaschinen entwickelt, die Feinteile und Staub aus der Fläche holen, damit deren Wasserdurchlässigkeit dauerhaft erhalten bleibt. Ohnehin sollten derartige Flächen alle 8 bis 10 Jahre auf diese Weise gereinigt werden. So kann man eine Fläche dauerhaft wasserdurchlässig gestalten, auch wenn der Boden darunter dies eigentlich nicht zulässt."
* (Quelle: Versickerungsfähige Pflastersysteme aus Beton, Bundesverband Deutsche Beton- und Fertigteilindustrie e.V.)