Mit der Verabschiedung eines Forderungskataloges an die Politik, Gesellschaft und Wirtschaft ging heute der 30. Deutsche Naturschutztag in Stralsund zu Ende. Damit reagieren die rund 600 Fachleute des Deutschen Naturschutzes auf die enttäuschende Bilanz im Internationalen Jahr der Biologischen Vielfalt (IJB) 2010.
So konnte die Abnahme der biologischen Vielfalt weltweit und auch in Deutschland nicht gestoppt werden. Außerdem werden der Klimawandel und die Rohstoffkrise immer bedrohlicher für die Natur.
Nach Ansicht der Naturschutzfachleute muss in den fünf Handlungsfeldern Flusslandschaften und Moore, Meeres- und Küstennaturschutz, ökologische Netzwerke, nachhaltige Landnutzung sowie ökonomische Leistungen der Natur dringend gehandelt werden. So müssen beispielsweise Moorschutzprogramme etabliert, der Raubbau in den Meeren gestoppt, die Agrarpolitik reformiert und die Lebensräume besser vernetzt werden.
Flusslandschaften und Moore: Lebensadern und natürliche Speicher erhalten!
In Deutschland sind fast alle Flusslandschaften und Moore dramatisch verändert worden. Damit sind massive Auswirkungen für die Tier- und Pflanzenwelt und den Wasserhaushalt verbunden.
Der DNT fordert alle noch intakten Flussauen sind dauerhaft zu sichern und den Flüssen ist wieder deutlich mehr Raum einzuräumen. Es sollen in allen betroffenen Bundesländern effektive Moorschutzprogramme entwickelt und umgesetzt werden. Moor zerstörende Nutzungen (z. B. Palmölanbau vor allem in Südostasien) dürfen keinerlei Unterstützung erfahren und sollten international geächtet werden.
Meeres- und Küstennaturschutz: Plünderung der Meere stoppen!
Alle Weltmeere sind steigenden Belastungen durch Schad- und Nährstoffe und einer kontinuierlich zunehmenden Industrialisierung ausgesetzt. Es findet eine fast flächendeckende Plünderung der natürlichen marinen Ressourcen vor allem durch die umfassende Überfischung statt.
Der DNT fordert alle verfügbaren Instrumente dafür einzusetzen, umfangreiche Schutzbestimmungen für die Weltmeere und ihre Küsten international zu verhandeln und völkerrechtlich verbindlich in Kraft zusetzen. Eine der Nachhaltigkeit verpflichteten Reglementierung der Fischerei und sonstiger Meeres- und Küstenressourcen-Nutzungen ist umzusetzen. Beim anstehenden Ausbau der Offshore-Windenergie ist sicherzustellen, dass er naturverträglich gestaltet wird.
Ökologische Netze: Aufbau einer grünen Infrastruktur für Europa!
Täglich werden naturnahe Lebensräume weiter auf inselartige Restbestände zurückgedrängt und ökologische und genetische Austauschprozesse vor allem durch Zerschneidung weiter eingeschränkt.
Der DNT fordert ein länderübergreifendes Biotopverbundsystem auf mindestens 10 % der Landfläche ist zu entwickeln und rechtlich zu sichern. Dem Aspekt des Biotopverbunds ist bei allen künftigen raumrelevanten Planungen eine besondere Aufmerksamkeit entgegen zu bringen.
Ökonomische Leistungen der Natur: Perspektiven für Neue Märkte?
Ohne die Leistungen der Natur wäre kein Leben auf der Erde möglich. Natur als öffentliches Gut wird übernutzt und zerstört. Politik, Unternehmen sowie Verbraucherinnen und Verbraucher berücksichtigen noch viel zu wenig den vielfältigen Nutzen des Erhalts der biologischen Vielfalt.
Der DNT fordert den Wert der Ökosystemleistungen und der biologischen Vielfalt stärker als bisher zu erfassen, bekannt zu machen und zu honorieren. Dies gilt insbesondere für die Berücksichtigung in den gesamtwirtschaftlichen Bilanzierungen. Es bedarf im stärkeren Maße auch ökonomischer Anreize für den Erhalt und den pfleglichen Umgang mit Natur.
Nachhaltige Landnutzung: Agrarpolitik reformieren - naturnahe Waldwirtschaft verstärkt fördern!
Die Land- und Forstwirtschaft in Deutschland ist in weiten Teilen nicht naturverträglich und die derzeitigen Intensivierungstendenzen (Stichwort Biomasse und Flächenkonkurrenzen) drohen diese Situation noch zu verschärfen.
Der DNT fordert eine ökologische Neuausrichtung der GAP ab 2014. Es ist eine flächendeckende Grundsicherung der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft zu erreichen und Naturschutzmaßnahmen stärker als bisher auch in landwirtschaftliche Intensivregionen zu integrieren. Bei den Erneuerbaren Energien dürfen die gesetzlichen Regeln und Förderbestimmungen einem naturverträglichen Ausbau nicht entgegenstehen. Dies ist bei der anstehenden EEG-Novelle, z. B. durch eine entsprechende Ausgestaltung des Bonus für nachwachsende Rohstoffe, sicherzustellen. Für den Bereich Forstwirtschaft sind eine verstärkte Förderung der naturnahen Waldwirtschaft und eine konsequente Fortführung des Waldumbaus hin zu standortheimischen Laubmischwäldern. Dieser ist u. a. auch durch Waldumweltmaßnahmen im Rahmen der GAP-Reform zu fördern. Die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt ist im Bereich Wald zügig umzusetzen, wonach 5 % der Wälder einer natürlichen Waldentwicklung zu überlassen sind.
Naturerbe: Nationales Naturerbe sichern und fortschreiben
Ein Meilenstein für den Naturschutz war der Beschluss der Bundesregierung zur Sicherung des Nationalen Naturerbes. 125.000 ha national bedeutsame Naturschutzflächen ("Tafelsilber der Deutschen Einheit") sind vor der Privatisierung zu schützen. Der DNT fordert eine zügige Übertragung der noch nicht übertragenen Flächen der in dieser und der vergangenen Legislatur festgelegten Gesamtflächenkulissen des Nationalen Naturerbes.
Der DNT fordert eine Fortschreibung bei der Sicherung des Nationalen Naturerbes. Zusätzlich zu der o. g. beschlossenen Flächenkulisse muss aktuell eine Lösung für die Sicherung der national bedeutsamen Flächen (14.000 ha) der Kyritz- Ruppiner Heide (sog. Bombodrom) gefunden werden.
Fazit
Die Sicherung der biologischen Vielfalt als unverzichtbare Grundlage für alles menschliche Wirtschaften und alle gesellschaftlichen Entwicklungen ist Staatsaufgabe. Die Erfüllung dieser Staatsaufgabe erfordert einen Stopp des Personalabbaus in den Naturschutzverwaltungen von Bund, Ländern und Kommunen und eine ausreichende Ausstattung mit notwendigen Ressourcen. Der Naturschutz in Deutschland steht vor vielfältigen Herausforderungen. Der 30. DNT appelliert an alle gesellschaftspolitischen Akteure (z. B. Kirchen, Gewerkschaften, Sozial- und Wohlfahrtsverbände sowie Sportorganisationen) ihre Potenziale und Stärken einzubringen und die gestellten Forderungen zu unterstützen.