Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

Am 14. Juni 2011 wird die europäische Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln die EU-Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG aufheben und ersetzen. Die neue Verordnung macht deutlich, dass die Europäische Kommission ein höheres Niveau beim Gesundheits- und Umweltschutz anstrebt.

Diese und andere aktuellen Entwicklungen in der Risikobewertung wurden auf der internationalen Fresenius-Konferenz "Operator and Resident Exposure and Risk Assessment" am 13. und 14. Dezember 2010 in Mainz diskutiert.
Der Geltungsbereich der neuen europäischen Verordnung umfasst Pflanzenschutzmittel und deren aktive Substanzen. Diese Gesetzgebung zielt darauf ab, die landwirtschaftliche Produktion zu verbessern und das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln zu harmonisieren.

Fortlaufende Forschung zur Risikoabschätzung

Bewertung durch die EFSAIn Bezug auf die aktuelle europäische Gesetzgebung sagte Luc Mohimont von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), dass dabei das mögliche Risiko für Menschen, Tiere und die Umwelt berücksichtigt werden müsste. Um das Risiko für den Verbraucher zu beurteilen, müssten Metabolite (Abbauprodukte) aktiver Substanzen in der Nahrung identifiziert werden, erklärte er. Bevor der Einsatz von Pestiziden genehmigt werde, sei eine Definition möglicher Rückstände im Getreide für eine Lebensmittelrisikoabschätzung notwendig. Diese Definition sollte die tatsächliche toxikologische Belastung der Verbraucher qualitativ und quantitativ berücksichtigen.

"Welche Metabolite haben aufgrund ihrer spezifischen Struktur einen besonderen Effekt? Und wodurch wird dieser Effekt verstärkt? Diese Fragen muss eine Bewertung beantworten können", forderte Mohimont. Allerdings gebe es in den meisten Fällen nur sehr wenige experimentelle Daten über die toxikologischen Eigenschaften von Metaboliten - und das in einer Zeit, wo weitere toxikologischen Untersuchungen an die Forderung gebunden sind, soweit wie möglich auf Tierversuche zu verzichten.

Um die Beständigkeit und Robustheit der behördlichen Risikobewertung sicherzustellen, hat die EFSA damit begonnen, alle relevanten Gefahren- und Risikobewertungstools daraufhin zu überprüfen, ob sie dazu beitragen können, die toxikologische Belastung von Pesitizid-Metaboliten zu evaluieren. Mithilfe dieser Überprüfung soll ein Leitliniendokument über die Definition von Rückständen bei der Risikobewertung erstellt werden, um die Entscheidungsfindung im Bereich Pflanzenschutzmittel zu unterstützen.

Unabhängigen wissenschaftlichen Rat bei der Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln und deren Rückstände für Anwender, Verbraucher und für die Umwelt bietet das PPR-Gremium der EFSA. Brauchbare Informationen würden bald durch das PPR-Gremium evaluiert und im September 2011 verabschiedet, sagte Mohimont abschließend.

Verantwortungsvoller Umgang mit Pestiziden: die Safe-Use-Initiative

Damit Pflanzenschutzmittel richtig und sicher angewendet werden, hat die Pflanzenschutzindustrie die Safe Use Initiative (SUI) ins Leben gerufen, sagte Hans Felber, der das Projekt für den Europäischen Verband der Pflanzenschutzindustrie (ECPA) leitet. Die SUI bietet bewährte Praktiken zur Reduzierung der Anwenderexposition über innovative und vernünftige Techniken an. Diese sind speziell auf die für die Pestizidausbringung verantwortlichen Betreiber und die betroffenen Arbeiter ausgerichtet.

Seit ihren Anfängen im Jahr 2002 hat sich die SUI hauptsächlich darauf konzentriert, durch die Verwendung innovativer Applikationstechniken die potenzielle Anwenderexposition zu verringern und durch den Gebrauch von Personenschutzausrüstungen die Aufnahme von Pflanzenschutzmitteln über die Haut und Atemwege zu reduzieren. Darüber hinaus setzt sich die Initiative für einheitliche Kennzeichnungen, für die Aufklärung der Öffentlichkeit und für Schulungen ein.

"Für den Projekterfolg ist es von entscheidender Bedeutung, Behörden und offizielle Organisationen mit einzubeziehen und aktiv zu beteiligen", erklärte Felber. So erreicht die SUI verschiedene Körperschaften des öffentlichen Rechts, beispielsweise Agrarministerien, Arbeits- und Gesundheitsressorts sowie Koordinatoren national anerkannter Bildungsprogramme. Die Initiatoren involvieren ebenso private Organisationen wie Landwirtschafts- und Händlerverbände, aber auch Versicherungsgesellschaften für Landwirte.

"Safe-Use-Initiativen gibt es in Portugal, Spanien, Frankreich, Italien, Griechenland und Polen. Die Initiative expandiert sehr schnell im Moment. Zurzeit implementieren wir SUI in der Slovakei, Rumänien, Litauen und Zypern", beschrieb Felber die aktuelle Reichweite.

Um Sicherheitslücken in der Anwenderpraxis zu identifizieren, werde zu Beginn eines jeden nationalen SUI-Projektes Marktforschung betrieben, so der Experte. Das geschehe im Wesentlichen durch Beobachten und Befragen der Landwirte, um deren Umgang mit sicheren Arbeitsweisen zu Projektbeginn zu evaluieren.

Felber: "In der Regel umfasst dieser Prozess eine Grundgesamtheit von etwa 200 Personen. Diese werden nach drei Jahren wieder aufgesucht, um den Einfluss zu bestimmen, den SUI auf ihre Tätigkeiten gehabt hat."

Besonders erfolgreich war das Projekt auf Kreta: Die Studie von 2005 bis 2008 zeigte bei 25 von 30 Indikatoren einen positiven Trend. Siebzig Prozent der Erzeuger benutzten 2008 einen Arbeitsoverall, um sich während der Pestizidanwendung zu schützen - eine signifikante Verbesserung im Vergleich zu 2005, wo es nur 27 Prozent waren. Als direkte Folge des verbesserten Schutzes berichteten nur noch zwei Prozent der Erzeuger über Kontaminationen ihrer Arme oder Beine, während es zu Projektbeginn 95 Prozent waren.

"Ebenso konnten wir bei dem Verhalten nach Feierabend einen positiven Trend verzeichnen: Der Anteil derjenigen, die nach der Arbeit duschten, stieg im Vergleich zu 2005 um knapp die Hälfte auf insgesamt 85 Prozent an", berichtete Felber.

Die Tagungsunterlagen mit den Skripten aller Vorträge der Fresenius-Konferenz können zum Preis von 295,- EUR zzgl. MwSt. bei der Akademie Fresenius bezogen werden.

 

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