Landwirtschaftlicher Hochschultag der Universität Hohenheim befürwortet mehr Ökologie durch neue Vielfalt von Energiepflanzen und deren Anbau-Systeme.
Mehr Energie aus Biomasse - aber die bitte nachhaltig produziert! So lautet das Credo einer Pressekonferenz zum Landwirtschaftlichen Hochschultages der Universität Hohenheim. Konkret sprachen sich die Forscher dafür aus, neben hoher Energieausbeute auch Ziele wie Biodiversität und Klimaschutz im Blick zu behalten. Erreichbar sei dies, indem künftig zunehmend mehrjährige und neue Pflanzen benutzt würden - darunter auch Wildpflanzenmischungen.
Mit ihrer problemorientierten Forschung schaffe die Universität Hohenheim die Grundlagen für Lösungen und gebe Antworten auf gesellschaftliche Probleme und Fragen, erklärte Ministerialdirektor Wolfgang Reimer vom Landesministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg auf der Pressekonferenz zur Veranstaltung.
Aktuell decken erneuerbare Energien über 10% des Endenergieverbrauchs in Deutschland. Bis 2020 sollen es 18% sein - so das verbindlich erklärte Ziel der Bundesregierung. Einen bedeutenden Anteil davon wird die Biomasse stellen, die heute schon 70% der Erneuerbaren Energien abdeckt.
Konkret sprachen sich die Forscher dafür aus, neben einer hohen Energieausbeute die anderen Ziele der Nachhaltigkeit nicht aus dem Blick zu verlieren.
"Bei Energie aus Biomasse ist es wichtig, die ganze Produktionskette vom Pflanzenbau bis zur Energieproduktion zu betrachten", erklärte Prof. Dr. Iris Lewandowski vom Fachgebiet Nachwachsende Rohstoffe und Bioenergiepflanzen der Universität Hohenheim.
"Wenn die Pflanzenproduktion nicht nachhaltig erfolgt, kann die ganze Energieproduktion nicht nachhaltig sein."
Konkret gäbe es mehrere Ansätze, um diese Nachhaltigkeit zu steigern:
- Vermehrter Einsatz von mehrjährigen Pflanzen
"Mehrjährige Pflanzen verbrauchen weniger Pestizide und vor allem weniger Dünger", so Prof. Dr. Lewandowski. Letzteres sei v.a. unter Klimagesichtspunkten wichtig, da die Produktion von Stickstoff sehr energieintensiv ist und ihr Einsatz zu starken Lachgasemissionen führt. Außerdem würden mehrjährige Pflanzen durch das Wurzelsystem auch im Boden Kohlenstoff binden. Dies sei besonders effektiv, da der Boden bei mehrjährigen Pflanzen langjährig nicht bearbeitet werde, so dass der Kohlenstoff nicht - wie bei umgepflügtem Land - durch Mikroorganismen abgebaut werde. - Vermehrter Einsatz von neuen Pflanzen mit neuer Vielfalt
"Gerade bei der Pflanzenproduktion sollten wir ein breites Spektrum nutzen", meinte Prof. Dr. Lewandowski. So gebe es derzeit Untersuchungen mit Wildpflanzenmischungen für die Energieproduktion. "Der Ansatz hat Potential, denn die Produktion ist mehrjährig, extensiv und bringt vor allem einen Beitrag für die Biodiversitätsziele Deutschlands. - Vermehrter Einsatz durchdachter Fruchtfolgen
Durch eine optimale Gestaltung von Fruchtfolgen, d.h. die gezielte Planung der zeitlichen Abfolge unterschiedlicher Kulturpflanzen auf demselben Feld, kann die Biomasseproduktion effizienter und umweltfreundlicher gestaltet werden. Hierbei können z.B. Nährstoffe wie Stickstoff, welche die Vorfrucht hinterlässt, durch eine Nachfrucht genutzt und so eine Auswaschung in das Grundwasser verhindert werden. - Vermehrte Nutzung von marginalem Land
Gerade für die Energieproduktion ließe sich Land nutzen, dass für menschliche Nahrungsmittel oder Tierfutter nicht genutzt werde. "Dazu gehören Grenzertragsböden aber auch kontaminiertes Land oder Grünland, das aus der Futterproduktion herausfällt". Auch hier könnten vermehrt mehrjährige Pflanzen zum Einsatz kommen. - Kontrollierte Erzeugung
"Unter Kontrollgesichtspunkten ist regionale Produktion gegenüber importierter Biomasse vor allem bei Biotreibstoffen vorteilhafter", so Prof. Dr. Lewandowski. "Dies bedeutet allerdings auch, dass wir der Produktion vor Ort mehr Toleranz entgegen bringen müssen".
Große Chance gerade für Baden-Württemberg
Gerade in kleinteiligen landwirtschaftlichen Strukturen wie in Baden-Württemberg mit vielen bäuerlichen Familienbetrieben liege eine große Chance, Biogas nachhaltig und in einer Weise zu produzieren, die die Gegebenheiten vor Ort berücksichtigt, erklärte auch Ministerialdirektor Wolfgang Reimer vom Landesministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg auf der Pressekonferenz zur Veranstaltung. Für bäuerliche Kleinanlagen bis zu einer elektrischen Leistung von 75 Kilowatt müsse es daher eine Sonderreglung mit einer deutlich attraktiveren Grundvergütung geben, um Reststoffe wie Gülle und dezentral anfallendes Landschaftspflegematerial besser für die Biogas-Produktion zu erschließen.
"Unsere Gesellschaft ist auf eine verlässliche Energieversorgung angewiesen. Zugleich sind wir zukünftigen Generationen schuldig, mit den endlichen Ressourcen nachhaltig und schonend umzugehen. Anders ausgedrückt: Wir wollen nicht von der Substanz, sondern vom Ertrag leben. Deshalb ist der Schritt in ein Zeitalter der Erneuerbaren Energien - nicht erst seit Fukushima - mehr als überfällig", sagte der Ministerialdirektor.
Mit ihrer problemorientierten Forschung schaffe die Universität Hohenheim die Grundlagen für Lösungen und gebe Antworten auf gesellschaftliche Probleme und Fragen.
Hintergrund: Landwirtschaftlicher Hochschultag
Unter dem Motto "Nachhaltige Systeme der Energiepflanzenproduktion" geht am Spätnachmittag des 28. Juni 2011 der diesjährige Landwirtschaftliche Hochschultag an der Universität Hohenheim zu Ende. Davor debattierten Experten aus Politik und Forschung in drei Fachblöcken über die künftigen Anforderungen an eine nachhaltige Energiepflanzeproduktion und deren Anbausysteme, sowie über politische Vorgaben und Rahmenbedingungen. Bei dem Landwirtschaftlichen Hochschultag handelt es sich um eine jährliche Fachveranstaltung mit wechselnden Themen, die in Kooperation durch das Landesministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg sowie die Universität Hohenheim ausgerichtet wird.