Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

Vertrauen in moderne Landwirtschaft schaffen - Den offenen Dialog mit der Gesellschaft offensiv suchen - Votum für eine nachhaltige Produktion - Moderne Landwirtschaft weiterentwickeln - Ansatzpunkte für ein besseres gegenseitiges Verständnis - DLG-Präsident Carl-Albrecht Bartmer zum Auftakt der DLG-Wintertagung in Berlin (DLG).

DLG-Präsident Carl-Albrecht Bartmer (Foto: DLG)

"Der zunehmenden Skepsis der Gesellschaft gegenüber modernen Produktionsmethoden muss die Landwirtschaft mit klarer Transparenz und hoher Glaubwürdigkeit sowie mit Dialogbereitschaft offensiv begegnen. Nur so können Vertrauen und die Wertschätzung aufgebaut werden, die der dynamische Sektor Landwirtschaft braucht, um zukunftsfähig zu sein."

Dies erklärte der Präsident der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) Carl-Albrecht Bartmer zum Auftakt der DLG-Wintertagung am 15. Januar 2013 vor der Presse in Berlin. Wie der DLG-Präsident weiterhin ausführte, ist es den Landwirten und der Landwirtschaft bisher zu wenig gelungen, die großen Potenziale der modernen Landwirtschaft für die ressourceneffiziente und nachhaltige Erzeugung von Agrarprodukten mit hoher gesellschaftlicher Akzeptanz umzusetzen und darzustellen.

"Dies ist eine der zentralen Herausforderungen für eine moderne und wettbewerbsfähige Landwirtschaft", sagte Bartmer, der überzeugt ist, dass eine Landwirtschaft, deren Basis Wissen, Forschung und Innovation ist und die gleichzeitig einen offenen Dialog mit der Gesellschaft sucht, auf dem besten Weg ist, den Konflikt zwischen Gesellschaft und Landwirtschaft aufzulösen.

Votum für eine nachhaltige Produktion

Der DLG-Präsident sprach sich deutlich für ein nachhaltiges Wirtschaften aus. Allerdings erteilte er den politischen Konzepten, dem Nachhaltigkeitsgedanken in der Landwirtschaft über Regulierungen das erwartete gesellschaftliche Gewicht zu verleihen, eine Absage. Das Ignorieren von Marktsignalen genauso wie politisch stimulierte Alleingänge könnten nicht nur die Wirtschaftlichkeit des Sektors gefährden, sondern würden auch die kreativen Kräfte des Einzelunternehmers für mehr Nachhaltigkeit hemmen. Wenn man um Klimafra-gen, um Biodiversität und andere natürlichen Ressourcen ringe, müsse die globale Dimension bedacht werden. Auf kleinräumigen Betrachtungen basierende Konzepte würden sich verbieten. Für Bartmer besteht eine sektorale Bringschuld für ein Nachhaltigkeitssystem, das den qualitativen Begriff "achhaltig" messbar macht.

"Was messbar ist, lässt sich verbessern". Daher kommen für Bartmer den Indikatoren für die Beurteilung von Ressourceneffizienz, Klimawirksamkeit und Nachhaltigkeit große Bedeutung zu. Indikatoren, wie die Energieintensität, CO2-Bilanz (Treibhausgasbilanz), Stickstoff- und Phosphorsalden, seien die Basis für die Analyse des Ressourceneinsatzes und der Nachhaltigkeit der landwirtschaftlichen Produktion. Die Ergebnisse der Indikatorenanalysen ermöglichten die Verbesserung der Produktionssysteme durch die zügigere Nutzung von technischem, biologi-DLG-Pressedienst Nr. 2/2013, 17. Januar 2013 Seite 3 schem und organisatorischem Fortschritt.

"Mit dem DLG-Nachhaltigkeitsstandard steht bereits ein Zertifizierungssystem mit einer einheitlichen Methode für die Bewertung von Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft zur Verfügung", erläuterte der DLG-Präsident. Das Zertifikat sei nutzbar für die Erzeugung von Nahrungs- und Energiepflanzen ebenso wie für konventionell und ökologisch wirtschaftende landwirtschaftliche Betriebe. Optimierungspotenziale würden für jeden Einzelindikator, zwischen den Indikatoren untereinander und für die Produktion insgesamt sichtbar.

Hinzu kommen, so Bartmer, Indikatoren für die Tierhaltung, welche derzeit in unterschiedlichen Projekten erarbeitet werden, um die Nachhaltigkeit in diesem Bereich zu ergänzen. Die Ergebnisse seien die Basis für die Nachhaltigkeits-Kommunikation der Landwirtschaft im gesellschaftlichen Dialog und würden den Landwirt dabei unterstützen, die verantwortungsvolle Ressourcennutzung aufzuzeigen. Gesellschaftliche Akzeptanz in den Produktionsprozess integrieren.

Bisher hätten die Landwirte das Thema der gesellschaftlichen Akzeptanz zu sehr den Verbänden, Organisationen oder Unternehmen überlassen. Nach Ansicht des DLG-Präsidenten muss sich der einzelne Landwirt hier sehr viel stärker einbringen. "Der Landwirt selbst ist der stärkste und glaubwürdigste Botschafter für eine moderne, zukunftsfähige Landwirtschaft."

Organisationen sollten hier eine unterstützende Funktion einnehmen und den Landwirten beim Dialog Hilfestellung anbieten. Gerade in der Tierhaltung, wo der verantwortungsbewusste Umgang mit Lebewesen entscheidend ist für das Vertrauen des Verbrauchers, liege der Schlüssel zum Verbrauchervertrauen beim einzelnen Tierhalter.

"Die Landwirte selbst müssen den Dialog suchen und die Darstellung ihres eigenen Betriebes sowie der modernen Produktionsmethoden als zentralen Bestandteil ihrer Betriebsstrategie ansehen. Landwirte selbst sind die glaubwürdigen Meinungsbildner, die positiv auf ihr Umfeld einwirken. Diese Darstellung des Betriebskonzeptes und der Betriebsstrategie können auf den unterschiedlichsten Plattformen kommuniziert werden. Dies sind die Grund-bausteine, auf denen nach und nach breiter angelegte Initiativen aufbauen können", so der DLG-Präsident.

Kommunikation muss Chefsache sein

Der DLG-Präsident sieht die Notwendigkeit für ein erweitertes Kompetenzprofil des landwirtschaftlichen Unternehmers. Gerade in einer zunehmend komplexen und vernetzten Welt müssen seiner Meinung nach neben klassische Unternehmerkompetenzen kommunikative Fähigkeiten treten. Diese sind notwendig, um im Vorfeld unternehmerischen Wirkens gesellschaftliche Bedürfnisse in den Produktionsprozess zu integrieren und umzusetzen. Unternehmer sollten sich bei ihren Planungen sehr viel stärker davon leiten lassen, wie Investitionen in der unmittelbaren Umgebung wahrgenommen werden und welche Befürchtungen damit verbunden sein könnten.

"Die Erkenntnis und das Wissen können dazu beitragen, Ängste abzubauen und Akzeptanz für die Umsetzung moderner Betriebsstrategien zu schaffen." Für Bartmer muss Kommunikation integraler Bestandteil eines erfolgreichen Unternehmenskonzepts sein.

"Kommunikation ist Chefsache!" Dies gelte insbesondere für kritische Themen in der Tierhaltung, beim Pflanzenschutz und bei modernen Züchtungstechnologien. Frühzeitig aufgegriffen und bearbeitet könnten sie konstruktive Diskurse mit dem gesellschaftlichen Umfeld auslösen und manche betriebliche Entwicklung erst ermöglichen.

Sich verstärkt den "Multiplikatoren" zuwenden

Positive Bilder von der Landwirtschaft müsse man vor allem bei jungen Leuten verankern. Diese würden nach wie vor viel zu wenig von realen Betrieben wahrnehmen, wie eine Emnid-Umfrage vom März 2012 verdeutliche. So würden die 14- bis 19-Jährigen der Landwirtschaft insbesondere im Fernsehen begegnen. Weiterhin wichtig seien das Radio und die Tageszeitung. Hier gelte es für die Landwirtschaft, so Bartmer, sich verstärkt diesen "Multiplikatoren" zuzuwenden. Die Ergebnisse des jüngsten DLG-Trendmonitors zeigen, dass bereits heute etwa ein Drittel der befragten Landwirte den Dialog mit Medien, aber auch mit Vertretern aus Parteien, Umwelt- und Tierschutzorganisationen führen. "Diese Pfade müssen weiter ausgebaut werden", forderte der DLG-Präsident.

Ständig auf Sendung sein!

Wenn sich eine zunehmend urbaner werdende Gesellschaft in ihren Ansprüchen, aber auch in ihrem Kommunikationsverhalten ändert, müsse sich das Instrumentarium der Landwirte anpassen. "Wir müssen uns auch auf dem Wege des Internets und der Social Media auf die Gesellschaft zubewegen", zeigte sich Bartmer überzeugt. Drei von vier Deutschen würden heute das Internet nutzen.

"Bilder und Informationen über den Betrieb, darüber, was im Moment auf den Feldern gemacht wird sowie Informationen über das, was die Landwirtsfamilie sorgt und was sie freut, eben was das regionale Umfeld interessiert, können helfen, Verständnis und Vertrauen zu wecken. "Wenn nur jeder dritte Landwirt in Deutschland so ein Medium nutzt, haben wir 100.000 Sprecher und Multiplikatoren, die für Akzeptanz von moderner nachhaltiger Landwirtschaft als Ausdruck gesellschaftlicher Ver-antwortung werben", erklärte der DLG-Präsident. Es sei an der Zeit, "dass wir unser Selbstbild als Unternehmer neben der Beherrschung von Produktionstechnik und ökonomischer Finesse um diesen Faktor erweitern."

Die Rolle von Organisationen und Verbänden

Die Schaffung von Verbraucherakzeptanz ist nach Ansicht von Bartmer auch eine Branchenaufgabe, ohne dass die Landwirte sie einer oder einzelnen Organisationen überlassen könnten. So sollten die Organisationen die Landwirte bei ihren Kommunikationsbestrebungen unterstützen. Eine wesentliche Aufgabe dabei sei es, positive Rahmenbedingungen mit zu gestalten, insbesondere bei übergreifenden Themen, sowie Netzwerke zu bilden, in denen die Strategien, Instrumente und Erfahrungen im Unternehmergebiet "Gesellschaftliche Akzeptanz" ausgetauscht werden. Ein aktives Agenda Setting und das Initiieren von Prozessen, auch für kritische Themen, gehörten ebenso in den Bereich der Organisationen wie die Kontakte zu Meinungsbildnern und anderen Gesellschaftsgruppen.

Kopplung des Innovationsprozesses in der Landwirtschaft an gesellschaftliche Akzeptanz

Die Landwirtschaft habe nur dann eine Zukunftsperspektive, wenn die Produktionsverfahren gesellschaftlich akzeptiert sind. Dies erfordere von Landwirten, die Organisation des Produktionsprozesses zunehmend an den Kriterien der Nachhaltigkeit auszurichten. Diese würden neben den ökonomischen und ökologischen Zusammenhängen auch die gesellschaftliche Kompatibilität umfassen. Nach Ansicht des DLG-Präsidenten sind Innovationsprozesse zur Weiterentwicklung der Produktionsverfahren erforderlich, die die gesellschaft-lichen Erwartungen und die wirtschaftlichen Notwendigkeiten der Landwirte in den globalisierten Märkten berücksichtigen und austarieren. Schlüssel für die Umsetzung der Innovationsprozesse seien der sachorientierte Dialog und Konsens zwischen Gesellschaft und Landwirtschaft.

Moderne Landwirtschaft weiterentwickeln

"Eine Landwirtschaft, die Innovationen und technische Fortschritte nutzt, ist der Schlüssel dafür, mehr zu ernten und die Belastungen natürlicher Ressourcen zu minimieren sowie Tiere im Stall optimal zu betreuen", so Bartmer. Die Landwirte würden mit modernen und an den Standort bzw. den Stall angepassten Produktionsverfahren eine der zentralen Zukunftsaufgaben in der globalisierten Agrarwirtschaft aufgreifen: den effizienten und scho-nenden Einsatz der Produktionsfaktoren. Der Produktivitätsbegriff sei vor dem Hintergrund der sich global verschärfenden Ressourcenknappheit zu erweitern: "Wurde in der Vergangenheit hauptsächlich die Steigerung der Leistungen als Ziel verfolgt, ist der heute benötigte Produktivitätsfortschritt verstärkt um die Ressourceneffizienz bzw. um die Tiergerechtheit zu erweitern", sagte der DLG-Präsident.

Instrumente hierfür sieht er zum Beispiel in verbesserten Sorten, die höhere Hektarerträge erreichen bzw. den Stickstoff besser verwerten, in Techniken der Präzisionslandwirtschaft, die die zielgerichtete Ausbringung von Dünger und Pflanzenschutz ermöglichen und damit den Ressourceneinsatz reduzieren oder die Tierbeobachtung im Stall unterstützen.

 

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