Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

Angesichts des fortschreitenden Verlustes der biologischen Vielfalt fordert das Bundesamt für Naturschutz (BfN) eine stärkere Anwendung eines modern und breit verstandenen Nachhaltigkeitsprinzips in der Landnutzung in Deutschland.

Aus Anlass des UN-Tages der Wälder und der Erstveröffentlichung des Nachhaltigkeitsprinzips im Grundlagenwerk von Hans Carl von Carlowitz der "Sylvicultura oeconomica" vor 300 Jahren sagte BfN-Präsidentin Prof. Beate Jessel: "Der beginnende Klimawandel und seine Folgen, der ungebremste Rückgang an Arten und Lebensräumen sowie eine zunehmend industriell ausgeprägte Land- und Forstwirtschaft sind ernst zu nehmende Herausforderungen. Dies gilt ebenso für den ungebremsten Flächenfraß und den starken Zuwachs an Windkraft und Biogasanlagen. Es ist dringend an der Zeit auch das 300 Jahre alte Prinzip der Nachhaltigkeit auf den sorgsamen Umgang mit der Natur zu übertragen. Unsere Landschaften sind nachhaltig sowie naturverträglich zu entwickeln und zu gestalten."

Es gehe dabei nicht nur um eine eindimensionale Übertragung, sondern um ein Nachhaltigkeitsverständnis für die Landnutzung, das nicht allein auf Ertragsgesichtspunkte abstelle. Die ökologischen Leistungen, die etwa die Land- und Forstwirtschaft für die Gesellschaft erbringe, müssten mitbedacht und in Wert gesetzt werden. Deutschland als Wiegenland der Nachhaltigkeit habe geradezu die internationale Verpflichtung das Nachhaltigkeitsprinzip in die ökonomischen, ökologischen und sozialen Aufgabenfelder zu übertragen, so Jessel.

Auch für den Ausbau der Erneuerbaren Energien gelte, dass dieser nicht nur nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, sondern unter Berücksichtigung der ökologischen und sozialen Auswirkungen erfolgen müsse. Nach Ansicht des BfN müssen die ökologischen Leitplanken einer nachhaltigen Landnutzung in Deutschland präzisiert und verbindlich verankert werden.
"Denn vor dem Hintergrund, dass die Land- und Forstwirtschaft zusammen über 80 % der Fläche in Deutschland beansprucht, haben die gegenwärtigen Landnutzungen den größten Einfluss auf den Zustand der Natur," sagte Beate Jessel.

Die bisherige Rechtsetzung hat keine ausreichende Sicherung des Schutzgutes Natur entfalten können. Deshalb müssen - entsprechend der Nationalen Strategie der Bundesregierung zur biologischen Vielfalt - Naturschutzaspekte in die gute fachliche Praxis (gfP) der Land-, und Forstwirtschaft sowie im Wald- und Jagdrecht stärker und wirksamer integriert werden.

Eine zeitgemäße Nachhaltigkeit müsse in der Lage sein, sowohl die naturverträgliche Produktion von Nahrungsmitteln und Holz als auch den sorgsamen Umgang mit unseren vielfältigen Natur- und Kulturlandschaften dauerhaft zu gewährleisten, forderte Beate Jessel. Dies wird auch mehrheitlich von der Bevölkerung erwartet, wie die vom BfN in Auftrag gegebene Naturbewusstseinsstudie 2011/12 eindrucksvoll belegt.

Das Jubiläumsjahr der forstlichen Nachhaltigkeit sollte nach Meinung der BfN-Präsidentin daher Anlass sein, den Begriff "moderne Nachhaltigkeit" nicht nur im Munde zu führen, sondern endlich in die Praxis der Landnutzung zu übertragen.

"Entscheidende Weichen für die Land- und Forstwirtschaft sowie die Energiewende werden aktuell in Deutschland und Europa gestellt", sagte Beate Jessel. Dabei sei an die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ebenso zu denken, wie an eine stärker an räumlichen Potenzialen ausgerichtete Steuerung der Produktion von Biomasse oder des Baus von Windkraftanlegen. Auch beim Bau von Windkraftanlagen und neuen Leitungstrassen gelte es, wie bei Land- und Forstwirtschaft die Auswirkungen auf die Landschaft zu minimieren und insbesondere die ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsweisen zu stärken.

Das vor 300 Jahren ursprünglich im forstlichen Bereich und unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten entwickelte Nachhaltigkeitsprinzip wurde mit dem Bericht der Brundtland-Kommission und der internationalen Konferenz für Umwelt und nachhaltige Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro in einen breiteren Kontext auch ökologischer und sozialer Belange gestellt. Es wurde dabei auch für den Naturschutz zum wesentlichen Leitprinzip und fand unter anderem seine völkerrechtliche Legitimation mit der Verabschiedung der Konvention über die biologische Vielfalt (CBD).

Zur nationalen Umsetzung der CBD beschloss die Bundesregierung im Jahr 2007 die nationale Biodiversitätsstrategie (NBS).

 

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