Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

Täglich nimmt der Mensch 74 Hektar Fläche neu in Anspruch - für Siedlungsgebiete und Verkehrsflächen werden sie versiegelt. Doch auch auf anderen Flächen hinterlässt der Mensch Spuren. In welchem Maße diese Eingriffe die Landschaft und damit ihre natürlichen Funktionen beeinflussen, messen nun erstmals deutschlandweit zwei Indikatoren. Forscher des Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung (IÖR) in Dresden haben sie entwickelt. Ihre Ergebnisse sind jetzt im Fachmagazin „Journal for Nature Conservation“ erschienen.

Bisher machen bundesweite Indikatoren-Systeme die Entwicklung der Flächennutzung daran fest, wie sich Siedlungs- und Verkehrsflächen verändern. Unklar blieb bisher, wie sich die Landschaft insgesamt wandelt, wie natürlich genutzte und auch nicht genutzte Flächen sind. Forscher des IÖR haben nun zwei Indikatoren entwickelt, die Aussagen zum Kultivierungsgrad von Landschaften ermöglichen. Dafür nutzen sie das Konzept der Hemerobie. Dieses gibt Auskunft über die Gesamtheit aller Eingriffe des Menschen in den Naturhaushalt. Dabei ist nicht allein entscheidend, wie stark der Mensch zum Beispiel Flächen in der Stadt versiegelt. In der Land- und Forstwirtschaft kommt es darauf an, wie intensiv die Flächen genutzt werden und wie stark der Bewuchs von der heimischen Vegetation abweicht. Um hierzu Aussagen treffen zu können, nutzen die Forscher nicht nur aktuelle Geobasisdaten wie das Digitale Landschaftsmodell für Deutschland (DLM-DE). Sie ziehen darüber hinaus auch die Karte der potenziellen natürlichen Vegetation hinzu.

„Diese Karte gibt für das gesamte Bundesgebiet Auskunft über die natürliche Pflanzenwelt, also die Vegetation, die vorherrschen würde, würde der Mensch nicht in die Natur eingreifen“, erläutert Projektleiter Dr. Ulrich Walz. „Ein Fichtenwald in den Hochlagen eines Mittelgebirges entspricht oft der natürlichen Vegetation, ein Nadelwald im Tiefland hingegen ist unter Umständen standortfremd und wird entsprechend als stärker kulturbeeinflusst eingestuft.“

Wie stark der gesamte Einfluss des Menschen auf eine Fläche ist, misst der Hemerobieindex. Die Skala reicht von 1 bis 7. „Je höher der Wert, desto größer ist der Eingriff des Menschen in die Landschaft. Der Wert 7 steht für eine vollständig versiegelte, also überbaute Fläche, der Wert 1 für ein vom Menschen gänzlich unbeeinflusstes Gebiet“, so Ulrich Walz.

Ein zweiter Indikator, den die Dresdener Forscher entwickelt und berechnet haben, gibt Auskunft über den Anteil naturbetonter Flächen an einem Gebiet. Naturbetont ist eine Fläche dann, wenn der Mensch nicht oder nur selten periodisch eingreift. Nehmen diese Flächen ab, gefährdet dies nicht nur die biologische Vielfalt in einem Gebiet. Auch der Mensch benötigt zur Erholung unberührte oder wenig beeinflusste Natur. Durch starke Eingriffe gehen diese Erholungs- und weitere Landschaftsfunktionen jedoch verloren. Hier können beide Indikatoren in Zukunft wertvolle Dienste leisten, indem sie etwa aufzeigen, ob der steigende Flächenbedarf vorrangig zu Lasten naturnaher oder bereits intensiv genutzter Flächen geht. Ebenso können sie deutlich machen, wo Maßnahmen zur Verbesserung des Landschaftszustandes besonders nötig sind und auch, wo bereits positive Entwicklungen zu verzeichnen sind.

Für das Jahr 2010 stehen die beiden Indikatoren als Karte und Tabelle frei zur Verfügung. Im Rahmen des Monitors der Siedlungs- und Freiraumentwicklung (IÖR-Monitor), einer internetbasierten Dienstleistung des IÖR, können Interessierte sie abrufen und weiterverarbeiten. Mit dem Erscheinen einer neuen Version des Digitalen Landschaftsmodells für Deutschland (DLM-DE 2012) in diesem Jahr ist eine erneute Berechnung geplant. Anhand der dann vorliegenden Differenzwerte kann die Entwicklung des Kultureinflusses für jede Gemeinde, jeden Kreis oder jedes Bundesland erhoben werden.

Die Indikatoren Hemerobieindex und Anteil naturbetonter Flächen sind ausführlich beschrieben in: Walz, U. & Stein, C. (2014): Indicators of hemeroby for the monitoring of landscapes in Germany. Journal for Nature Conservation 22(3): 279-289. (DOI: 10.1016/j.jnc.2014.01.007)

 

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