Klimakonferenzen, CO2-Einsparungen, regenerative Energien - der Klimawandel ist ein Dauerthema, das an Wissenschaft, Politik, Verwaltung und Bürger neue Herausforderungen stellt. Unbezweifelt ist, dass es eine globale Erwärmung gibt und dass es verschiedenster Maßnahmen bedarf, die negativen Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen. Wie Städte darauf reagieren sollten, darum ging es beim Kongress „Stadtklimatologie und Grün“, der am 28. Januar 2015 von der Messe Essen und der Stiftung DIE GRÜNE STADT auf der Internationalen Pflanzenmesse (IPM) in Essen veranstaltet wurde.
Wärmeinseln und Wassermanagement
Die Menschen in Städten und Ballungszentren sind von steigenden Temperaturen, wie sie in Folge des Klimawandels erwartet werden, in besonderem Maße betroffen– darüber waren sich alle Vortragenden einig. „Dichte Bebauung und hohes Verkehrsaufkommen führen zu einer hohen Wärmeproduktion in den Innenstädten. Schon heute verursachen sie sogenannte Innerstädtische Wärmeinseln", erläuterte Dr. Barbara Köllner vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV NRW). Die Leiterin der Koordinationsstelle Klimaschutz/Klimawandel hob hervor, dass „der Klimawandel diesen Effekt noch verschärft, da in Zukunft häufigere und längere Hitzeperioden zu erwarten sind – vor allem da sich die Luft in den Innenstädten nachts nicht ausreichend abkühlt." Bei sensiblen Personengruppen, wie älteren oder kranken Stadtbewohnern und auch kleinen Kindern, könne dies zu erheblichen gesundheitlichen Problemen führen. Köllner gab zu bedenken, dass dies schon heute auch aus sozialen Aspekten, bei stadtplanerischen Prozessen berücksichtigt werden sollte. So könnten beispielsweise Pflege- und Altenheime in dichtbebauten Innenstadtbereichen aus klimatologischer Sicht problematisch sein. Ein weiteres Problem sei der hohe Versiegelungsgrad. „Es gibt in Städten nur wenige Versickerungsflächen und Rückhalteräume für Regenwasser, was die Wahrscheinlichkeit von Überflutungen bei starken Niederschlägen erhöht. Aktuelle Projektionen gehen zwar davon aus, dass die Sommer durch den Klimawandel trockener werden, wir jedoch gleichzeitig mit mehr und heftigerem Starkregen rechnen müssen."
Grün als Instrument der Stadtklimatologie
Dass sich die Situation im urbanen Umfeld verschärfen wird, bestätigte auch Astrid Mahnke, Teamleiterin für Klimaschutz, Klimaanpassung und Luftreinhaltung im Regionalverband Ruhr. „Zahlreiche Messungen belegen, dass die Lufttemperaturen in den Innenstädten in der Metropole Ruhr um bis zu neun Grad Celsius höher liegen können als in den ländlichen Außenbezirken. Wie sehr die Probleme in den einzelnen Städten auftreten werden, hängt jedoch sehr stark davon ab, ob und welche Anpassungsmaßnahmen ergriffen werden." Es sei also nicht allein die Größe einer Stadt oder deren Einwohnerzahl für das Ausmaß der Erwärmung entscheidend. „Da der Klimawandel bereits stattfindet, müssen Maßnahmen zur Anpassung an die zu erwartenden Folgen rechtzeitig umgesetzt werden. Eine zentrale Rolle in der Stadtklimatologie spielt hierbei die Begrünung." Dabei komme es auf individuelle Lösungen an. Je nach Bebauung könne es geboten sein, Bäume zu pflanzen, Dächer oder Fassaden zu begrünen. Andererseits sei es aber auch wichtig, für einen uneingeschränkten Luftaustausch zu sorgen. Der Zustrom von Kaltluft aus dem Umland dürfe nicht durch Gebäude und auch nicht durch zu dichte Bepflanzung behindert werden. Es sei also wichtig, bei Begrünungsmaßnahmen die jeweilige örtliche Lage sorgfältig zu berücksichtigen, betonte Mahnke. Innovative Konzepte seien gefragt – zum Beispiel zur Begrünung von Dächern, Fassaden und Hinterhöfen, aber auch von Straßenbahngleisen und Haltestellen.
Strategien entwickeln
„Begrünungsmaßnahmen wirken vor allem lokal und im näheren Umfeld. Mikroklimatische Untersuchungen zeigen jedoch, dass sich mit einem Zusammenspiel mehrerer Maßnahmen das Stadtklima verbessern lässt", sagte Hans-Georg Dannert vom Umweltamt der Stadt Frankfurt am Main. Er ist dort Klimaexperte und Leiter der Koordinierungsgruppe Klimawandel. „Bei Wärmeinseln kann Begrünung und Entsiegelung bezüglich der Anzahl heißer Tage eine Verbesserung von bis zu 50 Prozent bewirken." Dannert bezog sich hierbei auf eine gemeinsame Studie mit dem Deutschen Wetterdienst (DWD). Es stelle sich jedoch die Frage, wie man die Umsetzung solcher Maßnahmen fördert. Kleine, mittlere und große Städte stehen vor der Aufgabe, geeignete Strategien zu entwickeln. In Frankfurt gelten zum Beispiel auch Fassaden- und Dachbegrünung als Ausgleich bei Neubebauung. Mit dem städtischen Programm „Der geschenkte Baum" würden zusätzliche Anreize für eine Begrünung geschaffen. „Private Bauherren, Planer und Bürger werden demnächst mit einer Broschüre über das Thema Klimawandel und Umweltschutz informiert", so Dannert. Allen Beteiligten müsse klar sein, dass Begrünung eine gute Investition ist. „Die Lebensqualität steigt in jedem Fall – unabhängig davon, um wie viel Grad sich die Durchschnittstemperatur in den nächsten Jahrzehnten erhöht. Deswegen sprechen wir hier von einer ‚No-Regret‘-Maßnahme", betonte Dr. Köllner in der Abschlussdiskussion.
Etwa 100 interessierte Zuhörer aus Kommunen, Städteplanung, Garten- und Landschaftsbau und Baumschulwirtschaft nahmen an der Veranstaltung teil. Peter Menke von der Stiftung DIE GRÜNE STADT zitierte Staatssekretär Dr. Robert Kloos vom BMEL sowie NRW-Umweltminister Johannes Remmel, die beide schon bei der Eröffnungsfeier der IPM die Integrierte grüne Stadtentwicklung als Zukunftsthema bewertet hatten. Am 10. und 11. Juni 2015 werde es einen Bundeskongress „Grün in der Stadt" in Berlin geben, der sich mit der Bedeutung von Grünflächen in Städten befassen und weitere Strategien entwickeln soll.