Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

Pestizidwirkstoffe können über weite Strecken verfrachtet werden und die Ernte sowohl von Bio-Bauern als auch von konventionellen Landwirten verunreinigen. Dies zeigt ein Fall in Brandenburg. Seit mehreren Jahren ist die Fenchelernte auf dem Bio-Hof Gut Wilmersdorf mit Rückständen der Herbizidwirkstoffe Pendimethalin und Prosulfocarb belastet. Die beiden Mittel wurden nachweislich nicht in der Nähe, sondern in mindestens mehreren Kilometern Entfernung ausgebracht. Die Folge: Die Bio-Ware konnte nicht wie geplant vermarktet werden. Die Verunreinigung des Fenchels mit den beiden Herbizidwirkstoffen lag über dem Grenzwert, der für Babynahrung gilt.

Sprühen von Herbiziden (Foto: chega.org)

Eine daraufhin vom Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (LUGV) in Auftrag gegebene Studie weist nach, dass die beiden Wirkstoffe nach der Ausbringung von Thermik und Wind weiträumig transportiert wurden. Nicht nur im Fenchel, sondern auch in Grünkohlproben aus der Region fand das LUGV Rückstände der beiden Wirkstoffe.

„Es kann nicht sein, dass wir Bio-Bauern den Anbau bestimmter Kulturen einstellen müssen, weil die Behörden bei der Zulassung von Pestiziden versagen“, sagen Tina Boeckmann und Stefan Palme, die betroffenen Landwirte. Dass einige Pestizidwirkstoffe leicht verdampfen und weit verfrachtet werden können, werde bei der Zulassung nicht ausreichend beachtet. „Auf unserem Schaden bleiben wir sitzen, weil der Verursacher des Pestizideintrages bei einer Fernverwehung nicht festgestellt werden kann. Das empfinden wir als schweren Eingriff in die Berufsausübung als Landwirte“, so die Fenchelanbauer.

„Leichtflüchtige Pestizide, die Bio-Ware über Ferntransport belasten, müssen umgehend verboten werden. Bio-Bauern dürfen nicht die Leidtragenden eines unzureichenden Zulassungsverfahrens sein. Die Kriterien für die Zulassung müssen verschärft werden“, fordert Jan Plagge, Präsident von Bioland.

Bioland fordert zudem ein umfassendes Monitoring von Pestizidwirkstoffen in der Luft. Dies wurde 2003 an Luftmessstationen des Bundes und der Länder eingestellt. „Es handelt sich sehr wahrscheinlich um ein Problem, das schon seit Jahren besteht und bisher von den Behörden ignoriert wurde“, so Plagge. Dass im Grünkohl immer wieder Belastungen mit Pendimethalin gefunden werden, ist seit Jahren bekannt, dass Fernverwehungen dafür die Ursache sein könnten, wird ebenso lange diskutiert. Konsequenzen wurden daraus nie gezogen, stattdessen wurde das Problem über die Anhebung von Grenzwerten angegangen. Bioland lehnt dies entschieden ab.

Plagge bekräftigt seine Forderung nach Einführung einer Pestizidabgabe nach dem Verursacherprinzip. „Die Pestizidindustrie muss endlich an den externen Kosten des chemisch-synthetischen Pflanzenschutzes beteiligt werden.“ Gemeint sind versteckte Kosten für Umweltschäden, Artenverlust, Brunnenschließungen oder Krankheitsbehandlungen.

Zum Hintergrund

Die Studie im Auftrag des Landesamts für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (LUGV) Brandenburg führt den Nachweis, dass die Unkrautvernichtungsmittel Pendimethalin und Prosulfocarb sehr weiträumig über thermische Luftbewegungen verbreitet werden. Die Gutachter sprechen von einer „unerwünscht weiträumigen und anhaltenden Verbreitung insbesondere von Pendimethalin“. Die festgestellte Belastung liegt 100- bis 1000-fach höher als die Grundbelastung in unbelasteten Referenzgebieten der Nord- und Ostsee. Pendimethalin und Prosulfocarb werden im konventionellen Landbau häufig verwendet. Pendimethalin steht auf der Liste der TOP 10 der meist verkauften Pestizide in Deutschland.

Durch eine weiträumige Verteilung bestimmter Pestizide kann Erntegut so stark belastet werden, dass es in Folge nicht mehr zur Herstellung von Babynahrung verwendet werden darf. Nach § 14 der Verordnung über diätetische Lebensmittel (Diätverordnung) dürfen in Lebensmitteln für Säuglinge und Kleinkinder Rückstände von Pflanzenschutzmitteln 0,01 mg/kg nicht überschreiten. Auch bei pharmazeutischen Verwendungen (hier gelten Höchstmengen nach Europäischem Arzneibuch) können sowohl Bio-Bauern als auch konventionelle Landwirte häufig die Grenzwerte nicht einhalten. Das Problem der Höchstmengenüberschreitungen von Pendimethalin will man aktuell im Europäischen Arzneibuch durch eine Erhöhung der Grenzwerte „lösen“. Bei einigen Gemüsekulturen (hier gelten die Rückstandshöchstwerte für Lebensmittel) wurden die Grenzwerte gerade angehoben. Dies sieht die EU-Verordnung 2015/1101 mit Inkrafttreten am 29. Juli 2015 vor. So wurden die Pendimethalin-Rückstandshöchstgehalte für Karotten, Meerrettiche/Kren, Pastinaken, Petersilienwurzel, Haferwurz/Purpur-Bocksbart von 0,2 auf 0,7 mg/kg angehoben, für Knollensellerie von 0,1 auf 0,2 mg/kg und für Kohlrüben/Weiße Rüben von 0,05 auf 0,4 mg/kg.

Die EU-Genehmigung des Wirkstoffes Pendimethalin läuft am 31. Juli 2016 aus. Zurzeit findet das Erneuerungsverfahren für die Wirkstoffgenehmigung statt. Für den Wirkstoff Prosulfocarb steht die Überprüfung der EU-Genehmigung 2018 an, da der Wirkstoff bis zum 31. Oktober 2018 genehmigt ist. Im Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel wird nach Angaben des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die vergleichsweise hohe Verflüchtigungsneigung der beiden Stoffe berücksichtigt. Die Messungen wurden allerdings nur in einer Entfernung von bis zu 50 Metern vorgenommen. Die Zulassungskriterien sind damit aus Sicht von Bioland ungenügend und entsprechen nicht der Problemlage in der Praxis.

 

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