Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

Der Klimawandel wirkt sich in Städten besonders deutlich aus. Viele Menschen leiden unter der zunehmenden Hitzebelastung im Sommer oder unter den sich häufenden Starkregenereignissen. Die positive Nachricht ist: Stadtgrün kann einer Überhitzung der Städte effektiv entgegenwirken.

Grün zur Energieeinsparung (Foto: Bundesamt für Naturschutz)

„Stadtbäume, Fassaden- und Dachbegrünungen tragen durch Verschattung, Isolierung und Verdunstungseffekte zur Abkühlung bei. Urbanes Grün macht unsere Städte widerstandsfähiger gegen den Klimawandel und gleichzeitig attraktiv und lebenswert. Stadtnatur muss daher als grüne Infrastruktur verstärkt gefördert und ,ausgebaut‘ werden“, sagte BfN-Präsidentin Prof. Beate Jessel zur Eröffnung einer vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) gemeinsam mit dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) veranstalteten internationalen Fachkonferenz in Bonn.

Solche positiven Beiträge von städtischem Grün zur Energieeinsparung - und somit zum Klimaschutz – konnten beispielsweise an einer Grünfassade in Wien nachgewiesen werden: Die sommerliche Verdunstung der Pflanzen an der 850 Quadratmeter großen Fassade entspricht einer Kühlleistung von etwa 45 Klimaanlagen. Auch minderte sich der winterliche Wärmeverlust des Gebäudes um 50 Prozent. Gleichzeitig trägt Stadtgrün zur Anpassung an den Klimawandel bei. „Parks fungieren als ,grüne Lunge‘. Offene Grünflächen und -schneisen sorgen als Frischluftentstehungsgebiete für eine verbesserte Luftqualität. Sie filtern Luftschadstoffe und (Fein-)Staub aus und leiten Kaltluft aus dem Umland in die Stadtzentren“, so Beate Jessel.

An der dreitägigen Fachveranstaltung nehmen 230 Expertinnen und Experten aus Forschung, Politik und Praxis, darunter hochrangige Vertreter der EU-Kommission, der Leiter der Europäischen Umweltagentur und renommierte Wissenschaftler teil. Bei der Konferenz werden Möglichkeiten erörtert, die naturbasierte Lösungsansätze bieten, um daraus politische Handlungsempfehlungen abzuleiten. Darüber hinaus sollen auch die vielfältigen zusätzlichen positiven Effekte, die mehr Grün in der Stadt mit sich bringt, verdeutlicht werden. Insbesondere bei Starkregenereignissen sind Grünflächen und Gründächer wichtige Wasserspeicher, die die Kanalisation entlasten und Überschwemmungen verhindern helfen. „Die ,blauen‘ Strukturen wie Flüsse, Bäche oder Teiche verbessern das Stadtklima. Sie erhöhen die Luftfeuchtigkeit und sorgen für Kühlung. Fluss- und Auenrenaturierungen dienen der Wasserrückhaltung und können so Hochwasserspitzen abmildern. Damit wird das Schadenspotential in städtischen Räumen reduziert“, erläuterte BfN-Präsidentin Jessel. Diese naturbasierten Ansätze sind häufig kostengünstiger als rein technische Lösungen. Prominentestes Beispiel ist der „Green Infrastructure Plan“ von New York City, dessen Umsetzung Berechnungen zufolge 1,5 Milliarden US-Dollar weniger kostet als eine rein „graue“ Strategie.

Nach Ansicht von Experten erfüllt die städtische Natur über die Beiträge zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel hinaus noch vielfältige weitere Funktionen: Luftreinhaltung und Lärmminderung, Nutzung zur Naherholung, Sport und Naturerfahrung/Umweltbildung sowie die Unterstützung der psychischen und körperlichen Gesundheit. „Sie fördert das nachbarschaftliche Miteinander und die Integration sozialer und kultureller Milieus, sowie die ortsnahe Produktion von Lebensmitteln, wie die vielen neuen Initiativen unter anderem der ,urban-gardening‘ Bewegung zeigen. Natur spielt eine große Rolle bei der Bewertung der Attraktivität einer Stadt und wirkt sich als Standortfaktor positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung aus.

Insgesamt erhöhen sich durch mehr Grün in der Stadt die Lebensqualität und das Wohlbefinden“, sagte Professorin Jessel. In einem derzeit vom BfN durchgeführten Forschungsprojekt „Naturkapital Deutschland“ werden unter anderem diese sogenannten Ökosystemleistungen der Stadtnatur systematisiert und qualitativ sowie monetär bewertet. Die besondere Bedeutung des Stadtgrüns wurde auch im Grünbuch des Bundesumweltministeriums beschrieben, dem sich unter Beteiligung des BfN derzeit die Erarbeitung des Weißbuches „Grün in der Stadt“ anschließt. Es soll im Frühjahr 2017 vorgestellt werden und Handlungsempfehlungen und Möglichkeiten der Umsetzung enthalten.

Hintergrund

Rund drei Viertel aller Europäer leben mittlerweile in Städten – Tendenz steigend. In Deutschland leben etwa 60 Prozent der Einwohner in mittelgroßen und großen Städten. Da sich Städte aufgrund ihrer dichten Bebauung und hohen Flächenversiegelung schneller aufheizen und langsamer abkühlen, und es zudem einen geringeren Luftaustausch gibt, kommt es in vielen Innenstädten zu einer deutlichen Temperaturerhöhung gegenüber dem Umland. Diese kann nachts bis zu elf Grad Celsius betragen. Im Zuge des Klimawandels wird nicht nur dieser „Wärmeinseleffekt“ verstärkt, sondern es werden auch Extremereignisse wie beispielsweise Hitzewellen zunehmen, die zu erhöhten Gesundheitsgefährdungen führen können. Darüber hinaus wird in Städten sowohl das Schadensrisiko durch Starkregenereignisse als auch durch Hochwässer steigen.

Konferenz „Nature-based solutions to climate change in urban areas and their rural surroundings“

Von 17. bis 19. November 2015 findet in Bonn eine europäische Konferenz zum Thema „Nature-based solutions to climate change in urban areas and their rural surroundings“ statt, die vom BfN in Kooperation mit dem Netzwerk der Europäischen Naturschutzbehörden (ENCA) und dem Umweltforschungszentrum (UFZ)/ Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) durchgeführt wird.

 

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