Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

Für eine kritische Selbstanalyse der vergangenen Jahre sprach sich DLG-Präsident Carl-Albrecht Bartmer auf der DLG-Wintertagung in München aus. In seiner Ansprache zur großen Vortragsveranstaltung am 13. Januar 2016 zeigte sich Bartmer davon überzeugt, dass sich eine Branche, die Fortschritt als notwendige Bedingung für Zukunft begreift, selbst kritisch von der Seite betrachten soll.

Podiumsdiskussion (v.r.n.l.): Prof. Dr. Friedhelm Taube, Jens Lönneker, Martin Wimmer, Karl Heinz Mann und Moderator Dietrich Holler, Leiter DLG-Kommunikation. (Foto: DLG)

„Hierbei müssen wir Veränderungen und Zuspitzungen in unseren Betrieben mit distanzierter Expertise herausarbeiten. Kritische Selbstbeurteilung ist deshalb ein Zeichen der Stärke. Und sie kann uns für die Zukunft weiter stärken, wenn wir sie rechtzeitig vornehmen und die Erkenntnisse konsequent in unseren Betrieben umsetzen“, betonte der DLG-Präsident. Es gelte, die jetzt noch vorhandenen Freiheitsgrade zu nutzen, „indem wir gesellschaftliche Wünsche auch als Herausforderung an unseren Ideenreichtum begreifen. Es wäre fatal, „wenn wir Moderne in der Landwirtschaft wie eine Monstranz vor uns hertragen würden, ohne selbstkritisch ihre Wirkungen zu reflektieren“.

Hilfreich bei den anstehenden Diskussionen sind seiner Meinung nach wirksame, praxistaugliche Indikatoren als Fundament für eine aussagekräftige Beschreibung der Situation in der Landwirtschaft. Ökonomische Zwänge und die internationale Wettbewerbssituation dürften aber nicht ausgeklammert werden.

Handlungsbedarf für die deutsche Landwirtschaft sieht auch Prof. Dr. Friedhelm Taube von der Christian-Albrechts-Universität Kiel. Seiner Meinung nach ist es dringend geboten, die lange Zeit verschleppten Anpassungsnotwendigkeiten an Umweltstandards so zeitnah umzusetzen, dass die politischen Konsequenzen nicht zu überzogenen Maßnahmen für die Landwirte führen. Die für die Landwirtschaft ökonomisch schädlichen Extremlösungen der vergangenen Jahre aus Dänemark sollten eine Lehre sein. Der Kieler Wissenschaftler sieht den Großteil der deutschen Landwirte gut aufgestellt. Diese Landwirte sollten gemeinsam mit Beratung und Forschung allen anderen zeigen, wie die Herausforderungen gemeistert werden können. Taube zeigte sich davon überzeugt, dass die Landwirtschaft in Deutschland immer dann konkurrenzfähig sein wird, wenn sie sich notwendigen Innovationen stellt. Dabei sind seiner Meinung nach zukünftig vermehrt Innovationen gefragt, die der zeitnahen Erfüllung von Umweltzielen Vorschub leisten.

Gleichzeitig forderte er die Landwirte auf, ihre Fruchtfolgegestaltung zu überdenken. Mit dem festgefahrenen Muster, zum Beispiel Raps-Weizen-Weizen, werde es mit der Einhaltung des N-Saldos von maximal +50 kg N/ha ab 2018 nicht mehr klappen. Er empfiehlt, über den Einsatz von Hafer, Mais oder Körnerleguminosen nachzudenken oder temporären Flächentausch zwischen Futterbau- und Marktfruchtbetrieben zu organisieren, jeweils mit dem positiven Nebeneffekt der Reduktion der Resistenzprobleme beim Herbizideinsatz.

Unternehmensberater Karl Heinz Mann von der Ländlichen Betriebsgründungs- und Beratungsgesellschaft in Göttingen ging in seiner Analyse auf die Leistungen der modernen Landwirtschaft ein. Diese hätten unter anderem zu wettbewerbsfähigen Unternehmen, steigenden Naturalleistungen, hoher Arbeitsproduktivität, Verbesserungen der Haltungsbedingungen in der Tierhaltung sowie zu hochwertigen und preiswerten Lebensmitteln geführt. Gleichwohl gebe es auch Schwächen, wie zum Beispiel die zunehmende Beeinträchtigung der Biodiversität durch die Großflächenlandwirtschaft, die Bodenverdichtung durch Großmaschinen, die regional auftretenden Maismonokulturen, die Überdüngung in viehintensiven Gebieten und die Bodenerosion bei Wegfall von Glyphosat in der Mulchsaat. Schwächen sieht der Unternehmensberater auch bei der Tierhaltung, wie zum Beispiel durch Tierkonzentration, Fragen der Haltung (Antibiotikaeinsatz) sowie durch haltungsbedingte Eingriffe (Enthornung, Ringelschwanz, Kastration).

Lösungsansätze sieht er unter anderem in der Vernetzung der Landschaft durch ökologische Ausgleichsflächen, in gemeinsamen Bewirtschaftungseinheiten, die für moderne und umweltschonende Technik rentabel sind sowie in „smarter“ Technik mit selbstfahrenden Maschinen, die langfristig den Verzicht auf Großmaschinen und große Parzellen ermöglichen. Die landwirtschaftlichen Tierhalter müssten sich Mann zu Folge mit einer differenzierten Anpassung an die Anforderungen der Konsumenten auseinandersetzen. Zudem hält er eine allmähliche Verlagerung der Tierhaltung in Ackerbauregionen oder eine Erhöhung der Nährstoffkonzentration und Transportwürdigkeit für notwendig. Mit Blick auf die Chancen und Risiken sowie der Stärken und Schwächen lautet sein Fazit: „Nur eine moderne Landwirtschaft ist Ressourcen sparend.“

Wenn es um die Aufklärung und das Vertrauen des mündigen Verbrauchers geht, dann müsse die Tierhaltung, aber auch die gesamte Landwirtschaft wieder die Kompetenzhoheit für ihre Produkte gewinnen und landwirtschaftliche Felder in der öffentlichen Diskussion selbst belegen und nicht von teils fachfremden, selbsternannten Experten beackern lassen. Diese Auffassung vertrat der bayerische Ferkelerzeuger Martin Wimmer aus Essenbach bei Landshut. Es gelte, die Mehrheit der Gesellschaft über die aktuelle Innovationskraft, die hohen Qualitätsstandards der Produkte und die Leistung der Landwirtschaft zu informieren und dafür zu begeistern. Dafür sollte die gesamte Branche ihre Energie aufwenden und somit dem Druck von NGOs und Interessengemeinschaften mit verzerrten Bildern einer angeblich idealen Landwirtschaft begegnen. Nur so könne der Aktionismus und der oft mehr nach Wählerstimmen als auf wissenschaftliche Basis ausgelegte politische Populismus gestoppt werden. Jeder Landwirt, egal ob Tierhalter, Ackerbauer, Winzer oder Gemüsebauer und unabhängig von der Größenstruktur, sei in der Pflicht, seinen Beitrag dafür zu leisten, dass in Deutschland weiterhin nachhaltige, Ressourcen schonende und wirtschaftlich erfolgreiche Tierhaltung betrieben werden kann.

Nach Auffassung von Jens Lönneker, Geschäftsführer der Rheingold Salon in Köln, reichen rein rational-vernünftige Argumentationen seitens der Landwirtschaft nicht aus. Die öffentliche Meinung könne nur beeinflusst werden, wenn auch für die vorherrschenden Produktionsmethoden eine attraktive emotionale Begründung entwickelt wird. Dies zeige eine aktuelle Gesellschaftsstudie von Rheingold Salon zur öffentlichen Meinungsbildung. Der Kampf um die öffentliche Meinung sei daher letztlich nur auf dem emotionalen Terrain zu gewinnen. In den öffentlichen Diskursen würden vielmehr zunehmend Formen des Erlebens und Verhaltens aus dem privaten und emotionalen Raum akzeptiert, die „irrationale“ Aspekte beinhalten. Diese „Psychologisierung des Öffentlichen“ führe dazu, dass in der öffentlichen Meinungsbildung auch unterschiedliche und in sich widersprüchliche Auffassungen zugleich nebeneinander stehen können, wie es im „Reich der Emotionen“ eben möglich ist, anders als im „Reich der Vernunft“.

Wie Lönneker weiter ausführte, steige durch die Emotionalisierung der Meinungsbildung die Glaubwürdigkeit von Personen und Personenkreisen, die in ihren Äußerungen als emotional authentisch erlebt werden – so etwa „Betroffene“, aber auch NGO-Vertreter und unabhängige Experten. Die Vertrauenswerte klassischer Meinungsbildner des öffentlichen Raums aus Politik und Wirtschaft tendierten dagegen deutlich niedriger. Von ihnen wünscht man sich, dass sie „mehr Gefühle zeigen“ – unterstellt werden ihnen zurzeit dagegen eher taktische Äußerungen.

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