Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

Mutterkorn, Kaffeerost und Gelber Drache: Was für den Laien nach reiner Wortspielerei klingt, hat verheerende Auswirkungen für Pflanzen, Menschen und das gesamte Weltwirtschaftssystem.

Mutterkorn bei Roggen führt zur Kontamination des Erntegutes mit schädlichen Giftstoffen. (Foto: Prof. Dr. Thomas Miedaner)

Welche Viren, Pilze und Insekten die wichtigsten Nutzpflanzen bedrohen, wie die Wissenschaft sie bekämpft und welche weitreichenden Umwälzungen Pflanzenepidemien nach sich ziehen, zeigt Prof. Dr. Thomas Miedaner von der Universität Hohenheim in seinem neuen Buch – anschaulich erklärt und reich bebildert. Pflanzenkrankheiten, die die Welt beweg(t)en, Springer Verlag, E-Book 14,99 Euro, Softcover 19,99 Euro. ISBN 978-3-662-49903-0.

Was haben die Familiengeschichte des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy, die Tulpenspekulationsblase im Holland des 17. Jahrhunderts und die Entdeckung der bewusstseinsverändernden Droge LSD gemeinsam? Sie alle gehen in irgendeiner Form auf eine Pflanzenkrankheit zurück.

Kennedys Vorfahren wanderten im 19. Jahrhundert zusammen mit zwei Millionen weiterer Iren in die USA aus, weil in ihrer Heimat aufgrund der Kartoffelfäule eine verheerende Hungersnot herrschte. Die besonders begehrten Tulpen, die in Holland im 17. Jahrhundert Rekordpreise erzielten, verdankten ihre schöne gestreifte Färbung einem Pflanzenvirus. Und die Hippie-Droge LSD entdeckte 1943 der Schweizer Albert Hofmann bei dem Versuch, einen medizinischen Wirkstoff aus dem giftigen Roggenpilz Mutterkorn zu gewinnen.

Pflanzenkrankheiten verändern die Welt

Diese Beispiele zeigen: Wenn Pflanzen krank werden, hat das weitreichende Folgen. Kolumbus und seine Nachfolger brachten aus Amerika neue Pflanzen wie Kartoffeln, Mais, Kürbis und Tomaten mit – aber leider fanden sich nach einiger Zeit auch deren Schädlinge ein, gegen die die in Europa weiterentwickelten Sorten wehrlos waren. Hinzu kommen aus Amerika Schaderreger wie Pilzkrankheiten oder die Reblaus, die in Europa heimische Pflanzen angreifen. Durch den globalen Handel, aber auch durch Krieg und Tourismus, wandern heute Viren, Pilze und Schadinsekten um die Welt und können in Windeseile ganze Kontinente angreifen.

Besonders fatal sind solche Epidemien, wenn die befallenen Pflanzen zu den Grundnahrungsmitteln für die Bevölkerung zählen. Auch heute noch gehören Pflanzenkrankheiten wie Kartoffelfäule und Weizenrost keinesfalls der Vergangenheit an, wie Prof. Dr. Miedaner betont: “Pflanzenkrankheiten bedrohen regelmäßig die Ernährungssicherung und Lebensgrundlage von Millionen von Menschen.

Dies zeigt sich immer wieder in den großen Plantagenkulturen der Subtropen und Tropen. So bedroht eine neue, aggressive Pilzrasse den Bananenanbau, in Südamerika kann wegen eines anderen Pilzes kein Latex mehr gewonnen werden und ein unscheinbares Bakterium macht heute beim Zitrusanbau in Florida und Kalifornien große Probleme.

Verteidigung mit Pflanzenschutz und Züchtung

Doch die Menschheit ist den Pflanzenkrankheiten nicht schutzlos ausgeliefert, weiß Pflanzenzüchter Prof. Dr. Miedaner: „Bereits im 18. Jahrhundert bekämpfte man in Frankreich den Falschen Mehltau erfolgreich mit der sogenannten Bordeauxbrühe aus Kalkmilch und Kupfer. Heute arbeiten Forscher an der Züchtung resistenter Sorten, die trotzdem Geschmack und Ertrag bieten.“

Diese komplexen Abläufe verdeutlicht der Autor anhand von Schaubildern, Illustrationen und farblich abgesetzten Infokästen. Nebenbei bekommt der Leser dabei auch Hintergrundwissen, das vielen anderen wissenschaftlichen Problemen zugrunde liegt: Wie entstehen Resistenzen, wie funktioniert die Wechselbeziehung zwischen einem Krankheitserreger und seinem Wirt, und was genau kann hier grüne Gentechnik bewirken? All diese Fragen beantwortet der Autor und macht so die Thematik auch fachfremden Lesern verständlich.

Zusammenhänge entdecken und verstehen

Auch für Nicht-Biologen lohnt sich die Lektüre. So zeigt der Autor an verschiedensten Beispielen auf, wie Politik und Wirtschaft oft Verhältnisse schaffen, die die Ausbreitung von Krankheiten noch begünstigen. Klimawandel, Freihandel und Monokultur führen zum Beispiel seit 2012/13 zu einer dramatischen Krise in Mittelamerika, wo 2,2 Millionen Menschen vom Anbau von Kaffee leben – dem zweitwichtigsten Welthandelsgut nach Rohöl.

Prof. Dr. Miedaner schildert die schwierige Lage der Kaffeebauern: „Freihandel und sinkende Kaffeepreise zwingen die Bauern, höhere Erntemengen zu erzielen. Sie setzen auf Monokultur und Anbauformen, die die Pflanzen schwächen, können sich aber Dünger und Pflanzenschutzmittel immer weniger leisten.“ Steigende Temperaturen und sinkende Niederschlagsmengen schaffen paradiesische Zustände für den Kaffeerost: 2012 infizierte der Pilz eine Fläche von mehr als einer Million Hektar und verursachte Millionenverluste für die Kaffeebauern. Hier helfen langfristig nur widerstandsfähige Sorten.

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