Bäume wachsen in Städten unter Extrembedingungen: verdichteter Boden, Schattenlagen oder starke Hitzezonen sowie entsprechend trockene Standorte. Der Klimawandel verstärkt den Stress, dem die Gehölze im urbanen Umfeld ausgesetzt sind. Wie sich die Baumsortimente für die Begrünung von Städten und Kommunen weiter optimieren lassen, das war unter anderem Thema bei der diesjährigen Wintertagung des Bund deutscher Baumschulen (BdB) e.V. vom 9. bis 12. Januar in Goslar.
Aktuelle Erkenntnisse stellte Prof. Dr. Andreas Roloff vom Institut für Forstbotanik und Forstsoziologie der Technischen Universität Dresden in seinem Fachvortrag „Über die Plastizität alter Bäume“ vor. Die zentralen Fragestellungen lauteten: Welche Veränderungen sind für bestimmte Gehölze problematisch? Welche Anpassungspotenziale gibt es? Was ist jetzt und in Zukunft bei der Auswahl von Baumarten zu beachten, um das Risiko von Schäden zu minimieren?
Natur bedeutet Konkurrenz
Grundsätzlich plädierte Roloff für eine starke Biodiversität: „Wichtig ist die Erhöhung der Artenvielfalt zur Risikominderung. In fast allen größeren Städten Europas bestehen 50 Prozent des Baumbestandes aus den drei Gattungen Tilia, Quercus und Acer.“ Doch welche Arten eignen sich am besten für Neupflanzungen? Einen Anhaltspunkt gibt die Herkunft der Bäume. „Oft sind südosteuropäische Herkünfte unter den sich verändernden Klimabedingungen gegenüber autochtonen Herkünften überlegen, da dort die Klimabedingungen schon lange so sind, wie wir sie hier in Zukunft erwarten.“ Sich allein auf diese Erkenntnis zu beschränken, könne jedoch in die Irre führen. Um detailliertere Rückschlüsse für Stadt- und Straßenbäume zu ziehen, stellte Roloff die Bedingungen dar, unter denen Bäume in der Natur wachsen. Hier herrschen die Prinzipien von Konkurrenz: Es setzt sich automatisch die Pflanze durch, die sich am jeweiligen Standort am besten entwickelt. Wenn Baumarten sich trotz extremer Bedingungen – wie nährstoffarme Böden und Trockenheit – ansiedeln und gedeihen, sei dies nicht damit zu erklären, dass sie dieses Umfeld „lieben“, so Roloff. Vielmehr handele es sich um einen Verdrängungsprozess, der ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit voraussetzt.
Baumtypen
Wie der natürliche Konkurrenzkampf der Bäume funktioniert, erläuterte der Baumbiologe an der Entstehung von Bewaldung: Eine freie Fläche wird zunächst von Pionierbaumarten „erobert“, die mit trockenen, heißen Standorten gut zurechtkommen. Darauf folgen die Übergangsbaumarten. Sie wachsen in den ersten Jahren im Schatten der Pionierbäume und werden schließlich von den langfristig dominanten Baumarten abgelöst, den sogenannten Klimaxbaumarten. Daneben gibt es einige wenige Dauerbaumarten, die während des gesamten Prozess vom Pionier- bis zum Schlusswald anzufinden sind. Bei der Auswahl geeigneter Bäume für urbane Standorte empfiehlt Roloff, deren natürliche Eigenschaften zu berücksichtigen. Denn damit sinke das Risiko von stressbedingten Krankheiten und Schädlingsbefall. Ihre Anpassungsfähigkeit an verschiedene Extrembedingungen lasse sich unter anderem daran ablesen, zu welcher der vier Gruppen – Pionier-, Dauer-, Übergangs- und Klimaxbaumarten – sie gehören. Diese Typisierung gebe einen Anhaltspunkt, welche Bäume sich an welchen Standorten behaupten.
Gesund ist attraktiv
Der urbane Raum kennt ebenso vielfältige Standortbedingungen wie die Umwelt. Besonders wichtig ist es, lokale Stressfaktoren zu berücksichtigen: Schatten, Hitze, Frost, Dürre, Salz. „Welche Bäume für Plätze, Straßen und Grünflächen ausgewählt werden, sollte man nicht allein ästhetischen Gesichtspunkten folgen. Grün kann nur dann attraktiv und wirksam für die Stadtklimatologie sein, wenn es gesund und vital ist“, bekräftigte Helmut Selders, Präsident des BdB. „Gehölze sind zwar überraschend anpassungsfähig, aber sie benötigen auch eine gute Standortvorbereitung. Baumschulen bieten ein großes Sortiment auf dem neuesten Stand der Forschung und sind somit kompetente Partner für Grünämter und Kommunen.“
Entscheidungshilfen bieten darüber hinaus die Straßenbaumliste der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz (GALK) und die KLimaArtenMatrix (KLAM): siehe Links.
Aktuelle Neupflanzungen zeigen, dass die Erkenntnisse aus Forschung in die Praxis umgesetzt werden. Zum Beispiel hat das Bonner Amt für Stadtgrün beschlossen, im Frühjahr 2017 den Eingangsbereich der Rheinaue an der Ludwig-Erhard-Allee umzugestalten: Kugelahorne, die sich in schlechtem Zustand befinden, werden entfernt und durch Dachplatanen ersetzt. Den neuen Bäumen werden außerdem vergrößerte Wurzelbereiche und spezielle Substrate als verbesserte Grundlage dienen.