Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

Die FLL-Fachtagung „Vertikalbegrünungen im Innenraum von Gebäuden“ am 21. Februar 2017 im Bildungszentrum Gartenbau in Essen bot für 85 Teilnehmer eine Plattform zum theoretischen und praktischen Fachaustausch an.

Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau

FLL-Präsident Dr. Karl-Heinz Kerstjens begrüßte als Leiter des Bildungszentrums Gartenbau Essen und Leiter des RWA Innenraumbegrünung die 85 Teilnehmer der Fachtagung und ging auf die Aufgaben und Ziele des Bildungszentrums Gartenbau Essen ein. FLL PR-Referent Christian Schulze-Ardey erläuterte die Hintergründe und Ziele der Fachtagung: Die FLL möchte im Rahmen der Überarbeitung der FLL- Innenraumbegrünungsrichtlinien, Ausgabe 2011, möglichst konkrete (Erfahrungs-)Werte aus der Praxis zu bau- und vegetationstechnischen Parametern für die Planung, Bau und Instanhaltung von Vertikalbegrünungen im Innenraum erfahren.

Um dieses Ziel zu erreichen, wurde zusätzlich zu den theoretisch-wissensvermittelnden Vorträgen auch eine praxisorientierte Ausstellung von verschiedenen Vertikalbegrünungs-Systemen angeboten.

Zunächst gab Carsten Stakalies, Green Office Rhein-Ruhr e.K., Neuss, einen allgemeinen theoretischen Überblick zu derzeit marktbekannten Vertikalbegrünungs-Systemen. Neben einer fachlich sinnvollen Systematisierung in Kletter-, Regal-, Modular- und Planarsysteme gab er auf die Frage „Warum überhaupt eine vertikale Begrünung im Innenraum?“ eine einfache gärtnerische Antwort: „ Vertikale Begrünungen im Innenraum bringen Natur in unseren Lebensraum!

Direkt im Anschluss fand in einem Gewächshaus in unmittelbarer Nähe zum Tagungsraum die Ausstellung zu verschiedenen Vertikalbegrünungs-Systemen statt. Ansprechpartner der Unternehmen Element Green® GmbH, Gelsenrot Spezialbaustoffe GmbH, Green Fortune GmbH, Hydrokultur vom Niederrhein UG & Co.KG, Mobilane GmbH, Nature’s Green und Wallflore Systems N.V. beantworteten konkrete Fragen der Tagungsteilnehmer: Wie wird das Vertikalbegrünungssystem bewässert? Was ist beim Einbau des Systems zu beachten? Welche Standortbedingungen im Gebäude müssen vorliegen? Wie hoch sind die Investitions- und Folgekosten und wovon sind diese abhängig?

Prof. Dr. Manfred Köhler, Hochschule Neubrandenburg, griff danach in seinem Vortrag einige dieser Fragen auf und erläuterte aktuelle Forschungen sowie Entscheidungskriterien, die für eine Verwendung von vertikalen Begrünungen in Gebäuden sprechen. Insbesondere veranschaulichte er den Zusammenhang von Kosten und Funktionen. Prof. Köhler forderte mehr konkrete Investitionen: „Je mehr Projekte realisiert werden, desto größer wird das Angebot an Firmen und Detaillösungen. Ich glaube, dass wir noch am Anfang einer Entwicklung stehen, z. B. ist eine Optimierung der Pflanzenauswahl möglich!“

„Arbeiten Sie möglichst mit fachlich qualifizierten Personen zusammen, sonst können die gesamte Bauweise und damit wir alle in Misskredit kommen!“ mahnte Gerhard Zemp, aplantis AG, Bern (CH) und hob insbesondere das Thema „Nachhaltigkeit“ (z. B. nachhaltige Materialien des Gesamtsystems, eine gute Energiebilanz der einzelnen System-Bestandteile im Betrieb) und die Etablierung eines Qualitätsmanagements (Rapportwesen, Kommunikation mit Kunden, Regelmäßiger Austausch zwischen Planer, Fachplaner, ausführendem Fachbetrieb und Facility Management) hervor; zusätzlich regte er eine aktive Ausbildung bzw. Weiterbildung der Mitarbeiter im Fachbetrieb an.

Das Thema „Beleuchtung“ unter gestalterisch-ästhetischen Gesichtspunkten thematisierte Andrea Nusser, Andrea Nusser ligthing & interior design, Geisenheim. Allgemein umriss sie wesentliche Grundlagen der Lichttechnik (LED) und berichtete von wichtigen planerischen Parametern, wie z. B. Lichtfarben, Dreidimensionalität, Blendungsbegrenzung, Reduzierung des Lichtniveaus, Nachhaltigkeitsaspekte sowie einer zeitlichen Regelung der jeweils verwendeten Beleuchtung, z. B. per Schaltung. Außerdem wies sie darauf hin, dass vertikale Raumbegrünungen sehr sensibel in ein bestehendes innenarchitektonisches Konzept eingeplant werden müssen. In ihrem Vortrag wurde weiterer Abstimmungsbedarf zwischen einer am Design orientierten Beleuchtung und einer an den vegetationstechnischen Pflanzenbedürfnissen orientierten Belichtung deutlich.

Prof. Dr. med. Volker Mersch-Sundermann, Ordinarius für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene, Medizinische Fakultät der Universität Freiburg nannte aus medizinischer Sicht und wissenschaftlich untermauert durch nationale und internationale Studien wichtige Argumentationshilfen für mehr Grün im Innenraum von Gebäuden.

Sein Vortrag wurde durch den „Fachverband Raumbegrünung und Hydrokultur (FVRH) im Zentralverband Gartenbau e. V.“ unterstützt.

Intensive Begrünungen im Innenraum können das Wohlbefinden der Bewohner steigern, die relative Luftfeuchte im Innenraum (insbesondere im Winter) erhöhen, Schadstoffe, wie z. B. flüchtige organische Verbindungen oder Ozon adsorbieren, die CO2-Konzentration senken und zur Reduktion von Stäuben und Partikeln beitragen. Innenraumbegrünungen können außerdem häufige gesundheitliche Probleme im Innenraum, wie z. B. Störungen des allgemeinen Wohlbefindens, Allergien, unerwünschte neurologische Effekte (Müdigkeit, Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen) oder umweltmedizinische Syndrome, wie z. B. das ‚Sick-Building Syndrome‘, das ‚Chronic Fatique Syndrome‘ oder die ‚Buildig Related Illness‘ minimieren.

Insbesondere veranschaulichte er den großen Anteil von psychischen Erkrankungen und Erkrankungen des Atmungssystems an krankheitsbedingten Ausfallzeiten in Betrieben und Unternehmen. Laut DAK-Gesundheitsreport 2016 werden diese Erkrankungen insbesondere durch Innenraumfaktoren beeinflusst. Die hygienische und gesundheitliche Bedeutung von Begrünungen am Arbeitsplatz bemisst sich für Betriebe und Unternehmen daher auch an ihrer Fähigkeit, Ausfallzeiten von Mitarbeitern reduzieren zu können.

„Aus hygienisch-umweltmedizinischer Sicht setzen umfangreiche Begrünungen im Innenraum ein großes Know-how voraus, um eine Herstellung erwünschter und eine Vermeidung unerwünschter Einflüsse auf die menschliche Gesundheit zu gewährleisten!“

Mit diesem Statement betonte Prof. Mersch-Sundermann die Notwendigkeit zur Einbindung von fachlich qualifiziertem Personal bei Planung, Bau und Instandhaltung von (Vertikal-)Begrünungen im Innenraum von Gebäuden! Dieser Hinweis wiegt umso schwerer, da ansonsten allergenes und toxisches Potenzial, die Erzeugung kritischer relativer Luftfeuchten und mögliche Belastungen mit Bioziden zu befürchten sind.

Manfred Radtke, Radtke Biotechnik, Veitshöchheim untermauerte diese möglichen Gefahrenquellen und mahnte bei aller Euphorie auch zur Berücksichtigung wichtiger Bedingungen: „Die Berechnung der Wirkung der vertikalen Begrünung auf das Gebäudeklima VOR der Installation bringt Sicherheit für Bauherr, Planer und Raumbegrüner. Die Kosten dafür sind überschaubar – die Kosten für Haftpflichtprobleme eher nicht! Und: Das Versprechen einer Befeuchtung kann als Zusage einer Produkteigenschaft aufgefasst werden. Es besteht im schlimmsten Fall Nachbesserungspflicht bis zur Erreichung einer Signifikanz!“

Am Ende der Fachtagung bedankten sich einige Teilnehmer, Referenten, Aussteller und Werbepartner spontan für die spannenden und lehrreichen Vorträge sowie die vielen Möglichkeiten zum fachlichen Austausch.

Auch die FLL zeigte sich als Veranstalter über die Ergebnisse der Fachtagung sehr zufrieden; diese werden im Rahmen der weiteren Überarbeitung der FLL- Innenraumbegrünungsrichtlinien durch den RWA Innenraumbegrünung aufgegriffen.

 

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