Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

Die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) hat den Entwurf des Merkblatts DWA-M 617 „Naturschutz bei Planung und Genehmigung von Fließgewässerrenaturierungen“ vorgelegt, der hiermit zur öffentlichen Diskussion gestellt wird.

Titelseite Merkblatt DWA-M 617

Bundesweit besteht ein sehr hoher Bedarf zur ökologischen Verbesserung von Flüssen und Bächen. Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenprogramme auf Basis des Wasserhaushaltsgesetzes dokumentieren das Erfordernis weitreichender Fließgewässerrenaturierungen.

Fließgewässer in einem guten ökologischen Zustand sind gleichermaßen das Ziel der Wasserwirtschaft, wie das von Naturschutz und Landschaftspflege. Beide Fachdisziplinen arbeiten seit vielen Jahren daran, Fließgewässer und ihre Auen nachhaltig vor Beeinträchtigungen zu schützen und sie als Lebensräume für die dort typischen Tier- und Pflanzenarten zu erhalten oder zu entwickeln. Beispiele dafür sind landesweite Fließgewässer- und Auenprogramme, konzeptionelle Planungen wie Gewässerentwicklungskonzepte oder Biotopverbundplanungen, Pflege- und Entwicklungspläne sowie zahlreiche umgesetzte Renaturierungsvorhaben. Diese wurden entweder seitens der Wasserwirtschaft, seitens des Naturschutzes, oder gemeinsam von beiden initiiert. Allein die Tatsache, dass ein großer Teil deutscher Bach- und Flussauen als Natura-2000-, also als FFH- oder Vogelschutzgebiete ausgewiesen wurde, zeigt deutlich, dass es bei der Gewässer- und Auenentwicklung in hohem Maße Synergien zwischen wasserwirtschaftlichem und naturschutzfachlichem Handeln zu nutzen gilt.

An vielen Fließgewässerstrecken lassen sich die Lebensverhältnisse für die wassergebundene Tierwelt, wie die Fisch- oder die Wirbellosenfauna, bereits durch eine ökologischer ausgerichtete Gewässerunterhaltung fördern. Dies trifft insbesondere zu, wenn diese im Sinne des Wasserhaushaltsgesetzes auch für die Pflege und Entwicklung der Gewässer genutzt wird.

Aufgrund des hohen Ausbaugrads von Fließgewässern bedarf es vielfach auch sehr umfänglicher Baumaßnahmen, die in der Regel eine vollständig neue Gewässergestalt (Laufform, Profilgeometrien, Sohlenhöhen etc.) und veränderte Abflusssituationen (Fließgeschwindigkeiten, Wasserspiegellagen, Ausuferungshäufigkeiten) zur Folge haben. In diesen Fällen wird gemäß § 68 WHG ein Gewässerausbau auf der Grundlage einer vorherigen Planfeststellung oder Plangenehmigung erforderlich.

Um eine rechtlich tragfähige und fachlich fundierte naturnahe Gewässerentwicklung betreiben zu können, müssen neben den rein wasserwirtschaftlichen Betrachtungen die naturschutzfachlichen und naturschutzrechtlichen Belange auf allen Ebenen der Gewässerunterhaltung sowie des Gewässerausbaus berücksichtigt werden. Dazu bedarf es einer engen und vor allem frühzeitigen Abstimmung von Wasserwirtschaft und Naturschutz, u. a. im Hinblick auf die geforderten Inhalte der Genehmigungsunterlagen.

Beispielsweise müssen grundsätzlich die artenschutzrechtlichen Belange gemäß Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) berücksichtigt werden. Zudem erfordern Gewässerausbauprojekte in aller Regel eine Umweltverträglichkeitsvorprüfung (UVVP) mit der festgestellt wird, ob ein Vorhaben UVP-pflichtig ist und damit einer Planfeststellung mit integrierter Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf.

Erfolgt die Renaturierungsplanung von vornherein in einem iterativen Planungsprozess zwischen Wasserwirtschaft und Naturschutz, also beiden Fachdisziplinen gemeinsam, können mögliche Konflikte frühzeitig identifiziert und gemeinsame Lösungen entwickelt werden.

Sehr hilfreich ist es, wenn bereits die Zielsetzungen für die Entwicklung eines Gewässer- bzw. Auenabschnitts zwischen Wasserwirtschaft und Naturschutz auf allen Planungsebenen aufeinander abgestimmt werden. So kann beispielsweise die Zielstellung der Wasserwirtschaft im Hinblick auf eine strukturelle Verbesserung in der Aufweitung und Verflachung eines Ausbauprofils mit anschließender eigendynamischer Gewässerentwicklung bestehen, während die Zielstellung des Naturschutzes in der Erhaltung und Förderung schutzbedürftiger Auen-Grünlandbestände an diesem Gewässerabschnitt liegt. An dieser Stelle stehen sich dann spätestens bei der Erarbeitung der wasserrechtlichen Genehmigungsunterlagen die Zielsetzungen, hier Prozessschutz contra konservierenden Gebietsschutz, widersprechend gegenüber.

Je früher und je intensiver die Zielsetzungen der Wasserwirtschaft und des Naturschutzes zwischen den Beteiligten abgestimmt werden, desto reibungsloser lassen sich die Renaturierungsvorhaben realisieren. Spätestens bei der Erstellung wasserrechtlicher Genehmigungsunterlagen müssen die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege integraler Bestandteil der wasserwirtschaftlichen Planung sein. Zudem gilt es, diese auch bei der Gewässerunterhaltung zu berücksichtigen.

Darauf sind die technischen Regelwerke zukünftig auszurichten. Gelingen kann dies nur, wenn die beiden Fachdisziplinen Wasserwirtschaft und Naturschutz gut harmonisieren und zusammenarbeiten. Planungs- und Entscheidungsprozesse müssen dementsprechend gemeinsam getragen und geführt werden. Verwaltungsverfahren müssen auf diese Anforderungen ausgerichtet werden. Ein gemeinsames Verständnis für die gegenseitigen fachlichen Anliegen, Aufgaben und Belange ist dazu unabdingbar. Dem müssen auch die Fort- und Weiterbildung Rechnung tragen.

Die DWA-BBN-Arbeitsgruppe GB-2.9 „Naturschutzstandards ‒ Naturschutzfachliche Aspekte bei Ausbau und Unterhaltung von Fließgewässern“ (Sprecher: Dipl.-Ing. Bernd Schackers) – einem gemeinsamen Fachgremium mit dem Bundesverband Beruflicher Naturschutz (BBN) – im DWA-Fachausschuss GB-2 „Ausbau und Unterhaltung von Fließgewässern“ möchte mit diesem vorliegenden Merkblatt Maßnahmenträgern, Genehmigungsbehörden, beteiligten Ingenieur- und Planungsbüros sowie weiteren am Planungsprozess beteiligten Akteuren eine Arbeitshilfe zur Verfügung stellen, die eine fachlich sinnvolle, wie auch rechtlich erforderliche Berücksichtigung naturschutzfachlicher Belange aufzeigt. So beschreibt dieser Leitfaden u. a., wann und in welchem Umfang Belange des Naturschutzes und der Landschafspflege bei der Planung und Umsetzung von Renaturierungsvorhaben Berücksichtigung finden sollen. Weiterhin stellt das Merkblatt die dazu zur Verfügung stehenden Instrumente und Verfahrensabläufe dar.

Frist zur Stellungnahme: Das Merkblatt DWA-M 617 wird bis zum 28. Februar 2018 öffentlich zur Diskussion gestellt. Hinweise und Anregungen erbittet die DWA schriftlich, möglichst in digitaler Form, an Dipl.-Geogr. Georg Schrenk, schrenk(at)dwa.de.

Für den Zeitraum des öffentlichen Beteiligungsverfahrens kann der Entwurf kostenfrei im DWA-Entwurfsportal (siehe Link) eingesehen werden. Dort ist auch eine digitale Vorlage zur Stellungnahme hinterlegt. Im DWA-Shop ist er als Printversion oder als E-Book im PDF-Format erhältlich.

Dezember 2017, 116 Seiten, ISBN 978-3-88721-552-1, Ladenpreis: 89 Euro, fördernde DWA-Mitglieder: 71,20 Euro

 

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