Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

Berliner DLG-Kolloquium zum Thema „Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft ermöglichen - Anreize richtig setzen“.

Berliner DLG-Kolloquium 2017 (Foto: DLG)

Die gegenwärtige Debatte um mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft ist erstaunlich inkonsistent. Vertreter einer modernen, technologieoffenen Landwirtschaft nehmen sie genauso für sich in Anspruch, wie solche, die gerade diese Technologien (chemischer Pflanzenschutz, biotechnologische Züchtungsverfahren, Betriebsgröße, den Mais) als Ursache für nicht nachhaltige Systeme identifizieren. Diese Diskussion um mehr Nachhaltigkeit ist auf den Kopf gestellt und trifft in beiden Fällen nicht zu. Nach Ansicht des Präsidenten der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) Carl-Albrecht Bartmer liegt der grundlegende Fehler darin: „Nachhaltigkeit mit Maßnahmen und Instrumenten zu assoziieren, ist ungefähr so sinnvoll, wie Pinsel und Farbe van Goghs mit einem Kunstwerk gleichzusetzen“, sagte Bartmer im Rahmen des DLG-Kolloquiums am 5. Dezember 2017 in Berlin. Für den DLG-Präsidenten bedeutet Nachhaltigkeit der Landnutzung deshalb gerade nicht allein Glyphosat oder der Blühstreifen, sondern das Ergebnis der Bewirtschaftung, also maximaler Ertrag bei minimalem Eingriff in Biodiversität, wenig Erosion, wenig Nährstofffrachten und Klimawirkungen. „Instrumente und Nachhaltigkeit zu vermengen, das ist ein Irrweg, allein das Ergebnis, das „Gesamtkunstwerk“ macht ein Anbau- oder Tierhaltungssystem nachhaltig.“

Deshalb sei es viel entscheidender, Nachhaltigkeit anhand von Indikatoren zu messen. Dieser Aufgabe habe sich die DLG angenommen und einen Nachhaltigkeitsbericht der deutschen Landwirtschaft aufgelegt, der auf Basis von 23 Nachhaltigkeitsindikatoren für ökologische, ökonomische und soziale Belange gerade nicht Maßnahmen betrachtet, sondern sich mit den Ergebnissen, dem Status Quo befasst. „Was man messen kann, führt zu innerbetrieblicher Transparenz, kann so besser gemanagt werden und ist damit Ansatzpunkt für technischen, organisatorischen und biologischen Fortschritt, der auf diese Weise inspiriert wird“, betonte der DLG-Präsident.

Mit Blick auf die aktuell zu reformierende Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) nach 2020 erklärte Bioland-Präsident Jan Plagge: „Der aktuelle Förderrahmen ist nicht effizient und zielführend. Er führt dazu, dass relevante Umweltziele nicht erreicht werden, Landeigentümer anstatt aktiver Bauern honoriert werden und der Umbau hin zu einer gesellschaftlich anerkannten Landwirtschaft verfehlt wird.“ Damit werde das aktuelle GAP-Modell den Herausforderungen an eine zukunftsfähige, umweltverträgliche und von der Gesellschaft akzeptierten Agrarpolitik nicht gerecht. Vielmehr müssten Optionen für freiwillige Nachhaltigkeitsleistungen eröffnet werden.

Nur durch eine Honorierung von ökologischen Leistungen, wie saubere Gewässer, klimafreundliche Bewirtschaftung, die Stärkung der Artenvielfalt und eine vielfältige Kulturlandschaft, kann die GAP nach Auffassung des Bioland-Präsidenten effektiv dazu beitragen, die gesetzten Umwelt- und Klimaziele zu erreichen. Gleichzeitig werden dadurch zukunftsfähige Betriebsentwicklungen gefördert. Auch Plagge plädierte für den Einsatz von messbaren Indikatoren, um die Leistungen im Bereich „Umwelt, Klima, Tier“ honorieren zu können.

Ausgehend von einem dynamischen Verständnis von Nachhaltigkeit sollte sich die Gemeinsame Agrarpolitik nicht darauf beschränken, den Status quo und derzeitige Herausforderungen der Landwirtschaft zu adressieren. Darauf verwies Prof. Dr. Alfons Balmann vom Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) in Halle (Saale). Hierfür bestünden zwar genügend Herausforderungen, wie etwa beim Tierschutz. Allerdings müssten bereits heute erforderliche Rahmenbedingungen für künftige Herausforderungen ins Auge gefasst werden. Das bedeutet nach Meinung des Wissenschaftlers, „dass die Veränderungsfähigkeit der Landwirtschaft selbst ein Politikziel darstellten sollte.“ Allerdings seien künftige Möglichkeiten und Herausforderungen unsicher. Zudem führten Veränderungen im Regelfall zu Gewinnern und Verlierern.

„Eine Gemeinsame Agrarpolitik, die primär auf die Förderung heutiger Strukturen ausgerichtet ist und aus sozialen Gründen Hilfen für bereits heute wenig wettbewerbsfähige Unternehmen gewährt, ließe sich kaum mit Nachhaltigkeitszielen begründen“, so Balmann. Für ihn sind vielmehr eine Förderung von Innovationen und Innovationsfähigkeiten gefragt. Dazu gehörten Forschung, Qualifizierung, Bürokratieabbau und die Bereitstellung von Infrastrukturen genauso wie Anstrengungen, öffentliches Vertrauen in eine innovative Landwirtschaft zurückzugewinnen.

Auf die Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen ging Dr. Thomas Schmidt vom Thünen-Institut in Braunschweig ein. Wie der Wissenschaftler aufzeigte liegen die Schwerpunkte des derzeitigen Einsatzes von Fördermitteln bei der Biodiversität, gefolgt von Düngung und Pflanzenschutzmitteleinsatz. Erosionsschutz und Klimaziele würden in geringerem Umfang adressiert. Eine bundesweite Landwirtebefragung habe gezeigt, dass neben harten betriebswirtschaftlichen Kenndaten auch weiche Faktoren für die Umsetzung von Maßnahmen entscheidend sein können (FRANZ-Studie). Die Beratung spiele dabei eine zentrale Rolle, aber auch Imagegründe.

Neben den klassischen handlungsorientierten Maßnahmen, die jeder Landwirt auf seinen eigenen Flächen umsetzt, gebe es Dr. Schmidt zu Folge eine Reihe von Ansätzen, die bereits erfolgreich erprobt wurden und zum Teil bereits praktisch umgesetzt werden. Beispiele hierfür seien die ergebnisorientierte Maßnahme des artenreichen Grünlandes und Unterstützung beim Mehrfachantrag, zum Beispiel durch Maschinenringe. „Aus der FRANZ-Studie konnten wir ableiten, dass einerseits Planungssicherheit und andererseits mehr Flexibilität in der Ausführung gefordert werden. Dies spricht für eine stärkere ergebnisorientierte Honorierung, als dies bislang in den Programmen vorgesehen ist“, betonte Dr. Schmidt.

Zahlreiche Label und Tierwohlinitiativen haben bisher in Deutschland bei Schweinefleisch noch nicht den entscheidenden Durchbruch geschafft, um Ziele beim Tierwohl zu erreichen. Die Anforderungen und Kriterienkataloge sind sehr unterschiedlich hinsichtlich ihres Umfangs und Anspruchsniveaus. Darauf verwies Josef Weiß von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in München. Die Marktdurchdringung sei auf der Erzeugerstufe auch nach mehrjähriger Anlaufphase „erst“ bei rund 25 Prozent angelangt. Der vielfach geforderte Umbau der Nutztierhaltung zu einer gesellschaftlich akzeptierten Form mit einem besonderen Fokus auf das Tierwohl in Deutschland sei damit nicht zu erreichen.

Nach Meinung von Weiß müssten deshalb weitere Anreizkomponenten, wie beispielsweise Erleichterungen im Baurecht für Ställe mit Zugang für die Tiere zum Außenklima hinsichtlich der Immissionsbewertung, Investitionszuschüsse für „Tierwohlställe“ oder Ausgleichsleistungen über die 2. Säule der GAP für erhöhtes Platzangebot, Buchtenstrukturierung und einem Angebot an organischem Material bis hin zu eingestreuten Bereichen, diskutiert werden. Wie die Chancen der Realisierbarkeit des Kriteriums „Regionalität“ erhöht werden können, zeigte er am Beispiel des Siegels „Geprüfte Qualität Bayern“ auf, wo Landwirte, die ihre Schweine nach den Vorgaben des Herkunftszeichens erzeugen, einen Preisaufschlag von bis zu 5 Cent je Kilogramm Schlachtgewicht erhalten.

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