Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

Die Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt (NW-FVA) und die Universität Göttingen haben sich in ihrem im Herbst begonnenen Verbundvorhaben „Neue Generation dynamischer Ertragstafeln“ zum Ziel gesetzt, die etablierten, aber zum größten Teil veralteten Ertragstafeln zu modernisieren, um sie an gegenwärtige und zukünftige waldbauliche Situationen anzupassen.

(Quelle: FNR/Henryk Stolte)

Im Projekt angewendeter Teleskopansatz zur Erstellung der Ertragstafeln. (Quelle: NW-FVA)

Dabei sollen sie nichts von ihrer Praktikabilität einbüßen. Die Anpassung an veränderte Wachstumsbedingungen und aktuelle Waldbaukonzepte erfolgt u.a. mit Hilfe von Einzelbaumwachstumssimulatoren. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über seinen Projektträger, die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR), gefördert.

„Die heute in der Forstwirtschaft, vor allem in der Forsteinrichtung genutzten Ertragstafeln sind nicht mehr in der Lage, ihren Aufgaben nachzukommen: Sie können den aktuellen Zustand des Waldes, den Wachstumsgang der Baumarten oder die forstwirtschaftliche Entwicklung nicht mehr wiedergeben“, so Projektleiter Professor Hermann Spellmann von der NW-FVA. Um Abhilfe zu schaffen, entwickeln die NW-FVA und die Universität Göttingen gemeinsam eine neue Generation von Ertragstafeln. Diese sollen – anders als ihre Vorgänger – nicht nur Aussagen über eine einzige Baumart in einem Reinbestand treffen, sondern auch die spezifische Wuchsdynamik von Mischbeständen der wichtigsten Waldentwicklungstypen abbilden. Der aktuelle Waldzustand sowie aktuelle Waldbaukonzepte finden ebenfalls Berücksichtigung. Die Herausforderung dabei ist, auch weiterhin eine einfach zu handhabende Planungshilfe anzubieten.

Einzelbaumwachstumssimulatoren, die teilweise in der forstlichen Praxis für die Bewirtschaftungsplanung heutiger Rein- und Mischbestände eingesetzt werden, liefern die Daten für die neue Generation der Ertragstafeln. Dies geschieht mit Hilfe eines Teleskopansatzes, indem die Waldentwicklung einer Vielzahl von Modellbeständen mit einem Einzelbaumwachstumssimulator fortgeschrieben wird, die Einzelbauminformationen dann zu Bestandeskennwerten aggregiert und schließlich in die Form einer traditionellen Ertragstafel überführt werden.

Mit Hilfe von Einzelbaumsimulatoren lassen sich grundsätzlich alle denkbaren waldbaulichen Maßnahmen für Forschungszwecke simulieren. Sie bieten die Basis für eine sehr detaillierte Planung, können aber in der forstlichen Praxis aufgrund ihrer Komplexität oft nicht eingesetzt werden. Ertragstafeln bleiben insbesondere für den Privatwald die erste Wahl für die Forstplanung und Waldwertschätzung. Die im Projekt zu erarbeitenden Tafeln bilden hinsichtlich Informationsgehalt und Anwenderfreundlichkeit eine Zwischenstellung zwischen den komplexen Einzelbaummodellen und den herkömmlichen Ertragstafeln.

Um die Anwenderfreundlichkeit während des Entstehungsprozesses nicht aus den Augen zu verlieren, findet im Projektverlauf ein enger Austausch mit Praktikern des Landes-, Kommunal- und Privatwaldes statt. Mit ihnen wird das Anforderungsprofil an die Ertragstafeln festgelegt. Sie testen die neuen, modellbasierten Hilfsmittel auf ihre Handhabbarkeit und stellen die Übertragung der Ergebnisse in die Praxis sicher.

Die Tafeln stehen nach Ende des Projekts im Herbst 2020 kostenfrei als Download zur Verfügung.

Zunächst entstehen Ertragstafeln für den nordwestdeutschen Raum. Die NW-FVA und die Universität Göttingen denken schon weiter: Die Methodik lässt die Übertragung auf das gesamte Bundesgebiet zu. Außerdem schafft sie die Grundlage für regelmäßige, ca. alle 20 Jahre stattfindenden Neuparametrisierungen der Ertragstafeln.

Weitere Informationen zum Verbundvorhaben sind in der Projektdatenbank der FNR mit Hilfe der Förderkennzeichen 22027816 und 22027916 zu finden.

Über die Fördermöglichkeiten im Rahmen des Förderschwerpunkts „Stärkung der nachhaltigen Forstwirtschaft zur Sicherung der Waldfunktionen“ im Förderprogramm Nachwachsende Rohstoffe informiert: siehe Link

Hintergrund

Ertragstafeln sind Tabellenwerke. Sie dienen in der forstlichen Praxis dazu, die Entwicklung eines Bestandes, beispielsweise hinsichtlich Höhe, Durchmesser oder Zuwachs in unterschiedlichen Lebensphasen und bei unterschiedlichen waldbaulichen Behandlungen zu bestimmen. Damit helfen sie, den durchschnittlichen Bestandeswert anzugeben. Allerdings stammen die heute häufig genutzten Ertragstafeln aus den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts. Sie gelten lediglich für Reinbestände, unterstellen zum Teil überholte Waldbaukonzepte und berücksichtigen nicht die veränderten Wuchsbedingungen.

 

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