Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

Haben Sie gewusst, dass es an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) Baumakrobaten gibt? Denn Dr. Susanne Böll vom Institut für Stadtgrün und Landschaftsbau verbringt einen Großteil ihrer Arbeitszeit in den Baumkronen. Doch die Ausflüge der promivierten Biologin in das luftige Grün haben einen ernsten Anlass: So setzen die mit dem Klimawandel einhergehenden Hitzewellen unseren Bäumen mehr und mehr zu.

Stark in der Gemeinschaft: Dr. Susanne Böll erläuterte Dr.-Ing. Helge Bert Grob, Leiter des Gartenamtes Würzburg, den Versuchsaufbau. Als Projektpartner stellte die Stadt Würzburg die Flächen zur Verfügung und übernahm die Kosten des Pflanzsubstrates.

Kleiner Fühler, große Aufgabe: Gerade einmal stecknadelgroß sind die Sensoren, die den Temperaturverlauf am Baumstamm erfassen. Am 2017 verkabelten Pilotbaum wurden bereits Temperaturunterschiede zwischen Süd- und Nordseite von bis zu 15 °C gemessen. (Bilder: © Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, Veitshöchheim)

Doch wie viel müssen die Bäume wirklich aushalten? Bis auf welche Temperaturen steigt das „Baumfieber" überhaupt? Und warum kommen bestimmte Baumarten besser mit den Hitzewellen zurecht? Durch die aufwendige Verkabelung von heimischen Baumarten wie auch vielversprechenden Zukunftsbäumen möchten die LWG-Experten hinter das Geheimnis der Temperaturregulierung kommen und durch die Verwendung von hitzetoleranteren Bäumen das Grün in der Stadt erhalten.

Warnzeichen sind nicht zu übersehen

„Wenn es uns selbst schlecht geht, ist dies in der Regel auf den ersten Blick zu erkennen. Auch unsere Bäume sprechen eine deutliche Sprache und stellen ihren Leidensdruck deutlich zur Schau", betont Dr. Susanne Böll und spielt damit auf lichte Baumkronen oder bereits leere Pflanzgruben in den Innenstädten an, die oftmals ein deutlicher Indikator dafür sind, dass es der Baum nicht geschafft hat. Besonders der Siedlungsbereich wird zu einem wahren Eiertanz für Bäume. Das Problem sitzt dabei bereits an der Wurzel. „Den Bäumen drückt häufig der Schuh, weil sie oftmals in zu kleinen Baumgruben stehen", so Dr. Böll. Auch die Versiegelung der Flächen, die Verdichtung des Erdreiches und die Belastung durch Streusalz setzen den Bäumen stark zu. Unheil kommt zudem von oben: Denn anhaltende Trockenperioden, extreme Hitzewellen und plötzliche Frosteinbrüche machen den heimischen Stadtbäumen wie Linde und Ahorn das Leben schwer. So ist die Trockenstresstoleranz bei einigen dieser Baumarten bereits häufig überschritten, sodass sie sich künftig mehr und mehr aus dem gewohnten Bild der Innenstädte verabschieden werden.

Bei 50 °C ist die Luft raus

Eine herbstliche Blattfärbung bereits in den Sommermonaten? Ein deutliches Zeichen dafür, dass der Baum der Hitze und Trockenheit nichts mehr entgegenzusetzen hatte. Denn steigt die Blatttemperatur über 45 °C, ist die Luft raus: Bei einer Überhitzung verbrennen die Blätter und können keine Fotosynthese mehr leisten. Entsprechend stellt der Baum gezwungenermaßen das Wachstum für die restliche Vegetationsperiode ein. Auch die Ökosystemleistungen des Baumes wie die Bindung von Kohlenstoffdioxid (CO2), Schattenbildung und die durch die Verdunstungsleistung hervorgerufene Abkühlung der Umgebungstemperatur werden damit auf null gefahren. Welche Bäume sind daher am besten in der Lage, den Hitzestress zu regulieren? Können kontinentale Baumarten wie Silberlinde oder Hopfenbuche ihre Kronentemperatur besser steuern und die Blätter länger halten als heimische Baumarten?

Viele Fragen, die schon oftmals gestellt wurden, und auf die die Experten des Institutes für Stadtgrün und Landschaftsbau an der LWG konkrete Antworten suchen. In einem Pilotprojekt wurde dafür 2017 eine osteuropäische Silberlinde mit rund 50 Meter Kabel und zehn Temperaturfühlern ausgestattet und die Technik auf Herz und Niere geprüft. „So hat sich beispielsweise an einem Spätsommertag gezeigt, dass die Rindentemperatur auf der Südseite des Baumes um 15 °C höher liegen kann, als auf der Nordseite", erklärt Dr. Böll. Vom 03.-04. Mai wurden am Würzburger Friedrich-Bergius-Ring nun weitere heimische Baumarten und potenzielle Zukunftsbäume verkabelt. Die zukünftigen „Fieberkurven" sollen nicht nur darüber Aufschluss geben, welche Bäume sich für eine klimaresiliente Stadt eignen, sondern auch zeigen, was unsere Bäume in den Städten wirklich aushalten müssen. „Zusammen mit den bisher gesammelten Daten soll die Auswertung der Datensätze dabei helfen, die Auswahl der Zukunftsbäume weiter zu justieren – und dafür sorgen, dass sich die Bäume von morgen möglichst lange an ihrem künftigen Standort wohlfühlen", so Dr. Böll.

Wanted: Die Bäume von morgen

Im Projekt „Stadtgrün 2021" suchen die Experten des Institutes für Stadtgrün und Landschaftsbau bereits seit 2009 Kandidaten für die Stadt der Zukunft. Was liegt dabei näher als Bäume zu wählen, die von Haus aus mit Hitze und Trockenperioden zurechtkommen. Bei den vielversprechenden Testkandidaten handelt es sich daher vorwiegend um Baumarten aus Osteuropa, die dank der kontinentalen Herkunft mit diesen Extremen bestens vertraut sind. Dafür werden 30 verschiedene Baumarten an drei klimatisch unterschiedlichen Standorten in Bayern getestet. Die rund 660 gepflanzten Bäume kommen dabei überwiegend aus dem (süd-)osteuropäischen aber auch nordamerikanischen und asiatischen Raum. Mit 31 Hitzetagen bei Spitzentemperaturen von bis zu 40 °C (2015) sowie langen Trockenperioden werden die Bäume am Wärmestandort Würzburg dabei auf ihre Stresstoleranz geprüft.

 

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