Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

Frische Pilze aus heimischem Anbau im Supermarkt? Heute eine Selbstverständlichkeit. In Wahrheit aber ein gewaltiger Wandel vom Dosenpilz zur Frischware, den letztlich eine Entscheidung der Bundesregierung im Jahr 1959 angestoßen hat. Sie liberalisierte den Pilzmarkt, das heißt, wo vorher Mengenbeschränkungen den Import von Pilzkonserven regulierten, durften nun unbegrenzte Mengen eingeführt werden. Ein wahrer Schock für viele deutsche Betriebe.

Aus der Not eine Tugend gemacht: Die Liberalisierung des Pilzmarktes 1959 zwang deutsche Pilzanbauer von Konserven auf Frischpilze umzustellen – für die Verbraucher bis heute ein Gewinn. (Foto: GMH/BDC)

Schon vorher hatten die deutschen Pilzanbauer, die ihre Betriebe nach dem Krieg erst wieder aufbauen mussten, unter der Konkurrenz aus Frankreich, Japan und Formosa (heute Taiwan) gelitten. Nun überschwemmten billige Formosa-Pilze den Markt. Die Bundesrepublik wurde zum größten Champignon-Importeur der Welt. Der Anteil der deutschen Produktion am Pilzmarkt fiel innerhalb von vier Jahren von 70 Prozent auf 21,5 Prozent.

Viele Betriebe gaben auf. Die anderen überlebten knapp. Ihnen wurde klar, dass sie mit Dosenpilzen keine Zukunft haben würden. Nur mit Frischpilzen, bei denen Formosa nicht mithalten konnte, konnten sie überleben. Aber die Umstellung war schwer. Hatten die Betriebe bisher selbst konserviert oder an Konservenfabriken geliefert, mussten sie nun völlig neue Vermarktungsstrukturen aufbauen. Frische Pilze verlangten raschen, schonenden Transport zum Kunden. Vor allem aber mussten sie die Käufer für die Qualität und das Aroma frischer Pilze begeistern. Aber wie schaffte man das als einzelner kleiner Anbauer? Nur gemeinsam mit anderen und in langsamen Schritten. Der eigene Verband, der Bund Deutscher Champignonzüchter, half genauso wie die Vermarktungseinrichtungen für Obst und Gemüse.

Eine wichtige Rolle spielte aber auch die Modernisierung der Produktion. Wurden Pilze ursprünglich in Kellern, Höhlen und Bunkern kultiviert, bauten Ende der 50er Jahre erste Anbauer Kulturhallen. Noch sprossen die Pilze auf Dämmen aus Pferdemist und Kompost. Aber Anfang der 60er Jahre tauchten die ersten Kistenkulturen auf - ehemalige Fischkisten – als Beginn der modernen Produktion. Die Kistenkultur erlaubte einen Anbau auf bis zu sechs Etagen. Aber die Arbeit zwischen den sechs engen Etagen war mühsam und umständlich. Um am Markt bestehen zu können, mussten die Betriebe nach neuen Wegen suchen. Heute gibt es in vielen Betrieben Kippregale und automatisierte Transportsysteme. Außerdem folgen die Pilzzyklen immer rascher aufeinander. Statt der ursprünglich drei Zyklen pro Jahr dauert es heute vom Beimpfen des Substrats bis zum Ende der Ernte rund acht Wochen. Nach der Ernte sind die Kulturräume schnell geräumt, werden gründlich gereinigt und mit frisch beimpftem Substrat befüllt. So werden Krankheiten und Schädlingsbefall vermieden. Denn überzeugen, dass frische Pilze die bessere Wahl sind, lassen die Käufer sich nur durch makellose Pilze.

Deren Qualität ist inzwischen so groß, dass Champignon, Shiitake und Austernpilz seit 2017 mit einem Konsum von 1,8 kg pro Kopf und Jahr auf Platz 8 unter den TOP-10 der Gemüsearten geschnellt sind – vor Zucchini und Blumenkohl. Aus den 3.000 t deutscher Frischpilze, die Mitte der 60er Jahre in Deutschland vermarktet wurden, sind es 76.000 t im Jahr 2018 geworden. Die Konservenpilze schrumpfen dagegen deutlich. Wurden 2008 noch 87.000 t davon verzehrt, waren es 2016 nur noch 43.000 t, Tendenz fallend. Der Schock von damals hat sich langfristig als hilfreich erwiesen – für die Pilzanbauer genauso wie für die Verbraucher.

Viele weitere interessante Informationen und Rezepte zu Speisepilzen finden Sie auf der Website (siehe Link).

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