Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

Lange unterschätzt, ist die grüne Infrastruktur heute ein Zukunftsthema. Gerade auch Landesgartenschauen leisten einen wesentlichen Beitrag dazu, dass die positiven Wirkungen grüner Außenanlagen, Parks und Gärten wahrgenommen werden. H. Christian Leonhards, Präsident des VGL NRW, im Gespräch über Chancen für eine nachhaltige Stadtentwicklung.

H. Christian Leonhards, Präsident des VGL NRW (Foto: VGL NRW)

Welche Bedeutung besitzt die grüne Infrastruktur für Ökonomie, Ökologie und Gesellschaft?

Leonhards: Die Bedeutung der grünen Infrastruktur ist seit jeher elementar. Die Vorteile von Parks, grünen Außenanlagen und Gärten in der Stadt und auf dem Land lassen sich gar nicht hoch genug ein- und wertschätzen. So steigt etwa die Attraktivität eines Unternehmens bzw. (potenziellen) Arbeitgebers mit dem Wohnraumangebot vor Ort. Wohnen wiederum muss bezahlbar und hochwertig sein. Grüne Außenanlagen wie Parks oder Gärten steigern den Wohnwert von Quartieren und dienen auch als Visitenkarte. Für die Menschen gehören sie wie Kindergärten und Schulen, Geschäfte für den täglichen Bedarf oder kulturelle Angebote zu einem lebenswerten Umfeld dazu. Nicht zu beziffern ist dagegen der Stellenwert von öffentlichem und privatem Grün als Kraftquelle für den Menschen. Gerade vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie haben viele von uns gespürt, wie bedeutsam grüne Erholungsorte und das damit verbundene Naturerlebnis für unser Wohlbefinden ist.

Die grüne Infrastruktur spannt darüber hinaus ein soziales Netz. Grüne und naturnahe Areale in der Stadt sorgen dafür, dass sich die Menschen dort begegnen und miteinander kommunizieren können, wo sie wohnen.

Wo stehen wir dabei in Nordrhein-Westfalen?

Leonhards: In unserem dicht besiedelten Bundesland bilden Grünflächen und -anlagen das ökologische Rückgrat unserer Städte. Nicht umsonst hat das Land Nordrhein-Westfalen die Weichen für mehr Grün in unseren Städten bereits vor rund drei Jahren mit einer neuen Richtlinie zur Grünen Infrastruktur gestellt. Mehr Grün- und Erholungsflächen werden geschaffen, miteinander vernetzt und aufgewertet. Das Land strebt damit eine nachhaltige Verbesserung der Klima- und Umweltbedingungen an. Die heißen und trockenen Sommer der letzten beiden Jahre haben uns gezeigt, dass dies dringend geboten ist.

Welche Wege können wir hier konkret gehen?

Leonhards: Die aktuelle Forschung zeigt, dass eine intensive Begrünung das lokale Klima wirkungsvoll regulieren und die Temperaturen in verdichteten Bereichen um drei bis fünf Grad senken kann. Gebäude stellen hier ein erhebliches Potenzial dar: Grüne Fassaden und Dächer leisten nicht nur einen Beitrag dazu, die Hitze zu bekämpfen, sondern auch Starkregenfälle zurückzuhalten, die wir in den vergangenen Jahren vermehrt beobachten. Begrünte Dächer steigern im Sommer darüber hinaus die Leistungsfähigkeit von Photovoltaik-Anlagen durch Kühlung der Module um bis zu 20 Prozent. Ohne Frage lassen sich auch Verkehrswege noch mehr in die Überlegungen zu einer grünen Infrastruktur einbeziehen. Solche Flächen bieten Tieren und Pflanzen einen Lebensraum und fördern so die biologische Vielfalt.

Was muss jetzt passieren?

Leonhards: Gelingt es uns, Grün im urbanen und im ländlichen Raum zu stärken und nachhaltig aufzuwerten, wirkt sich das positiv auf unser Klima, die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft und die Attraktivität unserer Städte aus. Dafür müssen alle Akteure zusammenwirken. Eine grüne Infrastruktur gibt es nicht zum Nulltarif: Investitionen in den Aufbau von Grünzügen und Grünflächen in unseren Städten und Gemeinden sind ebenso wichtig wie Investitionen in deren Pflege und den Erhalt. Die heutige Verkehrsinfrastruktur ist uns ein mahnendes Beispiel dafür, was passiert, wenn zu lange zu sehr gespart wird. Darüber hinaus gilt: Je gepflegter die Anlagen sind, umso mehr werden sie auch von den Menschen geachtet und wertgeschätzt. Mit unserem Verband stehen wir jedenfalls allen, die eine solche grüne Infrastruktur schaffen und erhalten wollen, mit Rat und Tat zur Seite.

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