Seit 30 Jahren setzt sich das European Arboricultural Council (EAC) für fachgerechte Baumpflege und ihre europaweite Harmonisierung ein. Die Jahreshauptversammlung im Juni 2022 in Meran/Südtirol stand ganz im Zeichen des Jubiläums: Eine neu gepflanzte Zerreiche Quercus cerris im Zentrum von Meran kühlt künftig und verbessert die Aufenthaltsqualität.
Die Festtagung mit vielen nationalen und internationalen Referentinnen und Referenten im Kurhaus der Stadt Meran zog 80 Gäste aus ganz Europa an; die Festbroschüre „30 Years EAC“ fasst drei Jahrzehnte EAC-Wirken zusammen.
„Es ist mir eine große Ehre, anlässlich unseres 30. Geburtstages hier in Meran einen Baum zu pflanzen: Möge er viele Jahrzehnte wachsen und gedeihen und den Menschen in den heißen Monaten Schatten spenden und die Temperatur senken“, so EAC-Präsidentin Stefania Gasperini, Italien.
Vizebürgermeisterin Katharina Johanna Zeller überbrachte die Grüße des Bürgermeisters und dankte den zahlreichen Baumfachleuten für ihr Kommen: Meran sei eine Stadt, die sich der Bedeutung des Grüns, der Bäume, seiner Parks sehr bewusst sei und dieses zum Wohle der Menschen gestalte und pflege. Dieses international herausragende Engagement Merans für Stadtgrün und Stadtbäume würdigt der vom EAC verliehene europäische Baumpreis (ECOT-Award) in diesem Jahr (s. eigene PM).
Gründung des EAC: 1992 in Brüssel
Gasperini eröffnete die Festveranstaltung mit einem kurzen Rückblick auf das EAC: 1992 gründeten Baumpflegerinnen und -pfleger aus fünf Ländern in Brüssel das EAC. Ihr Ziel war es,
internationale Erfahrungen und Know-how auszutauschen,
Standards zu definieren und den Kolleginnen und Kollegen in allen europäischen Ländern zur Verfügung zu stellen
und eine Aus- und Weiterbildung für Baumpflegerinnen und -pfleger zu konzipieren und in ganz Europa einzuführen.
Aus diesem „Ideen-Sämling“, ist heute ein „Großbaum“, ein international bekannter Verband geworden. Mittlerweile gehören dem Europäischen Baumpflegerat 23 europäische Länder an. Allein auf dieser Mitgliederversammlung wurden fünf neue Verbände aus fünf Ländern neu aufgenommen!
20 Jahre europaweite Zertifizierungen
Seit über 20 Jahren bietet das EAC europaweit seine Zertifizierung zum ETW und ETT an und sorgt damit für mehr Mobilität der Baumpflegerinnen und -pfleger, aber auch für die Verbesserung der Arbeit im Baum. So wurden zahlreiche Guides und Standards entwickelt und allen Ländern zur Verfügung gestellt (Safety Guide, Pruning Guide, Planting Guide, Cabling and Bracing Guide, ETW Handbook). Zudem wurde ein Netzwerk aus Fachleuten aufgebaut, das mittlerweile international bekannt ist und rege angefragt wird.
40.000 Einwohnerinnen und Einwohner, 8.000 Bäume
Dr. Anni Schwarz, Direktorin des Grünflächenamtes von Meran, stellte ausführlich die Rolle und Bedeutung des Stadtgrüns, insbesondere der rund 8.000 Bäume für Meran vor, der zweitgrößten Stadt in Südtirol mit 40.000 Einwohnerinnen und Einwohnern– und eine Million Übernachtungsgästen pro Jahr. Als Luftkurort legte man schon im 19. Jahrhundert ein Promenadennetz an und pflanzte wegen der klimatischen Verhältnisse Exoten aus aller Welt. Vorbildlich sind auch der Grünplan der Stadt Meran sowie die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern, das öffentlich zur Verfügung stehende Online-Baumkataster und die vielen Veranstaltungen zum Thema Baum.
Frauen in der Baumpflege
Der ersten EAC-Präsidentin war auf der Meraner Tagung auch wichtig, die Rolle der Frau in der Baumpflege in den Fokus zu nehmen. Das tat zum Beispiel Vicki Tough aus Großbritannien: Sie ist seit vielen Jahren nicht nur praktische Baumpflegerin in einer von Männern dominierten Berufswelt, sondern führt auch ein eigenes Sachverständigenbüro. Tough referierte über die Rolle der Frau in der Baumpflege. „Wie ist es, die einzige Frau zu sein?“, dieser Frage ging sie emotional und eindrucksvoll nach: „Ich war so stolz und privilegiert, Teil des Teams zu sein. … eine inmitten von Männern!“
Wo steht die Frau in der Baumpflege?
Über den SKT-B zertifiziert waren 2021 über 5.000 Männer, aber nur 127 Frauen.
„Instructors“ waren 2021: 190 Männer und 6 Frauen.
Vicki Tough findet: Die Branche solle nicht primär Energie darauf verwenden, mehr Frauen für die Baumpflege zu begeistern. Stattdessen solle man sich lieber dafür einsetzen, die Arbeitsbedingungen für jedes Geschlecht zu optimieren.
Wohlfahrtswirkung von Stadtgrün und Bäumen
Prof. Dr. Francesco Ferrini, Universität Florenz/Italien, beleuchtete eindrucksvoll die Wirkung von Stadtgrün auf Gesundheit und Lebensqualität der Menschen. Mit der zunehmenden Urbanisierung hätten die Städte immer mehr Probleme. Dies sei ein Grund, warum jede Stadt ihr Grünflächenmanagement zukünftig stärken und ausbauen müsse. „Können Sie sich vorstellen, wie eine Welt ohne Bäume aussehen würde? Ich kann es nicht und will es auch gar nicht!“, so Ferrini.
Vom Sämling zum Baum
Zum Abschluss der Festveranstaltung blickte Dr. Daniele Zanzi, Italien (EAC-Präsident von 1998 bis 2000), auf die Entwicklung der Baumpflege seit den 1970er Jahren zurück. Dazu gehören auch die Modernisierung der Baumchirurgie hin zu einer nachhaltigen Baumpflege, die wesentlich von Alex Shigo aus den USA geprägt wurde und durch ihn auch in Europa Einzug fand. An derselben Stelle, im Kurhaus der Stadt Meran, fanden vor 27 Jahren (1995) die ersten italienischen, internationalen Baumtage mit Alex Shigo und Fachleuten aus aller Welt statt.
Angesichts des vollen Kurhauses zeigte sich EAC-Gründungsmitglied Zanzi sehr glücklich darüber, dass aus der Idee der Gründungsväter 30 Jahre später so ein schlagkräftiger europäischer Verband entstanden sei und die fachgerechte Baumpflege mittlerweile in ganz Europa Fuß fasse: „Heute ist das EAC ein riesiger Baum mit tiefen und weitverzweigten Wurzeln, mit vielen Ästen und Zweigen und tausenden von Blättern – bitte, macht weiter so! Ein herzliches Dankeschön an alle Kolleginnen, Kollegen, Freundinnen und Freund, die diesen langen Weg zum Wohle der Bäume mit mir gemeinsam gegangen sind.“
Aufnahme von fünf neuen Mitgliedern
Der zweite Tag der Jahreshauptversammlung war geprägt von der internen Gremienarbeit, insbesondere der Neuaufnahme von fünf Verbänden: aus Estland, Kroatien, Litauen, Polen und Rumänien. Es folgten Berichte aus den Arbeitsgruppen CQM, QB, ECOT, PR und ETW Handbook, Informationen über die Mitarbeit in zahlreichen Erasmusprojekten und Berichte über die Aktivitäten der Mitgliedsverbände. Anschließend servierte EAC-Präsidentin Stefania Gasperini allen Mitgliedern Geburtstagskuchen.
Exkursion durch Meran
Baumpflegerinnen und -pfleger brauchen Bäume zum Anfassen – und so führte Dr. Anni Schwarz am Sonntag die Gruppe entlang der Meraner Winterpromenade zur Gilf-Anlage über den Tappeiner Weg zurück in die Innenstadt. Dabei ging sie besonders auf die klimatischen Besonderheiten Merans ein und die Wuchsbedingungen für zahlreiche Baum-Exoten. So gleicht Meran einem einzigen botanischen Garten und begeistert vor allem mit seinen Mammutbäumen und den riesigen Zedern. In Erinnerung an Francesco Decembrini, den Gründer von Meranflora, pflanzte das EAC gemeinsam mit Bürgermeister Dario Dal Medico einen weiteren Baum an der Winterpromenade.
2023 nach Belgien
Die Jahreshauptversammlung in Meran schloss mit der herzlichen Einladung des belgischen Verbandes, im nächsten Jahr im Juni nach Antwerpen zu kommen.
Europäischer Baumpflegerat
Das European Arboricultural Council e. V. (EAC) (deutsch: Europäischer Baumpflegerat) mit Sitz im Haus der Landschaft in Bad Honnef ist ein Forum, in dem sich Delegierte europäischer Baumpflege-Organisationen zusammengeschlossen haben. Sie verfolgen das Ziel, den Qualitätsstandard zu erhöhen und den Beruf durch Förderung von Forschung und Ausbildung weiterzuentwickeln, um eine erfolgreiche Baumpflege und Verbesserung der Arbeitsmethoden zu gewährleisten.