Was tun Deutschlands Städte für eine klimagerechte Stadt- und Mobilitätsentwicklung? Und auf welche Lösungen setzen Städte anderer europäischer Länder? Das Difu verglich in einer Studie Maßnahmen von zehn internationalen Städten und prüfte die Übertragbarkeit auf deutsche Kommunen.
Verkehr ist neben Energiewirtschaft und Industrie einer der Hauptverursacher klimaschädlicher Treibhausgasemissionen. Die negativen Auswirkungen auf das Klima können daher nur erfolgreich bekämpft werden, wenn es gelingt, den seit Jahrzehnten unvermindert hohen CO2-Ausstoß deutlich zu senken. Eine Verkehrswende ist also nötig, um das Klima zu schützen und wirkungsvolle Klimaanpassungsmaßnahmen umzusetzen.
Die Städte in Deutschland setzen bereits viele Maßnahmen für eine klimagerechte Mobilität um. Aber die Realisierung ist mit großen Herausforderungen verbunden: Wie gehen die Kommunen zum Beispiel mit Nutzungskonkurrenzen um die knappen Flächen um? Wohnungsbau, Grünflächen, Wirtschaft, Kultur, Flächen für Mobilität – alle Nutzungen beanspruchen Platz. Was tun Deutschlands Städte für die klimagerechte Stadt- und Mobilitätsentwicklung und auf welche Lösungen setzen Städte anderer europäischer Länder? Gibt es dort interessante Konzepte, die auch für Kommunen in Deutschland spannend sind?
Diesen Fragen ging das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) in einem interdisziplinären Forschungsprojekt nach. Die Ergebnisse der im Projekt entstandenen Studie „Klimagerechte Stadt- und Mobilitätsentwicklung: von europäischen Städten lernen“ zeigen unter anderem, wie zehn Städte in europäischen Nachbarländern mit den Herausforderungen umgehen. Die untersuchten Städte sind: Kanton Basel-Stadt, Antwerpen, Helsinki, Lahti, Leuven, Ljubliana, Vejle, Wien, Vitoria-Gasteiz und Zürich. Ziel der Untersuchung war es, in zehn Fallstudien die Maßnahmen und Instrumente zur Umsetzung der klimagerechten Verkehrswende zu analysieren und Möglichkeiten und Grenzen der Übertragbarkeit auf deutsche Kommunen aufzuzeigen.
Ausgewählte Ergebnisse, Empfehlungen und Maßnahmenbeispiele des Difu-Forschungsteams:
Viele deutsche Städte haben bereits klare Klimaschutzziele und Zeitrahmen dafür festgelegt, bis wann eine bestimmte CO2-Reduktion erfolgen soll. Darin unterscheiden sie sich nicht von den untersuchten ausländischen Kommunen.
Der Mobilitätssektor wird von allen Städten als wichtiger Hebel zur CO2-Einsparung angesehen.
Ebenso alle Fallstudienstädte streben eine Verkehrsmittelverlagerung – „Modal Shift“ – an und nicht die alleinige Umstellung auf die Elektromobilität. Mit dem umweltfreundlichen Verkehrsmittelmix wollen sie die starke Abhängigkeit vom Individualverkehr hin zu einer Kombination umweltfreundlicher Verkehrsmittel wie Fahrrad, ÖPNV etc. vorantreiben.
Die Studie zeigt jedoch auch: Selbst die als Vorreiter geltenden internationalen Städte haben noch keine vollständige Verkehrswende erreicht.
In den untersuchten ausländischen Fallstudienstädten werden „Push & Pull-Maßnahmen“ bereits häufiger eingesetzt als in Deutschlands Kommunen. Hierbei handelt es sich um eine Kombination aus Maßnahmen zur Stärkung von Fuß-, Radverkehr und ÖPNV sowie von Maßnahmen zur Reduzierung des Pkw-Verkehrs. Das Difu-Forschungsteam empfiehlt deutschen Kommunen eine stärkere Anwendung dieser als wirksam geltenden Maßnahmen.
Beteiligungsverfahren spielen in den meisten der anderen europäischen Städte eine wichtige Rolle. Kommunen sollten bei der Planung und Umsetzung von Maßnahmen zur klimagerechten Stadt- und Mobilitätsentwicklung möglichst viele verschiedene Akteure in den Prozess einbinden. Leitbilder und Zielvorgaben sind von der Politik bzw. der Verwaltung bereits im Vorfeld zu setzen.
An der Schnittstelle zur Mobilität muss dem Thema Klimaanpassung eine höhere Priorität beigemessen werden. Z.B. könnten Verkehrsflächen entsiegelt und als Grünflächen genutzt werden .
Viele der anderen untersuchten europäischen Städte nutzten EU-Förderprogramme z.B. für die Konzeption, Planung und Umsetzung von Projekten. Diese Förderung erfolgt jedoch oft nur für wirtschaftlich schwache Gebiete. Ein Großteil der deutschen Kommunen kann daher von diesen Förderinstrumenten nicht profitieren.
Viele der erfolgreichen Maßnahmen der anderen untersuchten Länder ließen sich auf Deutschland übertragen.
Allerdings gibt es teils rechtliche Grenzen, die zurzeit einer Übertragung der Maßnahmen entgegenstehen. So ist zum Beispiel eine gesamtstädtische Parkraumbewirtschaftung im Rahmen der derzeitigen Straßenverkehrsordnung in Deutschland nicht möglich, um mit Überschüssen den Umweltverbund zu finanzieren. Auch im Hinblick auf regulatorische Maßnahmen im Bereich Parkraummanagement zugunsten einer Klimaanpassung müssten Änderungen im Rechtsrahmen erfolgen.
„Die deutschen Kommunen handeln bereits heute und setzen wirksame Maßnahmen um“, so Difu-Wissenschaftler Björn Weber. „Aber mit Blick auf die rasanten Klimaveränderungen sollten die deutschen Städte intensiver besonders wirksame Instrumente wie kombinierte „Push & Pull-Maßnahmen“ nutzen. Sie sind gleichermaßen gut für Klimaschutz und Klimaanpassung.“
Die Publikation steht kostenfrei online zur Verfügung: siehe Link