Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

Zum Auftakt seiner Sommertour hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Donnerstag die Landesgartenschau Wangen besucht. Im Mittelpunkt seines Besuchs standen Chancen und Zukunftsfähigkeit des Holzbaus in Zeiten des Klimawandels.

Copyright: Landesgartenschau Wangen/Tarja Prüss

In Holz- und Holzhybridbauweise sind auf der Landesgartenschau 250 Wohnungen in den Auwiesen errichtet worden. Zudem wurden mit dem Holz-Naturfaser-Pavillon und dem Aussichtsturm zwei Forschungsprojekte der Uni Stuttgart realisiert, um aufzuzeigen, wie wir in Zukunft klima- und materialschonender bauen können. Viele weitere Ausstellungsbeiträge beschäftigen sich mit Fragen des Klimas, der Nachhaltigkeit und der Biodiversität.

Rundgang über das Gelände der Gartenschau
Wangens Oberbürgermeister Michael Lang führte den Ministerpräsidenten über das Gelände und erläuterte, was seit 2010 im Zuge der Landesgartenschau entwickelt wurde. „Jetzt werden 14 Jahre Stadtentwicklung sichtbar, was nur durch die Zugkraft der Landesgartenschau möglich war: von der Stadtentwicklung, Erba-Sanierung über die Argenrevitalisierung bis hin zu neuen Spielplätzen und Kindergarten“, so Oberbürgermeister Lang.

Zusammen mit Klaus Tappeser, Regierungspräsident des Regierungsbezirks Tübingen und einer Delegation aus politischen Vertretern von Land und Gemeinden machte Kretschmann an vielen Stellen auf der Schau Halt, besichtigte das sanierte Industrieareal ERBA und den neuen Aussichtsturm sowie den Holz-Naturfaser-Pavillon. Auf der Argenwiese ging er ins Gespräch mit den Landfrauen, aber auch interessierten Besuchern und besuchte den Forstpavillon der Landesforstverwaltung.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann: „Die Landesgartenschau Wangen ist ein voller Erfolg. Das zeigt sich nicht zuletzt an den Besucherzahlen. Alle Beteiligten können zurecht stolz auf das sein, was hier vor Ort auf die Beine gestellt wurde. Die Stadt Wangen wurde nicht nur zum Blühen gebracht, sondern auch ein Stück weit neu erfunden: mit einem Park entlang der Argen oder den rund 400 neuen Wohnungen, viele davon in Holzbauweise. Besonders in diesem Bereich setzt die Landesgartenschau Maßstäbe, denn dem Holzbau gehört die Zukunft. Vergangenes Jahr wurden bereits ein Drittel der neuen Gebäude im Land in Holzbauweise errichtet. Wieviel Lebensqualität das in die Städte bringt, zeigt sich ganz konkret vor Ort in Wangen.“

Zukunftsweisende Architektur
Professor Achim Menges, der am Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung neuartige Bauweisen erforscht und für die Leuchtturmprojekte in Wangen verantwortlich zeichnet, erläuterte dem Ministerpräsidenten und den Gästen, was die Neuartigkeit und Einzigartigkeit der beiden Leuchtturmprojekte Holz-Naturfaser-Pavillon und Aussichtsturm ausmacht, die Stadt und Landesgartenschau zusammen mit der Uni Stuttgart realisiert haben.

„Das Bauen mit Flachs ermöglicht es, lokale Biomaterialien ins Bauen zu bringen, die einen wesentlichen Beitrag zur Abmilderung des Klimawandels leisten können“, so Menges. Die beiden Weltneuheiten hier in Wangen zu realisieren, wäre ohne die großzügige Unterstützung der baden-württembergischen Holzbauoffensive nicht möglich gewesen. Beim Aussichtsturm werden Prinzipen der Natur genutzt, nämlich die Selbstkrümmungsprinzipien des Holzes, um möglichst materialschonend, nachhaltig und kostengünstig bauen zu können.

Für Menges liegen die Vorteile klar auf der Hand: Holz unterscheidet von anderen Baumaterialien, dass es nicht industriell gefertigt wird, sondern als lebender Stoff einfach wächst. Der große Vorteil von Flachs sei, dass er als Baustoff bereits nach 180 Tagen bereit stehe. „Der Wald kann ein Rettungsanker in Zeiten des Klimawandels sein. Und keine Technologie weltweit kann so wirtschaftlich und risikofrei so viel Kohlenstoff einlagern wie Holz“, sagte Harald Wetzel, Leiter des Bereichs Cluster Forst und Holz beim Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR).

Chancen im Holzbau
Beim Impulsvortrag des Ministerpräsidenten zum Thema „Chancen und Zukunftsfähigkeit Holzbau“ im Treffpunkt Baden-Württemberg lobte Kretschmann den Turm als „technisch und ästhetisch grandios“. „Diese Gebäude strotzen nicht nur vor Ideen und Kompetenz, sondern sie sind zugleich Ausdruck langjähriger Forschung und komplexer digitaler Berechnungen“, sagte Kretschmann. Diese Digitalisierung müsse in der gesamten Baubranche vorangetrieben werden. Insofern habe sich Wangen mit der Landesgartenschau nicht nur ein Stück weit neu erfunden, die Schau erlaube zudem einen Einblick in die Zukunft.

An der anschließenden Podiumsdiskussion betonte Professor Achim Menges von der Uni Stuttgart, dass die Prinzipien, die im Aussichtsturm erstmals realisiert wurden, auch in anderen Bereichen Anwendung finden könnten: sei es bei Windkrafträdern odergroßen Industriehallen.

Professor Bastian Kaiser, Rektor der Hochschule Rottenburg, betonte, dass der Wald bzw. Holz als CO2-Speicher ein wichtiger Bestandteil im Kampf gegen den Klimawandel sei. Um auf veränderte klimatische Bedingungen zu reagieren, haben die privaten Waldbesitzer schon vor Jahren begonnen, den Wald umzubauen, indem neue Arten eingesetzt und der Wald somit vielfältiger und resistenter wird, so Kaiser, dessen Forschungsarbeit sich auf die ökonomischen Herausforderungen in einer sich dynamisch veränderten Holzwirtschaft konzentriert.

Emanuel Maier von der Firma Gapp Holzbau, die an mehreren Projekten auf der Landesgartenschau beteiligt war, ergänzte, dass durch die Fördermittel aus der Holzbauoffensive erst neue Entwicklungen im Holzbau möglich wurden, sodass nicht nur größere Gebäude mit Holz errichtet werden, sondern zwangsläufig auch die Betriebsgrößen zunehmen, um solche Projekte zu realisieren. Der Vorteil in Baden-Württemberg sei, dass man hierzulande auf die gesamte Wertschöpfungskette inklusive Säge- und Holzstoffindustrie zurückgreifen könne. Forschung und Praxis müssten hier noch besser zusammenarbeiten, um den Wissenstransfer zu beschleunigen, was angesichts des Klimawandels ein Gebot der Stunde sei, fügte Menges hinzu. Dabei könne in Zukunft auch Künstliche Intelligenz helfen.

Besonders lobten die Podiumsteilnehmer die Sanierung des ehemaligen Industrieareals. Statt abzureißen und neu zu bauen, wurde so enorm viel „graue Energie“ eingespart. Bauschutt macht nämlich mehr als die Hälfte unseres gesamten Müllaufkommens aus. Bei Baustoffen versteht man unter der grauen Energie die Menge an Energie, die über dessen gesamte Lebensdauer aufgebracht werden muss. Wenn man den Klimaschutz ernst nehme – d.h. die deutliche Reduzierung der CO2-Emissionen – dann müsse diese graue Energie viel stärker mitgedacht werden, waren sich die Teilnehmer einig.

Eintrag ins Goldene Buch
Zum Abschluss trug sich Kretschmann ins Goldene Buch der Großen Kreisstadt Wangen im Allgäu ein.

 

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