Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

Es gibt unterschiedliche Gründe, warum Hausbesitzende sich für eine Dach- oder Fassadenbegrünung entscheiden. Pflanzen am und auf einem Bauwerk werten dasselbe nicht nur optisch auf, sie dämmen auch thermisch und können so dabei helfen, die Energiekosten zu senken. Zudem sorgen sie für Beschattung, schlucken Schall, binden Feinstaub, verdunsten Wasser und schaffen so ein angenehmes Umgebungsklima.

Fotos: BGL

„In den letzten Jahren ist darüber hinaus noch ein weiterer positiver Aspekt der Gebäudebegrünung in den Fokus gerückt“, sagt Uschi App vom Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V. (BGL). „Sie kann einen wichtigen Beitrag zur Steigerung der Biodiversität im urbanen Raum leisten.“

Der zunehmende Schwund der biologischen Vielfalt gehört zu den größten Herausforderungen unserer Zeit. Allein in Deutschland ist ein Viertel der heimischen Insektenarten im Bestand gefährdet, bei den Vögeln findet sich sogar fast jede zweite Art auf der Roten Liste. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Die zunehmende Flächenversiegelung und der damit einhergehende Verlust von Nahrungsangebot und Lebensraum spielen dabei eine große Rolle. Insbesondere in den hochverdichteten Innenstädten, aber auch in Neubau- und in Gewerbegebieten sind Grünflächen ein äußerst knappes Gut. Dabei böten die Dächer und Fassaden vieler Gebäude hier ein enormes Potenzial für mehr Vegetation und damit Artenvielfalt.

Verschiedene Möglichkeiten

Rein fachlich gesehen lassen sich sowohl die Dach- als auch die Fassadenbegrünung in jeweils zwei Varianten einteilen: In der Vertikalen unterscheidet man zwischen bodengebundener Begrünung, bei der Schling- und Kletterpflanzen zum Einsatz kommen, die im Erdreich wurzeln und von dort Wasser und Nährstoffe beziehen, und der wandgebundenen Begrünung, bei der ganz unterschiedliche Pflanzen in Kästen oder modularen Kassettensystemen wachsen und über eine automatische Bewässerung mit allem notwendigen versorgt werden. „Für Flachdächer oder Dächer mit einer leichten Neigung sind derzeit vor allem sogenannte Extensivbegrünungen gefragt. Deren Bauhöhe und Substratschicht beträgt nur wenige Zentimeter und bietet Platz für niedrigwachsende Gräser und verschiedene Sedumarten, die besonders hitzetolerant sind, kaum Pflege benötigen und denen ein gelegentlicher Regenschauer als Wasserversorgung ausreicht“, erläutert App. „Lässt die Statik des Hauses es zu, kann in luftiger Höhe aber auch ein richtiger Garten angelegt werden, der vielfältig nutzbar ist. Neben Sitzplätzen kann es hier Rasenflächen oder Stauden- und Gemüsebeete geben und auch für kleine Gehölze bietet die Substratschicht genügend Raum. Die Aufbauhöhe bei einer solchen Intensivbegrünung beträgt mindestens 25 Zentimeter.“

Vielfältiges Nahrungsangebot und Nistplatzstrukturen schaffen

Die Systeme zur Dach- und Fassadenbegrünung sind heute technisch ausgereift und vielerorts jahrzehntelang erprobt. Welche Variante für ein Gebäude in Frage kommt, ist abhängig von den jeweiligen Gegebenheiten und Standortbedingungen. Selbstverständlich können auch verschiedene miteinander kombiniert werden. „Grundsätzlich ist jede dieser Begrünungen ein Schritt in die richtige Richtung und macht den bebauten Raum lebendiger“, unterstreicht App. „Will man damit aber tatsächlich auch die Biodiversität gezielt fördern, empfiehlt es sich, bei der Pflanzenauswahl nicht nur auf Optik und Pflegeaspekte zu schauen oder ausschließlich auf Immergrüne zu setzen. Es sollte ebenfalls darauf geachtet werden, dass die Vegetation Insekten, Vögeln und Co. von Frühjahr bis Spätherbst ein möglichst großes Nahrungsangebot bietet.“ Unterschiedliche Wildstauden, Kräuter, Bodendecker und Wiesenblumen, die in der Vertikalen oder auf einem intensiv begrünten Dach wachsen, sind beispielsweise wichtige Nektar- und Pollenquellen. Die Früchte von Kletterpflanzen wie Efeu und Wildem Wein schmecken u. a. Drosseln, Staren oder Amseln. Uschi App: „Letztendlich gilt bei Dach- und Fassadengrün das gleiche, wie in jedem Garten: Vielfalt schafft Vielfalt! Je mehr unterschiedliche – vorzugsweise heimische – Pflanzenarten es gibt, um so diverser ist auch die Fauna, die sich darin tummelt.“ Neben dem besseren Nahrungsangebot bieten solche Gebäudebegrünungen der Tierwelt mit ihrem enormen Strukturreichtum aber auch wertvolle Lebensräume. Landschaftsgärtner*innen empfehlen in die Flächen zusätzlich Nistkästen für Höhlenbrüter sowie mineralische und organische Materialien zu integrieren. Sandlinsen auf dem Dach sind ideal für bodennistende Wildbienenarten und auch in Totholz finden zahlreiche Insekten ein Zuhause. Wichtig ist natürlich, dass solche Objekte stets gut gesichert sind und auch bei Wind und Wetter an ihrem Platz bleiben.

Auch in punkto Pflegekonzept machen einige Expert*innen für Garten und Landschaft heute Vorschläge, die dem einen oder anderen Hausbesitzenden noch etwas ungewöhnlich erscheinen mögen. Sie plädieren beispielsweise dafür, in gewissem Maße auch Spontanvegetation – etwa Klee oder Disteln – in der Gebäudebegrünung zuzulassen. Denn auch diese Pflanzen haben oft eine hohe ökologische Bedeutung. Außerdem sollten vertrocknete oder abgestorbene Pflanzenteile nicht immer sofort komplett entfernt werden, da sie wichtige Habitate für einige Tiere darstellen. „Vielleicht braucht es in Zeiten des Artensterbens einen neuen Blick auf Dach- und Fassadenbegrünung“, so Uschi App. „Wir sollten akzeptieren, dass es nicht immer nur die perfekten, immergrünen Flächen sein müssen, sondern dass sie sich im Laufe des Jahres auch verändern dürfen. Im Herbst und Winter können durchaus auch einmal Brauntöne das Bild dominieren. Denn so ist es in der hiesigen Natur ja auch.“

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