Am 12. Juli 2011 haben die Mitglieder der Interessengemeinschaft Deutsche Baumpflege (IDB) den einstimmigen Beschluss gefällt, in Zukunft verstärkt Einigkeit zu demonstrieren und die Anliegen und Probleme der Branche gemeinsam an der Wurzel zu packen.
Hans Rhiem, Vorsitzender der Qualitätsgemeinschaft Baumpflege und Baumsanierung (QBB), und Frank Bechstein, QBB-Mitglied und Geschäftsführer der Frank Bechstein Baumpflege GmbH, sprechen über die Zukunft der Baumpflege in Deutschland, über verpasste und genutzte Chancen und über die Früchte ihrer Arbeit.
Gesprächsleitung: Antje Kottich, Pressereferentin des Fachverbandes GaLaBau Schleswig-Holstein.
Antje Kottich: Die QBB engagiert sich seit 26 Jahren für einen fachgerechten Umgang mit Bäumen in Deutschland. War früher alles besser, oder haben wir gelernt?
Bechstein: Früher war nicht unbedingt alles besser, aber anders. Als ich 1980 mit der Baumpflege begann, gab es außer der QBB, dem Bundeverband Garten-, Landschafts- und Spotplatzbau (BGL) und der amerikanischen International Society of Arboriculture (ISA) keine Institution, die den Berufszweig Baumpflege regelte oder vertrat. Wir haben hier also Grundlagen geschaffen. Natürlich konnten wir zu dieser Zeit noch nicht auf Basis des heutigen Fach- und Forschungswissens arbeiten. Entscheidend war jedoch unser Ziel, Bäume zu erhalten und zu schützen. Ohne diesen Ansporn wären wir heute nicht dort, wo wir sind. Früher waren die Amerikaner führend auf dem Gebiet der Baumpflege, heute sind es meiner Ansicht nach die Deutschen.
Rhiem: In der Tat hat sich die deutsche Baumpflege in den vergangenen drei Jahrzehnten rasant positiv entwickelt. Und ich stimme zu, dass dies vor allem dem unermüdlichen Engagement vieler Unternehmen, Behörden und Verbände wie der QBB zu verdanken ist. Nicht unerwähnt bleiben sollte aber auch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema, die in den 1980er Jahren mit Alex Shigo begann. All diese Aspekte haben dazu beigetragen, dass ein sehr lebendiges, sich ständig weiterentwickelndes Berufsbild entstanden ist.
Die QBB hat also wichtige Pionierarbeit im Dienste der Bäume geleistet. Inzwischen reden, wie Sie sagten, beim Thema Baum aber ja auch viele andere mit. Können Sie Licht ins Dickicht der Zuständigkeiten bringen?
Rhiem: Es gibt heute auf Seiten des Berufsstandes sowie in der Wissenschaft und Lehre eine ganze Reihe von Verbänden, die neben der QBB eine bedeutende Rolle in der Baumpflege spielen. Sie leisten wesentliche Beiträge zur Qualitätssicherung, Ausbildung und Arbeitssicherheit. Ich kann hier zum Beispiel den Arbeitskreis Baumpflege im BGL, die ISA Germany, die Arbeitsgemeinschaft Neue Baumpflege, den Fachverband geprüfter Baumpfleger, die Lehranstalt für Gartenbau und Floristik Großbeeren und die Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau Heidelberg nennen. Die meisten berufsständischen Verbände sind Mitglied der IDB, einem freiwilligen Zusammenschluss, der gegründet wurde, um die deutsche Baumpflege in Europa zu vertreten. Die Mitglieder treffen sich ein- bis zweimal pro Jahr und sprechen über Entwicklungen und Tendenzen in der Baumpflege.
Das alles klingt doch ein wenig nach Verbandsdschungel. Wie organisieren sich denn die Verbände und Institutionen untereinander? Verderben viele Köche den Brei, oder ziehen Sie alle an einem Strang?
Bechstein: Viele Köche verderben den Brei zwar nicht, sie machen ihn gelegentlich aber unnötig zäh.
Rhiem: Es ist tatsächlich so, dass sich bestimmte Verbände in der Vergangenheit nicht immer "grün" waren. Da ging es um Arbeitsweisen, Qualitätsmerkmale oder Philosophien. Es wurde gestritten, diskutiert und sich - leider zumeist öffentlich - die Meinung gesagt.
Bechstein: Dies hatte sicherlich auch mit gewissen Eitelkeiten zu tun, die der Sache nicht unbedingt dienlich waren. Andere Meinungen oder Einstellungen wurden nur schwerlich akzeptiert. Aber inzwischen hat sich dies zum Positiven geändert. Die größten Grabenkämpfe sind ausgefochten und man konnte sich mehr und mehr annähern.
Rhiem: Ich denke schon, dass dieser Prozess wichtig und notwendig war. Die Beteiligten mussten den gemeinsamen Nenner ihrer Positionen finden. Geeinigt hat alle Parteien jedoch von Vornherein das Engagement zum Wohl des Baumes. Und ja, wir alle sind uns nunmehr in vielen elementaren Bereichen näher gekommen und die traditionellen Berührungsängste sind meines Erachtens fast verschwunden.
Ist dies auch der Grund, warum sich die Mitglieder der QBB im Juni einstimmig dafür ausgesprochen haben, die Zusammenarbeit mit den anderen Verbänden und Institutionen in naher Zukunft zu intensivieren und gemeinsam die Stimme zu erheben?
Rhiem: Unbedingt, ja! Die Mitgliedsbetriebe der QBB bauen schon seit vielen Jahren Brücken und schütten Gräben zu - auch wenn das eher nach Bauwirtschaft als nach Garten- und Landschaftsbau klingt. Viele unserer Unternehmen sind gleich in mehreren Verbänden engagiert und haben mit ihren Kontakten dafür gesorgt, dass für diesen Beschluss keine große Überzeugungsarbeit erforderlich war. Denn: Nur gemeinsam sind wir stark!
Bechstein: Auch von mir ein eindeutiges ja! Die Zeit ist reif. Auch die "jungen Wilden" sehen, dass wir Fachfirmen nur gemeinsam die Probleme lösen können, die uns allen unter den Nägeln brennen.
Mit dieser Meinung scheinen sie erfreulicherweise nicht allein zu stehen. Am 12. Juli haben alle Mitglieder der IDB bei ihrer Tagung beschlossen, künftig geschlossen aufzutreten und Synergien verstärkt zu nutzen. Was versprechen Sie sich von diesem Schulterschluss?
Rhiem: Dies ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Wenn wir in der Lage sind, unsere Kräfte zu bündeln, können wir unsere Forderungen und Anliegen nachdrücklicher und effizienter vorbringen. Hierfür müssen sich Unternehmen, Verbände, Schulen und wissenschaftlichen Institutionen unter Wahrung ihrer eigenen Identität und im Dienste der Sache auf gemeinsame Ziele und Botschaften verständigen. Nur so kann die Baumpflege zukunftsfähig bleiben! Ich verspreche mir auch, dass wir gemeinsam besser auf die Forderung unserer Kunden aus der Wohnungswirtschaft nach einer überregionalen Präsenz reagieren können.
Bechstein: In punkto Aus- und Weiterbildung haben wir schon sehr viel erreicht. Wie gesagt, glaube ich, dass wir in Deutschland führend sind. Wenn wir mit einer Stimme sprechen, können wir hier aber sicher noch viel verstärkter Synergien nutzen und die Branche auf diese Weise nachhaltig stärken!
Womit wir schon bei der nächsten Frage wären: Jedes neue Bündnis braucht Ziele. Wo sehen Sie in nächster Zeit den größten Handlungsbedarf?
Rhiem: Handlungsbedarf gibt es nahezu auf allen Ebenen. Gemeinsame Ziele liegen zum Beispiel in der Stärkung unseres Berufsbildes und in der Reaktion auf die Aufgaben, die in jüngster Vergangenheit auf uns zu gekommen sind und in der Zukunft eine große Rolle spielen werden. Beispielhaft seien hier die Klimaveränderung und die Fachkräftesicherung genannt. Strenge Winter, trockenes Klima im Frühjahr und starke Stürme stressen die Bäume besonders. Neue Formen von Baumkrankheiten und gestiegener Schädlingsbefall sind die Folgen. Hier müssen wir mit der Wissenschaft noch enger zusammenarbeiten.
Auch die Gestaltung und Sicherung des Berufs Baumpfleger ist im Hinblick auf den zu erwartenden Fachkräftemangel ein wichtiges Feld. Also müssen wir unsere Aktivitäten hinsichtlich der Aus- und Fortbildung sowie der Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz noch stärker in den Fokus rücken. Auch das geht nur in einer starken Gemeinschaft.
Bechstein: Wir haben ja durchaus schon sehr gute Ausbildungsmodelle, aber dennoch ist der Fachkräftemangel ein Problem. Es reicht eben nicht aus, ein exzellenter Kletterer zu sein. Ein guter Baumpfleger muss auch über das nötige Wissen und Verständnis für den komplexen Organismus Baum verfügen. Wir brauchen hochwertig ausgebildete Facharbeiter. Ich habe aber das Gefühl, das wir mit einem Zusammenschluss der einzelnen Verbände auf einem guten und richtigen Weg sind.
Ganz wichtig ist für uns auch, dass Baumpfleger als ausgewiesene Fachleute bereits in die Planungsphasen von Projekten einbezogen werden. Bislang werden wir häufig erst gerufen, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Dann ist es meistens schon zu spät. Es gibt immer noch viel zu viele Planungs- und Ausführungsfehler, die mit hohen Folgekosten und Ärgernissen verbunden sind.
Rhiem: Das ist richtig! Wird bei der Planung des Standortes nicht auf die Bedürfnisse des Baumes eingegangen, ist ein kostspieliger Pflege- und Sanierungsfall garantiert. Die Verbesserung der Standortbedingungen bei Neupflanzungen ist für mich ebenfalls ein zentrales Thema der Zukunft. Hierfür ist es wirklich wichtig, dass wir im Vorfeld durch die Beratung von Planern und Entscheidern unsere Sachkunde noch stärker einbringen können.
Demnach sollen sich die IDB und die ihr zugehörigen Verbände und Institutionen nicht ausschließlich um die Pflege der Bäume kümmern, sondern auch Lobbyarbeit betreiben und sich für den Berufsstand stark machen. Gibt es noch andere Möglichkeiten, die Interessen der qualifizierten Baumpfleger in der öffentlichen Wahrnehmung zu verwurzeln?
Rhiem: In der Öffentlichkeit hat der Baum einen hohen Stellenwert - und den sollten wir nutzen! Zum Beispiel, indem wir alle am Thema Baum Interessierten regelmäßig und umfassend informieren. Ich bin der Meinung, dass es in der breiten Öffentlichkeit viele Befürworter und Unterstützer gibt. Veranstaltungen wie die Deutschen Baumtage in Augsburg, die Nordischen Baumtage in Rostock und die Baumforen im gesamten Bundesgebiet ziehen bereits jedes Jahr ein großes Fachpublikum an.
Auch hier gilt: Je mehr Menschen ihre Stimme für die Anliegen der Baumpfleger erheben, desto eher werden wir Gehör finden!