Vom 22. bis zum 23 September fand in Fulda ein zweitätiges Fachseminar zur Gartendenkmalpflege statt. Initiator und Veranstalter war die AGS Arbeitsgemeinschaft Sachverständige - Gartenbau- Landschaftsbau - Sportplatzbau e.V. mit Geschäftsstelle in Offenbach.
Für den Fachverband öffentlich bestellt und vereidigter Sachverständiger der Grünen - Branche ist es festgeschriebenes Ziel und Aufgabe, die Weiterbildung von Mitgliedern zu betreiben sowie angehende Sachverständige auf dem Weg zur öffentlichen Bestellung zu begleiten und zu fördern. Hierzu bot sich das AGS Seminar - Historische Anlagen im Fokus vielseitiger Blickwinkel - Allgemeine und gutachterliche Betrachtung von Gartendenkmälern an.
Die AGS trägt zukünftig mit derartigen Fach- Seminaren der Tatsache Rechnung, daß in den von der AGS ausgearbeiteten und bundesweit übernommenen Bestellungsvoraussetzungen nunmehr der Bereich "Gartendenkmalpflege" als Sondertenor im Oberbegriff "Garten- und Landschaftsbau" aufgenommen wurde.
Nach einer allgemeinen Begrüßung erfolgte durch Stephan Muthig / Rösrath eine Einführung in den vorgesehenen Themenkomplex sowie die Moderation der Veranstaltung. Im Anschluss widmete sich Landschaftsarchitekt Peter Jordan / Aschaffenburg im ersten Vortrag der Fragestellung - Gärten: Denkmäler oder Nutzflächen?
Die übergeordnete Bedeutung von Gartendenkmälern liegt darin, anhand von Zeugnissen früherer Zeiten über die Geschichte der Gesellschaft zu informieren. Der Erhaltung und Bewahrung von kulturell exponierten Gartenanlagen wird weltweit in der Charta von Florenz, in Deutschland in den Denkmalschutzgesetzen der Länder geregelt. Die dauerhafte Erhaltung von Gartendenkmälern ist aber nur dann sichergestellt, wenn mit ihnen fachgerecht umgegangen wird. Insbesondere bei der Sanierung einer Anlage eröffnen sich verschiedene Zeitzonen unterschiedlicher Epochen, die in der fachlichen Würdigung letztendlich in der Definition einer Leit-Zeitebene münden. Das Prinzip des überkommenden Erbes - die älteste bzw. die älteste dokumentierte Ebene stellt die "Leit-Zeitebene" dar - ist Handlungsgrundlage, so dass bei Gärten das dem Garten innewohnende ursprüngliche Gestaltungs - Prinzip geschützt wird. Vielfach werden Gartendenkmäler trotz Kenntnis desselben aufgrund öffentlichen Interesses umgenutzt.
So zeige sich am Beispiel der BUGA in Koblenz, dass sowohl im Bereich um das Schloss wie auch im Garten der Kaiserin Augusta, geplant von Peter - Josef Lenné, die allgemeine öffentliche Nutzung im Rahmen der BUGA vorrangiger bewertet wird, als die nach Gesetz zur Erhaltung des Denkmals geforderte Realisierung des ursprünglichen Planungsgedanken von Lenné. Die Zerstörung eines Denkmales ist gegeben.
Auf Anfrage des Referenten beim Ministerpräsidenten sei ihm bekundet worden, dass seine Denkmalbehörden Planung, Entwicklung und Ausbau der Gartenschau vom ersten Tage an Schritt für Schritt begleitet habe. Die genannte obere Denkmalbehörde hat dies wiederum kategorisch bestritten und vielmehr auf ihre Warnungen und Bedenken hingewiesen, die aber nicht beachtet worden seien. Die Diskrepanz zwischen diesen Aussagen habe der Ministerpräsident nicht beantwortet.
Eine Nutzung im Denkmal unterliegt gewissen Anforderungen und ist bei entsprechender Beachtung und Einhaltung eher wünschenswert denn ablehnungswürdig. Die Frage stellt sich immer nach den Grenzen einer Nutzung. Die Umgestaltung eines Gartendenkmales zum Reiterparcour oder einer Autorennbahn führt zweifelsfrei zu dessen Zerstörung und ist als Nutzung abzulehnen. Auch die Nutzung als Jahrmarktsfläche oder Oldtimerstandort mit tropfenden Ölwannen erschließt sich mit gesundem Menschenverstand nicht. Eine Nutzung im Rahmen festgelegter Regeln und einer verpflichtenden möglichen Sanierung von Nutzungsspuren führt insgesamt zur öffentlichen Integration des Kulturgutes ins heutige Bewusstsein sowie zur Akzeptanz und Forderung nach seinem Erhalt.
Frau Dr. Kerstin Appelshäuser - Walter aus Offenbach zeigte eindrucksvoll am Beispiel italienischer Gartenkunst, wie Ikonographie neben visuell erkennbaren geschichtlichen Garteninhalten vertiefende versteckte Informationen dem aufmerksamen Betrachter vermitteln kann und wie manch ein Bauherr seine individuelle Eitelkeit in bildlichen Darstellungen der Nachwelt vermachte bzw. offenbarte.
Ein aktueller Bezug zwischen Gartendenkmalpflege und heutiger Planung wurde anschließend im Vortrag von Frau Ulrike Kirchner geschaffen. Im Rahmen des Themas: Gartendenkmalpflege im Spannungsfeld aktueller Planung zeigte Frau Kirchner als verantwortliche Planungsleiterin der BUGA in Koblenz die Schwierigkeiten im Planungs- und Bauverlauf auf, wenn Gartendenkmäler in Gartenschauen integriert werden sollen oder müssen. Insbesondere das Koblenzer Schloss mit Vorplatz und Schlossgarten der Kaiserin Augusta, geplant von Peter Josef Lennè, zeigte die Schwierigkeiten auf, wenn Gartendenkmäler mit Anspruch auf Erhaltung Zeitdruck und heutigen modernen Gestaltungstendenzen gegenüberstehen.
Heutige Nutzungsansprüche wie Spielplätz und Skateranlagen werden im Trend der Zeit integriert. Temporäre versetzte und zeitlich eingeschränkte Grundlagenforschung bzw. Archivarbeiten führten durch- aus zu Überraschungen durch Gartendenkmalfunde während der Bauphase. Spontane Anpassungen der Planung bzw. Anpassungen der vorhandenen Gartenrelikte an die gewünschte Planungsidee entwickeln Spannungen in der Sichtweise, ein Gartendenkmal als Zeitzeuge seiner Zeit in Gänze zu sanieren.
Bei restriktiver Betrachtung und Einhaltung vorhandener Gesetzesgrundlagen könnte dem Gedanken, ein Gartendenkmal sei in Koblenz in seiner ursprünglichen Bedeutung nicht gewürdigt worden, gefolgt werden.
Insgesamt zeigte sich die Spannungsproblematik zwischen aktueller Planung und Gartendenkmal am Beispiel des Gartendenkmales am Schloss als ein in sich nach Außen stimmig wirkendes Konstrukt, dass aber für den konservativ orientierten Gartendenkmalpfleger die Würdigung der Planungsidee Lenné und seiner damaligen Umsetzung vermissen lässt.
Spannend zeigte sich der Vortrag - Recht des Gartendenkmals auf Bestand Immer - unumstößlich, Gestern - Heute und Morgen von Prof. Dr. Ernst Rainer Hönes / Mainz.
Das ein vom Titel her eher trockenanmutendes juristisches Thema mit Witz, Poesie und Anekdoten sowie interessanten Bildern die nach dem Mittagessen in sich ruhenden Zuhörer sprichwörtlich vom Hocker riss, war eine Erfahrung, die bei Veranstaltungen selten erlebt wird. Der obligatorische Tiefpunkt wurde ein Höhe Punkt.
Am Zitat "Wanderer, achte Natur und Kunst und schone ihre Werke" machte Hönes deutlich, dass das 200 Jahre alte Credo des Fürsten Franz auf dem Warnungsaltar im Dessau - Wörlitzer Gartenreich ein erster gemeinsamer Ausruf zum Erhalt der Natur und der Kunst war. Gartendenkmalpflege und Naturschutz haben gemeinsame Wurzeln und sind in sich verwandt. Hönes arbeitete heraus, dass die Behandlung eines Gartendenkmals über die geschichtliche Entwicklung des Denkmalschutzes als Bestandteil des Verfassungsrechtes, über spezielles Denkmalschutzrecht mit der Definition eines Kulturdenkmals, mit dem Prozess seiner Unterschutzstellung und seinen sich hieraus ergebenden Verpflichtungen verlaufen muß, und endete mit dem Aufruf, dass alle Beteiligten, ob Verwaltung oder Eigentümer, nur gemeinsam die Bedingungen zum Erhalt und der Pflege eines Denkmals erarbeiten und bewahren können.
Ausgehend vom Aufruf des Fürsten Franz können sich in heutiger Zeit aufgrund bestehender Naturschutzgesetzte insbesondere im Rahmen von Sanierungen zwischen Gartendenkmalpflege und Naturschutz Spannungspotentiale ergeben. Falsch verstandener Naturschutz kann durchaus die Bewahrung und Restaurierung eines Gartendenkmals behindern. Europäische Vorgaben berücksichtigen in der Umweltverträglichkeitsprüfung die Wechselbeziehungen und Wirkungen zwischen den Schutzgütern Mensch, Tier, Pflanze, biologische Vielfalt, Boden, Wasser, Luft, Klima, Landschaft und Kulturgüter. Nationale Gesetze weisen hier noch Defizite auf.
Der erste Seminartag fand seine Abrundung in dem Vortrag - Historische Parkanlagen und heutige Eventkultur. Welche Nutzung verträgt Gartenkunst? von und mit Frau Dr. Kerstin Walter vom Landschaftsverband Rheinland (LVR).
In der heutigen Event - Kultur werden kommerzielle Großveranstaltungen vorwiegend gerne im historischen Ambiente einer Park- oder Schlossanlage durchgeführt. Unabhängig von der vorhandenen kleindimensionalen Infrastruktur aus Wegen und Aufenthaltsräumen werden Open - Air Konzerte, Theatervorführungen, Ausstellungen oder Märkte im Sinne kommerzieller Massenveranstaltungen durchgeführt, die letztendlich eine Gartendenkmalanlage überlasten und schädigen.
In diesem Spannungsfeld zwischen Bewahrung des Denkmals und kommerzieller Nutzung steht die Denkmalpflege, die als "Hüterin" des Kulturgutes vor, während und nach Veranstaltungen Regeln, Forderungen und Prüfungen aufstellen und durchführen muss, so dass eine Veranstaltung in einem Gartendenkmal im Nachhinein keine Beeinträchtigung des Denkmales zur Folge hat.
Der zweite Tag begann mit einer Beschreibung der Planung und Bauausführung der Probstei Johannesberg / Fulda aus der Zeit um 1732. Herr Peter Jordan beschrieb die Schwierigkeiten, die während der Grundlagenforschung aufgrund unzureichender Unterlagen auftraten, so dass sich das ehemalige Bild der Anlage nur Stück um Stück ermitteln ließ. Probleme und Anpassungen ergaben sich hier mit den Fragen des Naturschutzes ebenso wie mit der Organisation von Fördermitteln sowie bei der Verwendung von geeignetem, dem historischen Vorbild angelehntem Material.
Nach einer Stärkung ging es anschließend an den Ort des Geschehens, wo sich Planung und Sanierung am Hang des Johannisberges nachvollziehbar im Sinne der Gartendenkmalpflege anschmiegen.
Mit dem praxisbezogenen Teil endete das diesjährige Seminar der AGS zum Thema Gartendenkmalpflege. 2012 findet im September eine Fortsetzung statt.