Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

In keinem anderen Lebensraum geht die Artenvielfalt in Deutschland so stark zurück wie in der Agrarlandschaft. Mit welchen Maßnahmen Blütenbestäuber geschützt werden können und wie beispielsweise Obstbaubetriebe davon direkt profitieren, das zeigen zwei Projekte im Bundesprogramm Biologische Vielfalt.

Obstbauer Erhard Karrer und Prof. Beate Jessel in der Apfelanlage (Foto: BfN)

In den beiden Vorhaben, die BfN-Präsidentin Beate Jessel gemeinsam mit den Beteiligten in der Nähe des Bodensees besichtigte, arbeiten Landwirte und Landwirtinnen mit Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Naturschutz zusammen, um Lebensräume für blütenbestäubende Insekten zu erhalten und neu zu schaffen. Die beiden Vorhaben werden mit Mitteln des Bundesumweltministeriums gefördert und inhaltlich vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) begleitet.

„Naturschutz und Landwirtschaft sind gemeinsam gefragt, wenn es darum geht, in der Agrarlandschaft ganz gezielt für Insekten Räume zu schaffen, in denen sie sowohl Nahrung als auch Nistgelegenheiten und Lebensraum finden“, sagte Prof. Beate Jessel bei dem Besuch einer Wildbienenweide in Obergailingen. „Blühwiesen mit einem breiten Spektrum einheimischer Wild- und Kulturpflanzen sollten wieder selbstverständlich in das Bild einer agrarwirtschaftlich geprägten Landschaft gehören, ebenso wie auf mehrere Jahre angelegte Brachen.“
In keinem anderen Lebensraum geht die Artenvielfalt in Deutschland so stark zurück wie in der Agrarlandschaft. In Bermatingen-Ahausen und in Gailingen engagieren sich die Besitzerinnen und Besitzer der Projektflächen deshalb gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Naturschutzverbänden und dem BfN, um diesem Trend etwas entgegenzusetzen – beispielsweise mit Hilfe von Blühstreifen, Wildbienenweiden, Nisthügeln für Wildbienen sowie Schulungsmaterialien, die für die Ausbildung von Wildbienensachverständigen erarbeitet werden.

Mit Erfolg: So konnte der Bioland-Obsthof Karrer in Bermatingen-Ahausen dank seiner Blühstreifen in der Apfelanlage die Anzahl der Nützlinge in seinen Obstanlagen steigern. „Durch die Blühstreifen hat sich die Insektenvielfalt in unseren Anlagen deutlich erhöht“, sagte Sprecher Erhard Karrer beim Besuch von BfN-Präsidentin Jessel im Bodenseekreis. Das zeigt sich nicht nur am zunehmenden Summen zwischen den Apfelbäumen: „Im letzten Jahr hatten wir nach dem Blütenfrost starken Blattlausbefall. Die Blühstreifen haben Nützlinge gefördert, die den Schaden in Grenzen hielten.“

Seit zwei Jahren läuft das Projekt „Potenziale und Praxisprogramm zur Erhöhung der ökologischen Vielfalt in Erwerbsobstanlagen und Streuobstwiesen“, das vom Bund mit insgesamt 4,9 Millionen Euro gefördert wird. Ziel ist es, die biologische Vielfalt in den traditionellen Obstbaugebieten Deutschlands langfristig zu steigern. Teilprojekte werden seit Juli 2016 auch in Südbaden, im Neckarraum, in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, an der Niederelbe / Altes Land und in Sachsen durchgeführt. Die sechs Bundesländer Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg und Sachsen beteiligen sich an der Förderung.

Begleitet von Vertreterinnen und Vertretern aus den Projekten sowie den Eigentümern der Flächen informierte sich Beate Jessel im Anschluss zudem auf den Flächen des Projekts „BienABest“ im Landkreis Konstanz über den aktuellen Stand des Vorhabens. Wildbienenweiden und Nisthügel für Wildbienen haben die Projektbeteiligten angelegt.

„Erste Auswertungen zeigen, dass auch seltene Bienenarten dieses Nahrungsangebot nutzen. Ein Beispiel dafür ist die Gebänderte Pelzbiene (Anthophora aestivalis). Sie profitiert hier insbesondere vom Wiesen-Salbei“, sagte Projektkoordinator Hans Richard Schwenninger von der Universität Ulm vor einer der drei Wildbienenweiden, die im Oktober 2017 in Obergailingen ausgesät wurden. An insgesamt 20 Standorten auf Ackerflächen in Deutschland sind derartige BienABest-Wildbienenweiden mittlerweile zu finden. An jedem Standort wurden zudem Nisthügel für Wildbienenarten, die im Boden nisten, angelegt. Darüber hinaus sollen in dem Vorhaben unter anderem eine bestandsschonende Methode für die Erfassung von Wildbienen standardisiert werden. Der erste Entwurf einer VDI-Richtlinie wird derzeit diskutiert.

Eines ist den beiden Projekten „BienABest“ und „Erhöhung der ökologischen Vielfalt in Erwerbsobstanlagen und Streuobstwiesen“ gemeinsam: Sie zeigen, wie Landwirtschaft und Naturschutz voneinander profitieren können. Und sie bringen Akteure aus verschiedenen Bereichen zusammen: „Wir brauchen solche Kooperationen von (Land-)Wirtschaft, Naturschutz, Wissenschaft und Verbänden, um den Schutz der Bestäuber- und Artenvielfalt gemeinsam voranzubringen“, so BfN-Präsidentin Jessel. Die Förderung von Modellprojekten zum Schutz von Insekten und ihrer Artenvielfalt im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt ist ein wichtiger Baustein des „Aktionsprogramms Insektenschutz“, dessen Eckpunkte die Bundesregierung im Juni 2018 beschlossen hatte. Im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt des Bundesumweltministeriums ruft das BfN deshalb dazu auf, noch bis Januar 2019 Projektskizzen zum Schutz von Insekten und zur Förderung der Insektenvielfalt einzureichen.

 

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