Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

Horizontalwachsende Bäume auf einem vertikalen Garten: Fassadengarten der Universität Hohenheim mit drei waagrecht rotierenden Bäumen zieht um an den Rotebühlplatz.

Der vertikalen Garten des Hohenheimer Startups Visioverdis | Bildquelle: Universität Hohenheim/Corinna Schmid

An diesem Anblick gewöhnt man sich wohl nicht so schnell: Am VHS-Gebäude auf dem Rotebühlplatz in Stuttgart entsteht vom 4. bis zum 6. Mai der vertikale Fassadengarten des Hohenheimer Startups Visioverdis. Visioverdis zielt auf eine innovative Begrünung von Städten und Mega-Citys ab: Wo Platz für Parks fehlt, können grüne Gebäudefassaden etabliert werden. Dabei reicht der positive Effekt weit über die Ästhetik hinaus: Diese Pflanzenwände wirken als Lärmdämpfer, binden Kohlenstoffdioxid, verbessern die Luftqualität und haben im Sommer eine kühlende Wirkung. Bis März 2020 war die Installation auf dem Campus der Universität Hohenheim in Stuttgart zu bestaunen. Jetzt soll sie dauerhaft in der Stuttgarter Innenstadt bleiben.

Zum 200. Universitätsjubiläum stand die Pflanzenfassade mit 3 waagrechten, rotierenden Bäumen auf dem Hohenheimer Campus. Nun steht der Umzug zum Rotebühltreff am Rotebühlplatz an. Die Stadt Stuttgart hat die 8,50 Meter lange und 3,50 Meter breite Garteninstallation gekauft. Diese soll nun auf zehn Meter Höhe freihängend installiert werden.

„Das Bedürfnis, Großstädte begrünen zu wollen, wächst stetig. Nicht nur die Stadt Stuttgart, sondern auch Firmen aus anderen Städten und aus dem Ausland kontaktieren uns“, sagt Dr. Alina Schick, Gründerin und Geschäftsführerin von Visioverdis.

Das Besondere des Fassadengartens besteht darin, dass die Ligusterbäumchen rotieren: Durch die Rotation verändert sich für die Pflanzen die Schwerkraft- und Lichtwahrnehmung, sodass diese stets horizontal wachsen. Pro Minute sind es zwischen 0,1 und 1,6 Umdrehungen. Zudem bleiben die Bäume klein, es wachsen dafür mehr grüne Blätter als bei der herkömmlichen Pflanzung.

Autonome Pflanzen mit sensorgesteuerter Bewässerung

GraviPlant nennt Visioverdis diese Idee, um Großstädte mit wenig Raum zu begrünen. Seit 2011 forscht Dr. Schick an den waagerecht wachsenden Pflanzen und entwickelte ein Technologie-Konzept: Die Fassaden sind mit LAN, Wasser- und Stromleitung verbunden, sodass die Pflanzen automatisch versorgen werden. Sensoren steuern Bewässerung, Rotation und LED-Beleuchtung.

Hinter Visioverdis Philosophie steckt die Gestaltung eines modernen, attraktiven Stadtbilds, vor allem aber die Verbesserung der Luftqualität: Mehr Pflanzen filtern mehr Schadstoff und produzieren zusätzlichen Sauerstoff. GraviPlants könnten deshalb vor allem für die Mega-Citys im asiatischen Raum eine Lösung sein.

Grüne Klimaanlagen mit geringem Energiebedarf

„Das botanische Potential der Pflanzen wird oft vergessen. GraviPlants sind omnipotent, also echte ‚Allrounder’: Im Vergleich zu Klimaanlagen, benötigen sie weniger Energiekosten, bezwecken neben der Fassadenkühlung aber auch Luftreinigung, fungieren als Feinstaubfilter und haben einen ästhetischen Anblick,“ sagt Schick.

Die promovierte Agrarwissenschaftlerin und Gravitationsbiologin hat sich bereits 2009 mit der Schwerkraftwahrnehmung von Pflanzen auseinandergesetzt, indem sie Pflanzen mit Hilfe von Waschmaschinenmotoren drehte. Obwohl es bereits jahrzehntelange Forschung im Bereich Gravitation und Pflanzen gibt, ist Visioverdis in seiner Branche Vorreiter.

Oberbürgermeister Fritz Kuhn freut sich über die Verschönerung auf dem Rotebühlplatz: „Die Stadt wird im Sommer heißer, sodass wir zur Kühlung mehr Grün ausbringen müssen. Mich freut besonders, dass wir für den Fassadengarten eines Stuttgarter Start-Ups einen so prominenten und geeigneten Standort am Rotebühlplatz gefunden haben.“

Bereits auf dem Campus der Universität Hohenheim sorgte der vertikale Garten für Aufmerksamkeit und Reflexion über grüne Stadträume. Dr. Schick hofft auf eine ähnliche Reaktion bei den vorbeigehenden Bürgern in der Innenstadt.

Von: 

 

Empfohlene Inhalte für Sie: