Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

Eine erneute Umsatzsteigerung des Garten-, Landschafts- und Sportplatzbaus von 4 Prozent in Baden-Württemberg auf 2,01 Milliarden Euro spricht für ein gutes Jahr 2023. Die tatsächliche Ertragslage relativiert jedoch die Steigerung.

Martin Joos, Vorstandsvorsitzender

Uschi App, stellv. Vorstandsvorsitzende

Erhard Schollenberger, stellv. Vorstandsvorsitzender (Bilder: VGL B-W)

„Bauen mit Grün! Bauen für die Zukunft von Morgen, das ist der Slogan unserer Branche“, eröffnet Martin Joos, Vorstandsvorsitzender des Verbands Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Baden-Württemberg e.V. (VGL) das Pressegespräch. „Klimafit, nachhaltig, naturnah, biodivers und grün-blau sind die Adjektive, mit denen wir den klimatischen Herausforderungen begegnen. Der Garten- und Landschaftsbau bietet eine große Bandbreite an Maßnahmen, die mittlerweile durch aktuelle staatliche Förderprogramme unterstützt werden und dem Gemeinwohl dienen. Jetzt gilt es, diese Milliarden, die wir gefordert haben, sinnvoll einzusetzen“, fordert Joos auf.

Rückblick
Die 2,01 Milliarden Euro Gesamtumsatz des Garten-, Landschafts- und Sportplatzbaus in Baden-Württemberg im Jahr 2023 entsprechen einer Steigerung von 4 Prozent. Im VGL sind derzeit 810 Fachbetriebe organisiert.

„Der Rückgang ist in erster Linie durch altersbedingte Betriebsaufgaben, zu erklären“, so Bierig. Die Zahl der Ausbildungsverhältnisse ist etwas gesunken und mittlerweile wieder auf „Vor-Corona-Niveau“. „Die Zahl der Ausbildungsbetriebe steigt und die Zukunftsaussichten in der Branche sind nicht nur vielfältig, sondern bieten eine sehr hohe Job- und Weiterbildungssicherheit“, skizziert Bierig.

Die Anzahl der gewerblichen Arbeitnehmer/-innen ist mit 15.050 leicht gestiegen. Geringfügig verschoben haben sich die Umsatzanteile: Die privaten Auftraggeber/-innen lagen 2023 bei 61 Prozent. Der Nachfragedruck im Privatgartenbereich erlangt das Normalmaß wie vor der Pandemie. Der gewerbliche Wohnungsbau bleibt mit 10 Prozent auf niedrigem Vorjahresniveau. Die Aufträge der öffentlichen Hand sind auf 19 Prozent gestiegen. Die Investitionen der Industrie stagnieren mit 6 Prozent auf Vorjahresniveau.

Ausblick auf 2024
Aktuelle Konjunktur und Entwicklung Die Märkte verändern sich schneller als erwartet. „Noch ist die Nachfrage nach unseren Dienstleistungen hoch, doch die katastrophale Lage der Baukonjunktur bekommt unsere Branche mit Zeitversatz zu spüren“, beschreibt Bierig. Den Investoren fehlt die Orientierung sowie die Sicherheit beim Wirtschaftsstandort Deutschland, das Produktionsklima wird rauer, der Wohnungsbau ist eingebrochen. Mit Spannung erwartet die Branche den neuen Trend der Verschmelzung von Luxus und Nachhaltigkeit – neudeutsch „Nachhaltige Luxurisierung“. Praktische Beispiele sind ein mit Photovoltaik beheizter Pool inkl. Wärmerückgewinnung, der Urlaub im eigenen Garten ohne Anreise, die Verwendung nachhaltiger Materialien wie Recycling-Baustoffe, das Upcycling wertvoller Baumaterialien und der Verzicht auf Produkte mit zu hohem CO2-Fußabdruck.

„Gärten bauen nachgewiesenermaßen Stress ab, sie sollte es eigentlich von den Krankenkassen auf Rezept geben, ich glaube, wir sollten dringend mit Karl Lauterbach ins Gespräch kommen“, lacht Bierig. Städte und Kommunen sollten sich Gedanken machen, ob Rasenflächen noch zeitgemäß sind oder ob sich diese durch trockenheitstolerante Staudenflächen mit Artenvielfalt ersetzen lassen. „Straßenbegleitgrün, Verkehrsinseln sowie die Gestaltung von Parks und Freizeitflächen sind ebenfalls neu zu überdenken“, gibt Bierig mit auf den Weg.

Dienstleistungen für natürlichen Klimaschutz
Es ist davon auszugehen, dass auch im Garten- und Landschaftsbau die Umsätze nicht mehr in den Himmel wachsen. „Doch was wir haben, sind zukunftsfähige Produkte für den Umbau zu klimaresilienten Städten“, beschreibt der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Erhard Schollenberger. Das Kompetenzzentrum Natürlicher Klimaschutz (www.kompetenzzentrum-nk.de) berät beispielsweise Kommunen für Siedlungs- und Verkehrsflächen und kennt das passende Förderprogramm. Unter die aktuellen Förderprogramme fallen Maßnahmen des Klimaschutzes auf Betriebsgeländen sowie Maßnahmen von Städten und Gemeinden, die Grünflächen schaffen und die Artenvielfalt unterstützen wollen. Die KfW-Bank fördert bei gewerblichem Grün mit einem Tilgungszuschuss von bis zu 60 Prozent.

Weitere Fördermittel: 4 Milliarden Euro über das ANK mit „Stadtnatur stärkt Stadtgrün“ und Fördermitteln für Solargründächer – bis 2026 abrufbar. 790 Millionen Euro/Jahr: drei Programme zur Städtebauförderung. Voraussetzungen: Klimaanpassung mit Stadtgrün. 476 Millionen Euro/Jahr für die Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur. 50 Millionen Euro/Jahr als Innenstadtförderung bis 2025. „Alle Investitionen in eine grüne Stadtentwicklung dienen dem Gemeinwohl“, erläutert Schollenberger, der auf ein vereinfachtes Handling hofft.

Stadtgrün wirkt!
Die BGL-Broschüre „Stadtgrün wirkt“ zeigt, dass die Zukunft in der Verknüpfung von blauen und grünen Strukturen liegt. Das vor Ort gespeicherte oder gesammelte Niederschlagswasser steht dann für die Bewässerung der Dach- und Fassadenbegrünungen, der Grünflächen und der Stadtbäume zur Verfügung. Die Verdunstungskälte von Pflanzen zur Kühlung des urbanen Lebensraums wird immer wichtiger. Jahrzehnte alte Stadtbäume, aber auch Dach- und Fassadenbegrünungen leisten hierzu einen enormen Beitrag. Zugleich bieten alle Grünflächen Lebensräume für Tier- und Pflanzenarten. „Dies zeigt, dass die Stadt- und Quartiersentwicklung völlig neu gedacht werden muss“, zeigt Schollenberger auf.

Forderungen an die Politik
„Es gibt viel zu wenige bezahlbare Wohnungen und viele Kommunen sind zudem nicht in der Lage, die Flächennachfrage von Gewerbetreibenden zu bedienen. Die Forderung einer „Null-Flächenversiegelung“ halten wir für unrealistisch. Bauen mit der Vorgabe, die hohen Ansprüche naturverträglichen Bauens zu erfüllen, wäre aus unserer Sicht das Mittel der Wahl“, erläutert Vorstandsvorsitzender Martin Joos eindrücklich. „Deshalb formulieren wir folgende Forderungen an die Politik:

Forderung I: Grüne nachhaltige Wohngebiete und grüne nachhaltige Gewerbegebiete fördern das Gemeinwohl hinsichtlich Klima, Luft, Biodiversität und Artenvielfalt! Für diese Leistungen braucht es geeignete Förderprogramme und einen politischen Konsens!
Forderung II: Wir brauchen eine Entsiegelungskampagne! Überall dort, wo versiegelte Flächen „aufgebrochen” werden, entsteht neues Leben. Die existierenden Förderprogramme sind zu vereinfachen. Unternehmen, die Geld in die Hand nehmen, um das Gemeinwohl zu stützen, müssen mittels Abschreibungen, Förderungen etc. belohnt werden.
Forderung III: Wir benötigen dringend eine verlässliche unterstützende Politik – auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. Der Abbau unsinniger bürokratischer Auflagen mit Nachweis-, Dokumentations- und Meldepflichten bindet viel zu viele menschliche sowie zeitliche Ressourcen. Besonders kleinere Familienbetriebe verlieren die Lust und die Motivation am Unternehmertum. Das Resultat sind mehr und mehr Betriebsaufgaben sowie einhergehend eine Schwächung unserer Wirtschaft!“

Perspektive
Der Blick in eine klimaresiliente Stadt: Das gesamte Niederschlagswasser wird durch ein umfassendes Regenwassermanagement vor Ort gespeichert oder versickert. Neue Gebäude sind mit einem begrünten Retentionsdach inklusive Photovoltaikanlage ausgestattet. Die konsequente Fassadenbegrünung der Gebäude verhindert das Aufheizen, steigert die Verdunstungsleistung und hilft bei der Kühlung. Es entstehen wertvolle Hot Spots für mehr Artenvielfalt. Park- und Freizeitanlagen sind Wasserspeicher, ähnlich einer Schwammstadt und dienen dem Ausgleich der Bewohner. Dabei bilden sie wichtige Frischluftschneisen. Sport- und Spielplätze sind ein entscheidender Schlüssel für Gesundheitsvorsorge sowie Kinder- und Jugendarbeit. Pikoparks fördern die Integration alter und sozial schwacher Menschen.

Highlight: Gartenschau Wangen 2024
Gartenschauen sind geniale Instrumente, wenn es um nachhaltige Stadtentwicklung geht. Sie sind ein riesiger Imagegewinn mit positiven klimatischen Auswirkungen. „Für unseren Berufsstand sind sie eine hervorragende Plattform, um innovative Ideen in Sachen Wohlfühlen im Garten sowie Klimafitness und nachhaltige Stadtentwicklung zu präsentieren. Beide Punkte setzen regionale Garten- und Landschaftsbauunternehmen aus Bayern und Baden-Württemberg auf der „Allgäuer Landesgartenschau“ in Wangen um, die am 26. April 2024 ihre Tore öffnet und bis zum 6. Oktober vollen Genuss für alle Gartenliebhaber/-innen und Erholungssuchende bietet. Hier präsentieren 10 Unternehmen 10 traumhafte Gärten“, beschreibt die stellvertretende Vorstandsvorsitzende Uschi App.

Allgäuer Schaugärten an der Argen – beständig. bunt. begeisternd
„Kunter, bunter, munter“ lautet das Motto der Wangener Gartenschau. „Beständig, bunt, begeisternd“ umschreibt die Schaugärten der Landschaftsgärtner in Wangen im Allgäu sehr treffend. Direkt an der Argen geht es um Entsiegelung, Recycling-Materialien, Regenwassermanagement, Ressourcenschonung, klimafitte Pflanzungen mit Klimabäumen und Gründächer mit Photovoltaik – und dabei kommt das pure Gartenvergnügen weder optisch noch genusstechnisch zu kurz“, freut sich App.

Ausblick Gartenschau 2025
Im Jahr 2025 begrüßen Freudenstadt und Baiersbronn zur Gartenschau. Das verbindende Forbachtal wird auf seiner Länge von acht Kilometern zum Urschwarzwälder Gartenschaugelände. „Und natürlich sind auch unsere regionalen Garten- und Landschaftsbaubetriebe mit Traumgärten im Tal X mit dabei“, freut sich Uschi App. „Die Vergaben sind zurzeit bis in das Jahr 2036 gesichert, weshalb hier ein großes Dankeschön an unsere Landesregierung geht“, informiert App.

Anstehendes Verbands-Jubiläum
Im Jahr 2025 gibt es einen Grund zum Feiern: Der Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Baden-Württemberg e.V. feiert sein 50- jähriges Jubiläum. Die Vorbereitungen laufen bereits auf Hochtouren.

 

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