Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

Im heißblütig-fanatischen Argentinien wurde es vorgemacht. Die Boca Juniors haben seit einigen Jahren schon einen Friedhof für ihre leidenschaftlichsten Fans. Nicht in Barcelona, nicht in Neapel und auch nicht in Liverpool - ausgerechnet im unterkühlt-hanseatischen Hamburg-Altona entsteht jetzt das europäische Pendant.

In zwölf Monaten soll das Areal in der Grundanlage fertig gestellt sein und Platz für über 300 Gräber bieten. (Foto: BdF)

Der erste Spatenstich fand am 16. September 2007 in unmittelbarer Nähe zur Westtribüne der HSV-Arena statt.

Fans des Hamburger SV können sich hier mit allen Utensilien und Symbolen ihres Lieblingsvereins auf einem gesonderten Friedhofsareal beerdigen lassen. Sport- und Kulturressorts der gesamten Republik haben über dieses Projekt bereits berichtet und Analysen betrieben. Was waren aber die Motive der Initiatoren, der Hamburger Friedhofsgenossenschaft? Und welche Ideen und Ziele stehen hinter dem Vorhaben?

In zwölf Monaten soll das Areal in der Grundanlage fertig gestellt sein und Platz für über 300 Gräber bieten. Das Interesse seitens der Fans ist groß. Die Anmeldeliste liegt "deutlich im zweistelligen Bereich", so einer der Köpfe des Projekts, der Hamburger Friedhofsgärtner Lars Rehder, Vorstandsmitglied der Hamburger Friedhofsgärtnergenossenschaft und Sprecher des Bundes deutscher Friedhofsgärtner (BdF). Das Alter der Antragsteller liege zwischen 27 und 85. Angeblich sollen auch einige prominente Hamburger auf der Warteliste stehen. Es ist für Jeden etwas dabei. So wie es im Stadion Steh- und Sitzplätze gibt, so werden Einzelgräber wie auch Urnengemeinschaftsgräber mit Platz für 20 Urnen, also einen ganzen Fan-Club, angeboten.

Der HSV mache damit aber keinen Gewinn, erklärt Rehder. Es handelt sich ausdrücklich nicht um eine Privatisierung des Friedhofsgeländes. Zwar erhält der hanseatische Traditionsklub Lizenzgebühren für die Nutzung vereinseigener Symbolik wie etwa das Rautenzeichen, auf Grabmal, Grab und Sarg. Die Einnahmen aus diesem Geschäft fließen aber direkt wieder in die Wartung und Pflege der Friedhofsanlage.

Der Anstoß

Zusammen mit einem befreundeten Steinmetz und einem Architekten entwickelte Rehder vor etwas mehr als zwei Jahren den Plan. Ein Anruf beim HSV-Vorstand Christian Reichert, zuständig für Mitgliederbetreuung, genügte dann - und der Verein war mit großer Begeisterung dabei.

Rehder kam die Idee, als er von Kunden seiner Friedhofsgärtnerei des Öfteren den Wunsch zu hören bekam, möglichst in Nähe des Stadions begraben zu werden. Diesen Anstoß verband der 35-Jährige mit seinen Vorstellungen von einer ständigen Erneuerung der Friedhofs- und Grabgestaltung als Antwort auf gesellschaftliche Veränderungen wie Individualisierung und Mobilität, die die klassische Friedhofskultur in den letzten Jahrzehnten vor enorme Herausforderungen stellte. Neu aufgekommene Bestattungsformen wie Friedwälder, anonyme Bestattungen und Seebestattungen sind für Rehder nicht die Lösung. Der Friedhof sei als Ort der Erinnerung, als für jeden Trauernden immer zu erreichender Ort, als einzig möglicher Ort von sowohl gemeinschaftlicher als auch individueller Trauer ohne Konkurrenz. Auch auf die aktuellen und zukünftigen gesellschaftlichen Veränderungen werde der klassische Friedhof immer Antworten finden, ohne dabei seine Identität aufgeben zu müssen.

Das Spielfeld

Diese ständige Erneuerung sieht Rehder unter anderem durch den HSV-Friedhof belegt, was sich vor allem in der Gestaltung des Areals ausdrückt. Neue Gestaltungsplanung in Form eines natürlich anmutenden Landschaftsfelds wird dabei verbunden mit der Umsetzung des Gemeinschaftserlebnisses durch die gärtnerische Nachahmung eines Fußballstadions. Die Mitte des Areals wird ein "Spielfeld" einnehmen, das auf allen Seiten von terrassierten "Grabrängen" in Tribünenform umgeben wird. Den Eingang zum Areal wird ein stilisiertes Tor aus Spannbeton mit den Originalmaßen eines Fußballtores markieren. Eventuell werden "Pfosten" und "Latte" mit den Gedenktafeln für HSV-Ehrenmitglieder geschmückt sein. Die gesamte Anlage ist derart konzipiert, dass das Gemeinschaftserlebnis, dass der Verstorbene zu Lebzeiten in der Fußball-Arena hatte, auch über den Tod hinaus sichtbar wird.

Fußball: Leidenschaft über den Tod hinaus

Die Nähe des Friedhofs zum Stadion macht die Sache weltweit einmalig. Während der Friedhof der Boca Juniors in Buenos Aires fernab vom Spielbetrieb sprichwörtlich in der Pampa liege, könne der Angehörige hier vor und nach dem Spiel seinen Toten besuchen. Rehder: "Der Verstorbene kann so für den Trauernden in die Freude um einen Sieg oder den Schmerz um eine Niederlage mit einbezogen werden." Ein solches emotionales Erlebnis könne nur der Friedhof als gemeinsamer Ort bringen, da ist sich Rehder sicher. Dabei sind es keineswegs nur geschäftliche Interessen, die ihn leiten: "Zwei Aspekte haben mich ermuntert einen Friedhof für Fans zu initiieren. Es gibt Millionen Fußballfreunde alleine in diesem Land. Geht man aber über den Friedhof, merkt man nichts von dieser Leidenschaft aus den Leben der Verblichenen. Da sehe ich also Nachholbedarf. Zudem hat der Fußballfan durchaus auch eine Neigung zur Nostalgie, etwa in der Erinnerung an längst vergangene Glanzzeiten seines Vereins, und somit hat er wahrscheinlich mehr Zugang zum Thema Tod und Abschied als viele andere Menschen."

Noch haben keine anderen Bundesligisten ihr Interesse an einer Nachahmung des Hamburger Fan-Friedhofs angemeldet. Angesichts der Begeisterung der hanseatischen Fans wird dies aber nur noch eine Frage der Zeit sein. In den Chat-Rooms der HSV-Fansites wird das Thema lebhaft diskutiert, genauso im Stadion. Carsten Cache, mit Leib und Seele HSV-Fan, brachte die Gefühle der meisten Anhänger anlässlich des Spatenstichs auf den Punkt: "Wer die Raute wirklich im Herzen trägt, der wird dies auch bis zum Tod tun."

 

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