Das European Arboricultural Council (EAC) verlieh jetzt zum sechsten Mal den Titel European City of the Trees an eine europäische Stadt und würdigte damit nachahmenswerte Projekte und besondere Leistungen für Bäume an innerstädtischen Standorten.
In diesem Jahr entschied sich die Jury unter Vorsitz von Jan Goevert aus Deutschland für die südwestfinnische Stadt Turku, die zugleich im Jahr 2011 "Europäische Kulturhauptstadt" ist.
Bereits das Logo der "Turku 2011 Foundation", verantwortlich für die Veranstaltung des kulturellen Programms, erinnert zugleich an eine Flamme und an das Blatt eines Baumes. Die Farbe Rot steht nicht nur für das Feuer, sondern auch für die einmalige Herbstfärbung der südfinnischen Bäume und Wälder.
Ehrenurkunde an Turkus Mentor für Bäume überreicht
Die Preisverleihung fand in einer Feierstunde zum Abschluss der EAC-Hauptversammlung statt. Eigens dafür angereist war Marketa Pirklova, verantwortliche Dezernentin für internationale Zusammenarbeit, Kultur und Tourismus, aus Prag. Die Hauptstadt der Tschechischen Republik ist im vergangenen Jahr für ihre Verdienste um die Wiederaufforstung ihrer historischen Parkanlagen geehrt worden. Marketa Pirklova übergab die Ehrenurkunde an Jurkki Virtanen, den stellvertretenden Oberbürgermeister der Stadt Turku, den Mentor für Turkus Bäume.
Dass Bäume in Städten eine besondere Funktion und Berechtigung haben, ist dort jedem bewusst. Sie dienen der klimatischen Feinjustierung. An heißen Sommertagen ist ein Schattenplatz unter den Linden am Ufer des Aurajokis sehr begehrt. Außerdem führen die Bäume von den zahlreichen Brücken in Turkus Innenstadt stets den Blick auf den zentralen Dom. Sie sind also auch für die Architektur der Stadt prägend und essentiell.
Bäume zum Schutz für die Häuser
In Turku haben Bäume aber auch noch aus einem anderen Aspekt eine wichtige Rolle gespielt: In der Vergangenheit ist es dort aufgrund der Holzbauweise der meistens Häuser immer wieder zu teils verheerenden Bränden gekommen. Erst nach der Anpflanzung von Grenzbäumen zwischen den Häusern konnte das Übergreifen von Feuer auf benachbarte Gebäude eingedämmt werden. Die Grenzbäume wurden zum Opfer der Flammen, bevor Leib und Leben in Gefahr gerieten - der entscheidende Zeitgewinn im Kampf gegen die Flammen.
Älteste Lindenallee Finnlands wurde im Jahr 1637 gepflanzt
Zuletzt wurde Turku im Jahr 1827 fast vollständig zerstört. Unter der Regie des Architekten Carl Ludvig Engel wurde die Stadt systematisch rekonstruiert und sofort wieder aufgebaut. Zuerst Kirche, Rathaus und Markplatz, danach folgten die einzelnen Stadtviertel. Von Anfang an waren Parkanlagen und Bäume ein wichtiger Bestandteil von Engels Planungen. So entstanden Parkanlagen rund um den Dom und entlang der Ufer des Aurajokis. Ein Großteil der Bäume aus dieser Epoche ist heute noch vorhanden und prägt die Anlagen zwischen Dom und altem Rathaus.
Entlang des Aurajokis befindet sich die älteste Lindenallee Finnlands, die Erstbepflanzung erfolgte nachweislich im Jahre 1637.
Stadt unterstützt Eigentümer bei Pflege und Erhaltung ihrer Bäume
Der Grenzbaum, oft Gegenstand erbitterten Nachbarschaftsstreites, hat in Turku so manches Leben gerettet. In Zeiten des modernen Brandschutzes und der stetig steigenden Grundstückspreise wundert sich der aufmerksame Baumfreund über den Baumreichtum in der Stadt. In Turku hat man erkannt, dass Bäume ein Stadtbild unverwechselbar prägen können. Die Bäume Turkus erzählen von der wechselvollen Vergangenheit der Stadt. Heute ist der Baumbestand auf privaten Grundstücken besonders geschützt. Das Grünflächenamt der Stadt Turku unterstützt die Baumeigentümer auch finanziell bei der Pflege und der Erhaltung ihrer Bäume.
In Turku wachsen 40 Nadelbaumarten und 171 Laubbaumarten "Typisch Turku", sagt Aki Mannistö. Turkus Baumchef zeigt auf eine Baumkrone, die in der Straße Eerikinkatu zwischen den Häuserzeilen bis etwa zur Mitte der Straße ragt. "Diese Baumreihe wurde mit städtischen Mittel gepflegt." Sie gehört zu einem Privatgrundstück und besteht aus insgesamt fünf alten Spitzahornen quer zur Straße, die zwei Mehrfamilienhäuser voneinander trennt. Diese Bäume stammen noch aus der Zeit, in der Holz der wichtigste Baustoff war.
Die langfristigen Stadtentwicklungspläne sehen den Erhalt dieser typischen Straßenansicht vor. So ist es kein Wunder, dass in der Stadt 40 Nadelbaumarten und 171 Laubbaumarten vorkommen. Über 8.000 Bäume sind in einem städtischen Baumkataster mittlerweile erfasst. Bemerkenswert aus mittel- und südeuropäischer Sicht: Nicht eine einzige Platane ist in Turku zu finden. Die dazu passende Anekdote: "Es hat mal eine Platane der Sorte Stockholm in Turku gegeben. Die hat es aber nicht lange bei uns ausgehalten und ist eingegangen", resümiert Aki Mannistö und spielt auf das 19. Jahrhundert an, als Turku unter der Knute der schwedischen Truppen stand.
Heute ist Turku offiziell zweisprachig - gesprochen werden dort Schwedisch und Finnisch.
Historische Pläne als Grundlage für zukünftige Alleen
Die Begeisterung für Bäume ist in Turku auch gegenwärtig zu spüren. Im Jahr 2009 wurden am Aurajoki-Ufer Kischbäume unter großer Anteilnahme der Einwohner Turkus gepflanzt. Jeder Bürger durfte "seinen" Kirschbaum pflanzen, der ihm auf Kosten der Stadt zur Verfügung gestellt wurde.
Der alte Marktplatz vor den Toren des Domes ist heute ein vielbefahrener Verkehrsknotenpunkt mit angeschlossener Grünanlage und einem sehr alten Baumbestand. Diese Bäume werden nach und nach ersetzt, wenn die Standfestigkeit einer der alten Ulmen oder Buchen nicht mehr ausreicht. Auf mehreren Infotafeln wird das Konzept erläutert: Die ehemaligen Verkehrswege entlang des alten Marktplatzes sollen durch Baumpflanzungen wieder belebt werden. Historische Pläne sind die Grundlage für zukünftige Alleen, die zum Flanieren auf dem Platz zwischen dem altem Rathaus und Dom einladen sollen. Der Name Turku ist übrigens aus dem Russischen Wort Turgu (= Marktplatz) abgeleitet worden.