Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

Neben Halb- oder Hochstamm, Rosen und Klimabäumen sollten künftig auch Social Media, E-Commerce, Augmented Reality und Customers Journey zum Vokabular von Baumschulen und Gehölzvermarktern gehören. Die Folgen der zunehmenden Digitalisierung, die schwindenden Grenzen zwischen realen und virtuellen Lebenswelten und das damit einhergehende veränderte Käuferverhalten spüren auch die bayerischen Baumschulen: Denn der Onlinehandel verzeichnet auch in der grünen Branche einen jährlich steigenden Zuwachs und führt vor allem die nachwachsenden Zielgruppen nicht mehr in die stationären Läden.

Rund 250 Baumschulgärtner und angehende Gärtnermeister und Gartenbautechniker informierten sich am 24. Gehölztag in Veitshöchheim über die Herausforderungen und Möglichkeiten der Digitalisierung. (Bild: © Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, Veitshöchheim)

Die Branche steht vor einer neuen Zeitrechnung, aus der nur die als Gewinner hervorgehen werden, die sich den digitalen Herausforderungen stellen und auch bereit sind, eingelaufene Pfade zu verlassen und neue Wege zu gehen – Wege, die die Kunden schon längst für sich entdeckt haben. Rund 250 Baumschulgärtner informierten sich daher am 24. Baumschultag (Donnerstag, 22. Februar 2018) der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LGW) in Veitshöchheim über die Herausforderungen aber auch Chancen der Gehölzvermarktung 2.0.

Investition in die Zukunft

Eine praxisorientierte Forschungsarbeit mit – und vor allem für die bayerischen Gehölzvermarkter und Baumschulen: Auf rund 10 Hektar führt die LWG seit 1967 Versuchsreihen für Obstbau aber auch Baumschulen durch. Zu den Herzstücken des Versuchsbetriebes ´Stutel´ im unterfränkischen Thüngersheim gehört dabei auch der ´Zukunftswald´. Über 160 verschiedene Baumarten und -sorten werden dort auf ihre Klimastresstoleranz getestet, um die passenden Stadtbäume der Zukunft zu finden. „Mit der Modernisierung unseres Versuchsbetriebes setzt der Freistaat ein deutliches Zeichen für die Forschungsarbeit der LWG und ein klares Bekenntnis zu den bayerischen Baumschulen", betonte Dr. Herman Kolesch, Präsident der LWG, in seiner Begrüßung. So werden fünf Millionen Euro in den Neubau von Wirtschafts- und Bürogebäuden investiert und damit der räumliche Raum für eine zukunftsorientierte Forschung geschaffen. Dr. Kolesch bedankte sich bei den Berufsverbänden für deren aktive Unterstützung und gab zu bedenken, dass nach dem Neubau vor dem Neubau sei: Denn auch der dringend notwendige Neubau des Institutsgebäudes auf dem grünen Campus in Veitshöchheim stehe noch aus.

Ausbildung = Zukunft!

„Wenn Veitshöchheim ruft, kommt die Baumschulwelt nach Franken", so Michael Kutter, Vorsitzender des BdB-Landesverbandes Bayern e. V.. Er sah in der gut besuchten Veranstaltung eine große Wertschätzung und ein klares Bekenntnis für die Forschungsarbeit des Institutes für Erwerbs- und Freizeitgartenbau (IEF) der LWG. Die Veränderungen der Digitalisierung sah er aber nicht nur als Herausforderungen für die Baumschulgärtner, sondern vielmehr als Chance. Er rief die Unternehmer auf, neue Wege zu gehen, die eigene Zukunft aktiv zu gestalten und nicht anderen dabei zuzusehen. Gleichzeitig betonte er aber auch, dass die Zukunft nicht nur denen gehört, die den Weg ihrer Kunden gehen, sondern die mit Ausbildung und Weiterqualifizierung schon heute in die Mitarbeiter von morgen investieren. „Möchte man in Deutschland ein Meister oder Techniker mit dem Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau Schwerpunkt Baumschule werden, so ist die Staatliche Meister- und Technikerschule der LWG in Veitshöchheim dafür die erste Wahl", betonte Kutter.

Sich aus der Schockstarre lösen

Dass die Branche nicht nur vor einer bedeutenden Zeitwende steht, sondern sich vielmehr schon mitten darin befindet, machte auch der Vortrag von Engelbert Kötter, selbst ehemaliger Absolvent der Staatlichen Meister- und Technikerschule, deutlich. Bevor er einen Ausblick wagte, nahm er die Gegenwart der Branche ins Visier. Wie der Hase vor der Schlange: Kaputte Preise, völlig anders tickende Kunden und Zukunftsängste. „Viele Unternehmer sind ratlos und befinden sich in einer regelrechten Schockstarre. Daneben werden mit extremen Sparkursen oder der Verringerung der Anbauflächen genau die falschen Schritte unternommen", so Kötter. Auch neigen viele Unternehmen dazu, auf Altbewährtes zurückzugreifen. „Doch mit stationären Schauflächen oder Rabattaktionen ist in einem gesättigten und vor allem völlig anders funktionierenden Markt nichts mehr zu holen", brachte es Kötter unverblümt auf den Punkt. Vielmehr gehe es darum, die Möglichkeiten der digitalen Welt zu nutzen und damit die Kunden von morgen zu erreichen. Kunden, die es gibt und die nicht erst überzeigt werden müssen: Denn der Boom nach Grün ist nach wie vor vorhanden und nimmt weiter Fahrt auf.

Eine Homepage zu haben, ist der Anfang und schlicht Standard. Doch diese auch zu pflegen und zu einer virtuellen Erlebniswelt für den Besucher und damit für potenziellen Kunden zu machen oder einen Onlineshop mit einem scheinbar immer vollen Lager zu integrieren, das ist die Herausforderung. „Nur wer alle Kanäle nutzt, die vorhanden sind, und die Bedürfnisse seiner Kunden kennt, wird zu den künftigen Gewinnern gehören", so Engelbert Kötter. Auch müsse ein grundlegender Paradigmenwechsel in der Branche stattfinden: Denn Baumschulen wie auch Gartenbaubetriebe verkaufen nicht einfach Bäume und Pflanzen; sie verkaufen viel mehr Trends und Werte.

Mit einem Klick

Alexander Kelm vom Softwareunternehmen Green Solutions (Taspo-Gewinner 2017) stellte Marketinglösungen für Baumschulen vor und zeigt anhand von Beispielen auf, wie die Vernetzung von analoger und digitaler Welt gelingt. „Das stationäre und digitale Angebot dürfen nicht getrennt voneinander betrachtet werden, sondern müssen Hand in Hand miteinander arbeiten", betonte Kelm. Denn wenn das Interesse des Kunden in einer Onlinebestellung gipfelt, müssen auch die analogen Arbeiten im Hintergrund, wie Bereitstellung und Versand der Ware, reibungslos funktionieren. Auch sieht Kelm den stationären Handel als festes Fundament, der durch den digitalen Auftritt perfekt ergänzt und damit überhaupt erst in den Fokus der Kunden gerückt wird. Dies bedeutet aber auch, dass man sich handwerkliche Fehler im stationären Verkauf, wie das Fehlen eines Frühlingssortimentes, nicht mehr erlauben darf. Dass das Ende der digitalen Reise bei Weitem noch nicht erreicht ist, wurde bei einem Blick in die aktuelle Entwicklungsarbeit des Softwareunternehmens deutlich. So lässt sich via Smartphone-App auf die kahlen Stellen im Garten künftig mit wenigen Klicks der gewünschte Baum oder die im Shop ausgesuchte Bepflanzung setzen.

Cross Media aus der Praxis

Die Frage von Sabrina Nitsche, Autorin und Moderatorin des deutschlandweit erfolgreichsten TV-Gartenformates ´Querbeet´, welcher der anwesenden Tagungsbesucher einen Facebook-Account habe und Queerbeet schon gelikt hat, hatte ein spärliches Handaufzeigen zur Folge. Das Veitshöchheimer Eigengewächs nahm dies zum Anlass, um zusammen mit Tobias Bode Einblicke in das Format zu geben und deutlich zu machen, dass die Präsenz in den Sozialen Medien keine Frage, sondern vielmehr Pflicht sei. „Eine Sendezeit von 30 Minuten allen zwei Wochen bedeutet eigentlich, dass man gar nicht existiert", so Nitsche. Neben der Mediathek werden die Sozialen Medien nach dem Motto ´Querbeet erreicht jeden´ dazu genutzt, Gartenliebhaber jederzeit und überall zu erreichen. Ob lustige Outtakes, Kurzfilme oder Tutorials, im Mittelpunkt steht dabei die Kommunikation mit den Zuschauern: So werden von Sabrina Nitsche nicht nur die Kommentare, die auch mal negativ sein können, beantwortet, sondern auch Ideen für künftige Sendungen aufgegriffen.

Als Autorin des Blogs ´Gartenfräulein´ vereint Silvia Appel Passion und Profession und öffnet mit ihrem Blog anderen Menschen die Türe zum Gärtnern. Anhand ihres Blogs zeigte Appel auf, wie es gelingt, die Follower in ihre selbst geschaffenen grünen Erlebniswelten zu entführen und nachhaltig zu begeistern. Ein Ansatz, der auch im Gärtnereibereich immer wichtiger wird, um eine langfristige Kundenbindung aufzubauen, aber auch eine neue – und vor allem junge – Zielgruppe zu gewinnen.

Einblicke in Amazon & Co.

Am Nachmittag der Veranstaltung stellte Klaus Körber, IEF-Abteilungsleiter Technik und Unternehmensentwicklung, den Baumschulgärtnern den Handelsgiganten Amazon vor. Er beschrieb die Konzernentwicklungen mit Fakten und Zahlen und zeigte so die weltweit wachsende Bedeutung des Handels- und Logistikunternehmens auf. Seinen praktischen Test der Amazon Handelssparte ´Pflanzen´ stellte der angehende Baumschulmeister Felix Weber vor. Er hatte verschiedene Pflanzen über Amazon bestellt und beschrieb seinen Gärtnerkollegen die dabei gemachten Erfahrungen. Anhand der aufgeschlüsselten Preise seiner erhaltenen Lieferungen zeigte er auf, dass die über Amazon vertreibenden Gartenbaubetriebe letztlich nur etwa ein Drittel des Kundeneinkaufspreises als eigenen Umsatz erhalten. Baumschulbesitzer Christian Müller aus Mauer bei Heidelberg zeichnete dennoch ein positives Bild seiner Zusammenarbeit mit Amazon beim Vertrieb seiner eigenen Obstgehölz-Marke. Amazon werde vielfach bereits ähnlich einer Suchmaschine verwendet, was dazu beitrage, seine Marke bekannter zu machen. Müller sieht daher in der digitalen Vermarktung eine neue Möglichkeit, die den stationären Absatz ergänzt.

LWG-Referendarin Silke Borzym stellte mit Studierenden der aktuellen Baumschulklasse Wissenswertes zu den Themen Homepage, Onlineshops, Suchmaschinenoptimierung und Social Media vor. In Arbeitsgruppen hatten sich die Studierenden dafür mit jeweils einem Thema intensiv befasst. Dabei wurde deutlich, dass ein angepasster digitaler Unternehmens- und Handelsauftritt von Baumschulen unverzichtbar ist. Hinzu komme der Standard, digital unkompliziert mit den Betrieben kommunizieren zu können. Dabei gilt es, digitale Medien zu nutzen, um seinen Baumschulbetrieb einem breiten Publikum zugänglicher zu machen.

Praxis zeigt, wie´s geht

Über Social Media etwa gelänge es einfacher, mit Kunden in Kontakt zu bleiben, in ihnen die absatzfördernden Stimmungen der Jahreszeiten wachzuhalten und sie mit Einladungen zu Veranstaltungen zu erreichen. Zunehmend wichtig: Bilder und Videos mehr als Texte sprechen zu lassen – und die uneingeschränkte Benutzerfreundlichkeit all dessen, was Baumschulbetriebe ihren Kunden digital anbieten. Über den Online-Auftritt von Baumschulbetrieben hinaus sei auch der Online-Pflanzenverkauf zunehmend wichtig, resümierte Silke Borzym. Den dürfe man nicht den ´Big Playern´ allein überlassen. Zum Abschluss der Veranstaltung berichteten der Schweizer Baumschulunternehmer Roman Schwitter und die niederbayerische Baumschul-Gärtnermeisterin Elke Wimmer, Baumschule Patzelsberger, über ihre praktischen Erfahrungen, die sie mit der Digitalisierung ihrer Betriebe bzw. ihrem aktiven Engagement in den Sozialen Medien gemacht haben.

 

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