Pflanzen und Pflanzenteile

Last Chance für Tulpen

Das späte, kühle Frühjahr hat seine Auswirkungen auf den Blumenmarkt. Noch ist die Tulpe Nummer Eins - ein Sinnbild für den Frühling - aber in wenigen Wochen wird sie aus den Blumensortimenten verschwunden sein. Dann heißt es für die Tulpenfans wieder warten.

Theoretisch könnten die niederländischen Gärtnereien die Tulpen ganzjährig zur Blüte treiben, praktisch passiert dies allerdings kaum. Die Marktforschung hat gezeigt, dass Konsumenten die Zwiebelblume stark mit dem Frühjahr verbinden. Jeder, der im eigenen Garten oder im Topf auf dem Balkon aus im Herbst gepflanzten Blumenzwiebeln Tulpen kultiviert, weiß, dass kühles Wetter für die Langlebigkeit von Tulpen das Beste ist. So gesehen haben wir ein gutes Tulpenjahr, draußen wie drinnen. In der Regel geht die Schnitttulpensaison mit dem Muttertag, am 2. Sonntag im Mai, zu Ende. Wer glaubt, die Schnitttulpengärtner hätten dann Pause, der irrt. Die meisten der Tulpengärtnereien in den Niederlanden sind Mischbetriebe. Das heißt, sie bauen ihre eigenen Blumenzwiebeln im Freiland an - gepflanzt im Herbst - sie hegen und pflegen die Felder, um die Tulpenzwiebeln dann im Sommer zu ernten, zu sortieren, zu säubern und in Kühlzellen zu lagern, um sie ab November wieder zu pflanzen - diesmal ins Gewächshaus. An Pause ist kaum zu denken, denn auch innerhalb der Gewächshäuser geht die Arbeit weiter. Betriebe, die züchten, sich also um die konsequente Weiterentwicklung des Sortimentes bemühen, die kreuzen, selektieren und in langjährigen Prozessen neue Tulpen auf den Markt bringen, haben eigentlich nie Pause. Know-How und Technik Die meisten Tulpengärtnereien in den Niederlanden sind hocheffiziente Betriebe. Die handwerkliche Expertise geht einher mit modernster Technik und Automatisierung, mit energiesparenden oder energieerzeugenden Systemen. Keine Gärtnerei, die nicht längst Photovoltaikanlagen auf den Dächern hat, oder die sich nicht mit Energierückgewinnung und Energiespeicherung befasst. Eine dieser modernen Gärtnereien ist Vertuco in Nordholland. Dort beschäftigt sich Arjen Rood seit 1990 mit der Veredlung von Tulpen. Fünf Tulpengärtnereien haben sich zusammengeschlossen und arbeiten gemeinsam an der Verbesserung des Sortimentes. Man müsste meinen, das Tulpensortiment wäre längst ausgereift, aber offensichtlich gibt es immer noch Herausforderungen und das Sortiment braucht Verjüngung, da auch eine beliebte Sorte nicht über Jahrzehnte kultiviert werden kann. „Jede neue Tulpe, die wir auf den Markt bringen, muss besser sein, als das, was es schon gibt", sagt der passionierte Veredler im „allerheiligsten" Teil seines Gewächshauses, dem Veredlungsraum, wo die noch namenlosen Nummerierten in kleinen Partien in Pflanzkisten stehen. Das Wichtigste beim Veredeln sei das Wegwerfen, die Selektion, so Arjen. Nur wer sich von viel trennt, könne am Ende Besseres behalten. Gekreuzt wird mit viel Fingerspitzengefühl per Hand mit einem Pinsel. Dies geschieht in der zweiten Maihälfte, mit Blütenstaub von Tulpen, die im Freiland stehen. Blick für das Wesentliche Freilandtulpen entwickeln mehr Pollen als die Zwiebelblumen unter Glas. Bestäubt wird aber unter den sichereren Bedingungen im Veredlungsgewächshaus. Im Jahr eins nach der Kreuzung erinnert die neue Tulpe eher an Schnittlauch, aber schon in diesem Stadium wird selektiert. Der Spezialist weiß, wie sich eine gute Tulpe entwickelt. Bis zur ersten Blüte vergehen leicht fünf bis sieben Jahre und bis dahin ist viel selektiert und viel kompostiert worden. Züchtungsziel ist die Performance einer Tulpe als Schnittblume in der Vase. Stiellänge, Gewicht, Knospen- und Blütenform, Knospen- und Blütenfarbe, Gleichförmigkeit der Partie sind wichtige Kriterien. „Wenn wir zwei gefüllt blühende Tulpen miteinander kreuzen, dann liegt die Wahrscheinlichkeit bei 70 Prozent, dass wieder eine gefüllt blühende Tulpe herauskommt. Aber auch die Überraschungen, die daneben erscheinen, sind der Mühe wert und können sehr vielversprechend sein", weiß Arjen zu berichten und man glaubt ihm, dass ihm sein Beruf viel Freude macht. Insgesamt hat Vertuco bisher über 200 neue Tulpen mit eigenen Namen bei der KAVB (Königliche Allgemeine Vereinigung Blumenzwiebelkultur) registrieren lassen und auf den Markt gebracht, darunter sind auch beliebte, besondere Sorten wie die Gefransten. Übrigens ist der Beruf von Arjen Rood nichts für Menschen, die auf eine gute Work-Life-Balance Wert legen. Während der ganzen Blühsaison, von November bis Mai, ist Arjen täglich - auch samstags und sonntags - in seinem Gewächshaus, immer auf der Suche nach DER Bereicherung für das Sortiment. Im Mai wird dann bestäubt, danach entwickeln die Tulpen dicke Samenstände und das Roulette beginnt ... Wir haben vergessen, Arjen zu fragen, ob er seinen Beruf von künstlicher Intelligenz bedroht sieht, aber die Veredlung von Tulpen scheint ein sehr sicherer und ein sehr schöner Arbeitsplatz zu sein. Einmal noch Tulpenfreude Im Veredlungsgewächshaus herrscht übrigens eine ganz besondere Atmosphäre. Wie in einer hoffnungsvollen Brutkammer, die viel Schönes hervorbringt, das aber erst Jahre später in einem Frühjahr viele Menschen glücklich machen wird. Für 2024 ist die Tulpenzeit bald vorbei, also besser noch einmal zugreifen und Farbenfreude in die Vase stellen. Vielleicht sogar zum Muttertag oder einfach so - für sich selbst oder jemand anderen, den oder die man beglücken möchte. Quelle: GPP/TPN* *Tulpen Promotie Nederland, kurz TPN, ist eine Organisation, der etwa 375 niederländische Tulpengärtnereien angehören. Weitere Informationen: siehe Link
Zurück