Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

Forscherverbund unter Federführung der Universität Hohenheim erhält Förderung aus Landesprogramm „Regionale Forschungsallianzen“ / Projektpartner: Universität Tübingen und Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie Tübingen.

Förderung aus Landesprogramm „Regionale Forschungsallianzen“ (Foto: Uni Hohenheim)

Der Klimawandel setzt Züchter weltweit unter Zeitdruck: Über Jahrzehnte wurden Kulturpflanzen auf maximalen Ertrag getrimmt. Die Elite-Linien sind jedoch weniger anpassungsfähig gegenüber wechselnden Umweltbedingungen und haben an genetischer Vielfalt eingebüßt. Ernteerträge trotz zunehmender extremer Wettereignisse in Zukunft stabil zu halten, ist das Ziel einer neuen fach- und institutionenübergreifenden Forschungsallianz unter der Federführung der Universität Hohenheim. Die beteiligten Wissenschaftler wollen Technologiesprünge aus dem Bereich der molekularen Grundlagenwissenschaften erstmals systematisch für den praktischen Züchtungsprozess nutzbar machen. Mit einer Fördersumme von 900.000 Euro unterstützt das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) das neu gegründete Forschernetzwerk. Die Universitäten Hohenheim und Tübingen sowie das Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie Tübingen steuern als Projektpartner zusammen ebenfalls rund 900.000 Euro aus eigenen Mitteln bei.

Den Bedarf an Nahrungsmitteln der wachsenden Weltbevölkerung nachhaltig zu stillen und gleichzeitig Rohstoffe für eine sich entwickelnde Bioökonomie bereitzustellen, wird eine immer größere Herausforderung.

Jahrelang war das Ziel von Pflanzenzüchtern die Ernteerträge immer weiter zu steigern. Heute jedoch ist der Klimawandel die größte Herausforderung für die Pflanzenzucht. Gefragt sind Kulturpflanzen, die auch bei zunehmenden Extremwettereignissen wie Hitzewellen und langanhaltenden Trockenheitsperioden zuverlässige Erträge liefern.

Das Problem ist jedoch, dass moderne Hochleistungssorten im Lauf des Zuchtprozesses häufig bedeutende Gene und Gengruppen und damit Eigenschaften eingebüßt haben, die den Pflanzen dabei helfen, sich gegen Stressfaktoren wie Trockenheit oder Schädlingsbefall zu wappnen.

Ein mögliches Gegenmittel besteht darin, Pflanzen mit wilden Vorläuferarten zu kreuzen, die diese Fähigkeiten noch besitzen. Um diese Arten zu identifizieren, nehmen die Züchter heute schon gezielt ihr Erbgut unter die Lupe. Mit Hilfe moderner Hochdurchsatzverfahren suchen sie bei der Auswahl der „Eltern“ nach auffälligen Stellen in der DNA, die mit den gewünschten Fähigkeiten in Verbindung gebracht werden. Trotz aller technologischen Fortschritte ist es jedoch nach wie vor vergleichsweise schwierig, den tatsächlichen Zuchtwert einer Pflanze vorauszusagen. Züchtungsprozesse dauern deshalb noch immer mehrere Jahre. Ob die bestehenden Methoden ausreichen, um mit dem Klimawandel Schritt zu halten, ist daher unklar.

Regionales Forschungsnetzwerk bringt Pflanzenzüchter und Molekularbiologen zusammen

„Der Zusammenschluss von Spitzenwissenschaftlern unterschiedlicher Richtungen ist notwendig, wenn wir die komplexe Problematik der weltweiten Ernährungssicherheit in den Blick nehmen“, sagt Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. „Ich bin sicher, dass diese regionale Forschungsallianz die Voraussetzungen mitbringt, um bahnbrechende Fortschritte bei der Sicherung stabiler Erträge im Pflanzenbau hervorzubringen“, sagt die Ministerin und ergänzt: „Jetzt wünsche ich auch noch das notwendige Quäntchen Glück dazu.

“ Einen Durchbruch versprechen sich Wissenschaftler von einem neuen Ansatz. Er soll molekularbiologische Erkenntnisse zur pflanzlichen Anpassungsfähigkeit und zu Adaptionsstrategien systematisch in die praktische Pflanzenzucht einbeziehen. Züchter sollen dadurch beispielsweise deutlich schneller optimale „Eltern“ für eine Kreuzung finden.

Unter der Federführung der Universität Hohenheim haben sich Wissenschaftler der Universität Tübingen, des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie, der Landessaatzuchtanstalt und der Universität Hohenheim zu einem neuen regionalen Forschungsnetzwerk zusammengeschlossen.

Mit finanzieller Unterstützung des Landes aus dem Programm „regionale Forschungsallianzen“ wollen die Wissenschaftler die Basis legen, um in Zukunft gemeinsame Verbundprojekte zum Themenfeld „Ertragsstabilität in dynamischen Umwelten“ auf den Weg zu bringen.

Zusätzlich zur Fördersumme von rund 900.000 Euro stellen die Projektpartner dazu ebenfalls Mittel in gleicher Höhe bereit.

Kluft zwischen Fachkulturen überwinden

„Tatsächlich hat sich das Wissen über die molekulargenetischen Grundlagen von bestimmten Eigenschaften einer Pflanze in den letzten Jahren vervielfacht. Die molekularbiologische Forschung an Modellpflanzen im Labor ist der an Nutzpflanzen jedoch außerordentlich weit voraus“, erklären Prof. Dr. Uwe Ludewig, Leiter des Fachgebiets Ernährungsphysiologie der Kulturpflanzen an der Universität Hohenheim und Sprecher des neuen Forschungsnetzwerks, und Prof. Dr. Klaus Harter, Ko-Sprecher der Initiative am Zentrum für Molekularbiologie der Pflanzen (ZMBP) an der Universität Tübingen.

„Im Unterschied zum Labor wirken auf dem Acker jedoch vielfältige Stressfaktoren, die im Zusammenhang erforscht werden müssen“, sagt Ludewig. „So können z.B. Trockenheit, Schaderreger und Parasiten ihre negativen Wirkungen auf den Ertrag gegenseitig verstärken. Andererseits kann der Stress, den Pflanzen durch Trockenheit oder Nährstoffmangel erleben, auch positive Effekte haben. So gibt es einzelne Pflanzenvarianten, die dadurch sogar resistent gegenüber Schädlingen werden.“

Die Herausforderung für das Netzwerk bestehe deshalb zunächst darin, Erkenntnisse aus Bereichen wie Genomik, Metabolomik, Proteomik oder Epigenetik auf die realen Bedingungen auf dem Feld zu übertragen. Anschließend gilt es diese Daten für den praktischen Züchtungsprozess nutzbar zu machen.

„Dieser interdisziplinäre Brückenschlag wird bereits seit Jahren eingefordert, bislang jedoch noch nirgendwo systematisch eingelöst. Wir leisten daher echte Pionierarbeit“, so Prof. Dr. Ludewig und Prof. Dr. Harter.