Fachzeitschrift für den Garten- und Landschaftsbau

Nach knapp einwöchigen Verhandlungen hat der Weltbiodiversitätsrat (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services, IPBES) in Bonn den Bericht „Invasive gebietsfremde Arten und ihre Kontrolle“ auf seiner zehnten Vollversammlung abschließend verhandelt und verabschiedet.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bild: Bundesregierung/Steffen Kugler)

Der Bericht analysiert den Wissensstand zu den Ursachen und Auswirkungen von invasiven gebietsfremden Arten nicht nur auf die biologische Vielfalt, sondern auch auf den Menschen. Invasive gebietsfremde Arten werden teils beabsichtigt, teils unbeabsichtigt über menschliche Aktivitäten, wie beispielsweise häufig über Transport oder Tourismus, eingebracht, breiten sich aus und sind einer der fünf wichtigsten Treiber des Biodiversitätsverlustes, die im globalen Bericht des Weltbiodiversitätsrates im Jahr 2019 identifiziert wurden. Unter anderem treten sie mit einheimischen Arten in Konkurrenz um Nahrung und Lebensräume, übertragen Krankheiten und können zum lokalen Aussterben von Arten führen. Das kann sich sowohl auf die Ökosystemleistungen auswirken als auch auf die Lebensqualität der Menschen. Der Politik gibt der Bericht wichtige Handlungsoptionen zur Prävention und zum Management von invasiven gebietsfremden Arten an die Hand. Welche Auswirkungen haben invasive gebietsfremde Arten auf die biologische Vielfalt auf globaler Ebene? Wie wirken sie auf die Leistungen der Ökosysteme, wie wirken sie auf die Lebensqualität der Menschen? Welche Möglichkeiten gibt es, diese Auswirkungen zu vermeiden oder zu reduzieren?

Bundesumweltministerin Steffi Lemke: „Unsere Natur ist nicht nur durch die Klima- und Verschmutzungskrise, die veränderte Landnutzung und -übernutzung bedroht, sondern auch durch invasive gebietsfremde Arten. Sie konkurrieren mit hiesigen Arten um Nahrung und Lebensraum, sie sind Fressfeinde von einheimischen Arten und können Krankheiten auf diese übertragen. So gefährden sie unsere biologische Vielfalt und Natur. Damit invasive gebietsfremde Arten nicht eingeführt werden oder sich über die Landesgrenzen hinaus ausbreiten können, ist eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit nötig. Prävention, Früherkennung und Management sind hierbei besonders wichtig. Die Erkenntnisse des neuen Berichts des Weltbiodiversitätsrates helfen uns, hiesige Arten besser zu schützen und damit auch die Ziele des globalen Naturschutzabkommens, das letztes Jahr in Montreal beschlossen wurde, umzusetzen.“

Invasive gebietsfremde Arten verursachen gravierende und teils irreversible Veränderungen der biologischen Vielfalt. Diese können regional sehr unterschiedlich ausgeprägt sein - Inseln sind hierdurch besonders stark negativ betroffen.

Die globalen Kosten für die negativen Auswirkungen sowie die Prävention und das Management invasiver gebietsfremder Arten belaufen sich auf über 423 Milliarden USD (in 2019). Alle 10 Jahre vervierfachen sich diese Kosten. Insgesamt stellt das Assessment fest, dass deutlich häufiger negative Auswirkungen von invasiven gebietsfremden Arten auf die Lebensqualität der Menschen dokumentiert wurden als positive.

Der Bericht zeigt aber auch konkrete Optionen auf, wie politische Entscheidungsträger*innen auf allen Ebenen reagieren können

Prävention und Management können die Zahl invasiver gebietsfremder Arten reduzieren und die Auswirkungen minimieren. Insbesondere Präventions- und Vorsorgemaßnahmen stellten sich dabei als am wirksamsten sowie auch am kosteneffizientesten dar. Beispielsweise im marinen Bereich spielt Prävention eine besonders zentrale Rolle, da spätere Kontroll- und Bekämpfungsmaßnahmen sehr oft erfolglos blieben – wie im Bericht dokumentiert wurde. Um die Gefährdungen durch invasive gebietsfremde Arten zu minimieren, sind Koordinierung und Mitwirkung aller relevanten Akteure international, regional sowie national und lokal ein Beispiel für wesentliche Hebel.

Auf europäischer Ebene wurden bereits im Jahr 2015 mit der EU-Verordnung über die Prävention und das Management der Einführung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten Regelungen geschaffen, die einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung negativer Auswirkungen dieser Arten leisten. Ein wesentlicher Punkt der EU-Verordnung (Nr. 1143/2014) ist die Erstellung eines Aktionsplans für die prioritären Wege und Mechanismen, mit denen invasive gebietsfremde Arten unabsichtlich eingeführt oder ausgebracht werden. Der Aktionsplan enthält Zeitpläne und Maßnahmen, mit denen die nicht-vorsätzliche Einführung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten in die und innerhalb der Europäischen Union verhindert werden soll. Derzeit wird der deutsche Aktionsplan für die Pfade invasiver gebietsfremder Arten überarbeitet.

Deutschland unterstützt die Umsetzung der EU-Verordnung unter anderem mit Forschungsprojekten und der Durchführung von Fachtagungen. Darüber hinaus gibt es auf europäischer Ebene LIFE-Projekte (L'Instrument Financier pour l'Environnement, das einzige EU-Förderprogramm, das ausschließlich Umweltschutzbelange unterstützt) u. a. mit Schwerpunkt auf invasiven gebietsfremden Arten. So wurde beispielsweise im Rahmen des LIFE-MICA-Projekts ein länderübergreifendes Managementkonzept für Nutria- und Bisampopulationen in den Niederlanden, Belgien und Deutschland durchgeführt.

Auch auf internationaler Ebene fördert die Bundesregierung im Rahmen der Internationalen Klimaschutz-Initiative, kurz IKI, Projekte, welche sich mit dem Management von invasiven gebietsfremden Arten beschäftigen. Das Projekt „Management invasiver Arten in Gemeinschaftswäldern in Nepal“setzt beispielsweise Managementmaßnahmen gegen invasive gebietsfremde Pflanzenarten um. Im IKI-Themencall 2022 wurde nach Projekten gesucht, die die Vermeidung und Reduzierung der negativen Auswirkungen von invasiven gebietsfremden Arten auf Inselökosysteme unterstützen. Maßnahmen in diesem Bereich sind zumeist arbeits- und kostenintensiv. Den Gewinner*innen des Ideenwettbewerbs werden 20 Mio. EUR zur Verfügung stehen. 

Hintergrund:

Der aktuelle IPBES Bericht wurde in einem vierjährigen Prozess von einem 86-köpfigen internationalen Expert*innenteam aus allen Weltregionen erarbeitet, darunter auch maßgeblich beteiligte Expert*innen aus Deutschland.

Der Weltbiodiversitätsrat beriet bei seiner zehnten Vollversammlung außerdem über die Schwerpunkte der neuen Berichte für die kommenden Jahre. So soll ein zweiter globaler Bericht zum Zustand der Biodiversität und Ökosystemleistungen, ein Bericht zum Monitoring und ein Bericht zu Raumplanung und Konnektivität erstellt werden. Besonders wichtig war es für Deutschland, dass die kommenden Berichte ebenfalls zur Umsetzung des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) und hier insbesondere des Globalen Biodiversitätsrahmens von Kunming-Montreal beitragen werden. Die Verabschiedung des zweiten globalen Berichtes ist für 2028 vorgesehen.

Der Weltbiodiversitätsrat IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) ist ein zwischenstaatliches Gremium zur wissenschaftlichen Politikberatung für das Thema biologische Vielfalt und Ökosystemleistungen. Er wurde 2012 gegründet. Aktuell sind 143 Staaten (inklusive Deutschland) Mitglied von IPBES.

Das Gremium sammelt für seine Berichte weltweit Daten aus wissenschaftlichen Untersuchungen, analysiert diese und zeigt politische Handlungsoptionen zum Schutz der biologischen Vielfalt auf. Besondere Aufmerksamkeit erhielt IPBES im Mai 2019 durch den globalen Bericht zum Zustand der Biodiversität und Ökosystemleistungen („Global Assessment“). Der Bericht warnt u.a. davor, dass eine Millionen Arten innerhalb der nächsten Jahrzehnte aussterben könnten, wenn der Mensch weitermacht wie bisher.

Die internationale Staatengemeinschaft hat sich mit der Verabschiedung des Globalen Biodiversitätsrahmens von Kunming-Montreal im Dezember 2022 dazu verpflichtet, die Auswirkungen invasiver gebietsfremder Arten auf die Biodiversität und Ökosystemleistungen zu beseitigen, minimieren oder abzuschwächen und zu diesem Zweck u.a. die Einbringung und Ansiedlung gebietsfremder Arten bis 2030 um mindestens 50 Prozent zu verringern (Handlungsziel 6). Der IPBES-Bericht setzt die dort geforderte Ermittlung und Kontrolle der Einfallswege gebietsfremder Arten um. Auf Grundlage der Erkenntnisse sollen Entscheidungsträger*innen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, einschließlich indigener und lokaler Gemeinschaften, informierte Entscheidungen treffen können.   

Deutschland ist einer der größten Finanzgeber und Sitzstaat des Sekretariates des Weltbiodiversitätsrates. Das Sekretariat befindet sich, neben weiteren 25 Einrichtungen der Vereinten Nationen, in Bonn. Das Bundesumweltministerium (BMUV) und das Bundesforschungsministerium (BMBF) haben 2014 gemeinsam die deutsche IPBES-Koordinierungsstelle eingerichtet, um u.a. die Mitwirkung deutscher Expert*innen an den IPBES-Assessments zu unterstützen.

Deutschsprachige Kernbotschaften aus der Zusammenfassung für die politische Entscheidungsfindung zu invasiven gebietsfremden Arten: siehe Link

 

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