Deutschlands größte Umweltverbände, der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Naturschutzbund (NABU), forderten am heutigen Mittwoch gemeinsam einen grundlegenden Kurswechsel in der Agrarpolitik.
Angesichts der gravierenden Auswirkungen der Landwirtschaft auf Wasser, Böden, Tierwohl und Artenvielfalt und der damit verbundenen Folgekosten für den Steuerzahler erklärten die Verbände die jetzigen Regelungen und Subventionen aus Umweltsicht für gescheitert. Sie forderten, die milliardenschweren Fördergelder künftig so zu verteilen, dass Landwirte Lebensmittel deutlich umweltfreundlicher und tierschutzgerechter erzeugen können. Dies entspreche auch dem ausdrücklichen Wunsch der Verbraucher.
Die Große Koalition habe es in den vergangenen vier Jahren versäumt, entscheidende Schritte in Richtung einer naturfreundlicheren Landwirtschaft zu gehen, kritisierten NABU-Präsident Olaf Tschimpke und BUND-Vorsitzender Hubert Weiger. Allen voran Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt habe das derzeitige, naturschädigende Fördersystem massiv verteidigt. Dabei sei der Druck zu handeln groß: Das Insektensterben sei in vollem Gange, über 80 Prozent der Feldvögel stünden inzwischen auf der Roten Liste und vielerorts sei das Grundwasser massiv mit Nitrat belastet.
Tschimpke und Weiger forderten, die gesetzlichen Vorgaben zur Massentierhaltung und das Düngerecht deutlich zu verschärfen. Auch der Aufbau eines bundesweiten Insektenmonitorings sowie ein Aktionsplan zur Rettung von Bienen seien dringend notwendig. Auf EU-Ebene müsse Deutschland zudem seinen Einfluss geltend machen und sich für ein besseres Fördersystem einsetzen, das Umwelt und den Bauernhöfen gleichermaßen helfe. Derzeit wird die EU-Agrarförderung neu verhandelt, sie macht rund 40 Prozent des gesamten Haushalts aus. Wie Deutschland seine Politik hier ausrichtet, sei mitentscheidend für die gesamte EU.
BUND:
„Der dringend notwendige Umbau der Nutztierhaltung muss von der neuen Bundesregierung umgehend begonnen werden. Die nationale Nutztierstrategie muss mit allen relevanten Akteurinnen und Akteuren diskutiert und bis zur Hälfte der Legislaturperiode verabschiedet werden“, erklärte Hubert Weiger, BUND-Vorsitzender. Weiger forderte für den Umbau der Tierhaltung einen verbindlichen Zeitrahmen und festen Finanzplan sowie die Verständigung auf Gesetzesänderungen.
Dafür sei das Nutztiergutachten des Wissenschaftlichen Beirates beim Agrarministerium eine gute Grundlage. „Wir wollen endlich raus aus der Massentierhaltung, die Tiere, Umwelt, Klima und auch uns Menschen krank macht. Wir brauchen weniger Tiere, die aber deutlich besser gehalten werden: Auf Bio-Bauernhöfen, NEULAND-Betrieben oder in Weidehaltung“, sagte der BUND-Vorsitzende. Als erste Schritte müssten eine verbindliche staatliche Haltungskennzeichnung eingeführt, die Gabe von Reserveantibiotika im Stall verboten und das grausame Töten männlicher Eintagsküken beendet werden, so Weiger.
NABU:
„Beim Blick auf den ökologischen Zustand unserer Wiesen und Felder müssten in Berlin und Brüssel eigentlich alle Alarmglocken schrillen“, so Tschimpke. Schuld an der schlechten Umweltbilanz der Landwirtschaft sei die jetzige EU-Agrarförderung. Sie belohne primär Masse statt Klasse. „Aufgrund der Flächenprämien werden Felder oft bis zum Anschlag genutzt. Daher ist es kein Wunder, dass Lebensräume und die Nahrung für Hummeln und Schmetterlinge verschwinden. Doch mit dem pauschalen und vollkommen ineffizienten Verteilen von Milliarden an Steuergeldern muss Schluss sein.
Öffentliche Gelder dürfen nur noch für öffentliche Leistungen ausgezahlt werden – in einem Fördersystem, das Umwelt, Verbraucher und Landwirte gleichermaßen unterstützt“, so Tschimpke. Dazu sei die Einrichtung eines neuen EU-Naturschutzfonds in Höhe von 15 Milliarden Euro jährlich notwendig, aus dem Landwirte, Waldbesitzer und weitere Landnutzer Prämien für konkrete Naturschutzleistungen erhalten können. Ein solcher „Naturschutzvertrag“ zwischen Steuerzahler und Landwirtschaft könnte gerade auch existenzbedrohten Betrieben verlässliche Zusatzeinkommen bieten.
Weitere Informationen zu den Forderungen der Verbände: siehe Links